"Baymax – Riesiges Robowabohu" (USA 2014) Kritik – Die Walt Disney Animationsschmiede empfängt den Marvel-Superhelden-Überdruss

Autor: Pascal Reis

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„Are you satisfied with your care?“

Die Walt Disney Company ist wieder obenauf: Hatte sich zu Anfang des Millenniums noch angedeutet, dass die Animation Studios im direkten Kampf mit Pixar (inzwischen eine Tochtergesellschaft von Disney) und Dremworks den Kürzeren ziehen werden und somit ihre Vormachtstellung innerhalb des auf tricktechnische Kinderunterhaltung spezialisierten Marktes verlieren sollten, nahm der Aufwärtstrend 2010 mit „Rapunzel – Neu verföhnt“ seinen Lauf und kulminierte mit dem herzerweichenden Märchen „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ in einer kommerziellen Sensation. Und egal wie amtlich die Konkurrenz mit Hits wie „Well-E – Der Letzte räumt die Erde auf“ oder dem „Drachenzähmen leicht gemacht“-Doppel auch aufgefahren hat, „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ hat die technischen Möglichkeiten mit ihrer diffizil-pronocierten Animationsarbeit auf ein neue Level katapultiert. Die Erwartungen an das Nachfolgewerk schweben also irgendwo in astronomischen Bereich, es scheint für die Walt Disney Animation Studios aber kein Ding der Unmöglichkeit, ihre vorherigen Erfolge noch einmal ganz lässig zu toppen.

Mit „Baymax – Riesiges Robowabohu“ startet nun ein Film, der sich ein Stück weit vom handelsüblichen Märchentypus distanziert und vielmehr dem anhaltenden Comic-Verschleiß auf der Leinwand Tribut zollt. Basierend auf dem Comic „Big Hero 6“, mit dem der Film letzten Endes aber nur noch marginal zu tun hat, ist „Baymax – Riesiges Robowabohu“ der erste Disney-Film, der die Zugehörigkeit der Marvel Studios in ihren Reihen mehr als bemerkbar macht. Das muss ja erst mal nichts Verwerfliches bedeuten, immerhin können auch Comic-Verfilmungen – trotz der allgemeinen Ermüdungserscheinungen ob der schematischen Materialschlachten und Selbstfindungspfade – dann und wann noch ziemlich gut unterhalten und vielleicht sogar darüber hinaus zünden. Bei einem Budget von 165 Millionen Dollar darf man sich in jedem Fall darauf gefasst machen, dass auch „Baymax – Riesiges Robowbohu“ unter dem Aspekt seiner Animationsfertigkeiten von A bis Z die größten Geschützte auffahren und ebenso damit überzeugen wird. Aber wie sieht es inhaltlich auch? Nicht rosig, so viel sei an dieser Stelle schon einmal proklamiert.

Man braucht sich nichts vormachen: Die Animationen sind ein Augenschmaus, die fiktive Metropole San Fransokyo, eine urbane Paarung aus den Signaturen wie Wahrzeichen von San Francisco und Tokyo, überwältigt durch ihre detaillierte Vielfalt und schafft es tatsächlich, die kulturellen Impressionen der jeweiligen Städte verschmelzen zu lassen und sodann zu einem neuen Porträt zu modellieren: Worldbuilding und die Präsentation dieses verdienen sich zweifelsohne ihr Fließsternchen. Es fällt jedoch schon während der Sichtung von „Baymax – Riesiges Robowabohu immer schwerer ins Gewicht, dass der Film den massenwirksamen Ingredienzien aus den unzähligen Superhelden-Vehikeln nicht unbedingt mit viel reflektorischem Witz begegnet, um all die dramaturgischen Eckpfeiler aufs Korn zu nehmen, sie ironisch zu brechen und somit unterlaufen zu können. „Baymax – Riesiges Robowabohu“ bedient sich hingegen der erzählerischen Marschroute und erstreckt seine Protagonisten genau auf den kathartische Effekt ihres knallbunten Abenteuers, der symptomatisch am Ziel auf den neu etablierten Helden warten muss. Und weil wir uns im Disney-Sujet befinden, gibt es obendrein noch eine pädagogisches Doktrin zu verarbeiten.

Sicherlich beherzt „Baymax – Riesiges Robowabohu“ die tradierte Herzlichkeit des Erzählkinos und schafft es ebenso, wenn auch nur eher in bedachten Andeutungen, den futuristischen Gesellschaftsentwurf vom technokratischen System, in dem Teleportation nicht mehr nur Sci-Fi ist, zum Hort der Nächstenliebe zu konstruieren. Nukleus der Unterhaltung ist der knuffige Roboter Baymax, der eigentlich für medizinische Versorgung zuständig ist, aber auch als emotionale Stütze fungieren kann und Hiro Beistand leistet, sein von Trauer und Wut geprägte Pubertät mit gewissenhafte Ausgang abzuschließen. „Baymax – Riesiges Robowabohu“ verbreitet Kurzweil, weil er das wandelnde Marshmallow Baymax sowohl als unglaublich sicher-süßliche Gagmaschine in die sentimentale Geschichte integriert hat, aber eben auch als moralischen Stabilisator vorstellt. Er ist der elementare Kitt, der alles zusammenhält, alles fußt auf der unausweichlichen Abhängigkeit seiner Präsenz, so gut wie jeder Lacher geht auf seine Kosten und doch erzählt „Baymax – Riesiges Robowabohu“ eine formelhafte, oftmals in ihren Zuspitzungen erzwungene Geschichte, so absehbar wie (über-)sättigend an goldiger Putzigkeit. Gestalterisch allerdings, und das kann ihm keiner nehmen, ist „Baymax – Riesiges Robowabohu“ ein Meisterwerk.

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