"Californication" 1. Staffel (USA 2007) Kritik – David Duchovny zwischen Muschis und Verantwortung

Autor: Pascal Reis

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„I probably won’t go down in history, but I will go down on your sister.“

Es wäre eine Lüge, würde man verlauten lassen, dass der zynische Schriftsteller Hank Moody (David Duchovny) seinen promiskuitiven Lebensstil nicht begrüßen würde. Natürlich tut er das, Hank ist ein Frauenmagnet und nimmt alles mit, was sich ihm widerstandslos vor die Flinte wirft, immerhin hilft ihm das auch, sich von seiner kreativen Durststrecke abzulenken – Seit sieben Jahren hat er keinen Satz mehr geschrieben. Eine Lüge aber wäre es auch, würde man Hank als einen Menschen beschreiben, der sich nicht bewusst darüber ist, welche Konsequenzen die sexuellen Ausschweifungen auf sein privates Umfeld haben könnten. Hank versucht in kindlicher Penetranz seine gescheiterte Beziehung mit Karen (Natascha McElhone) wieder herzustellen, nur hat die schon längst einen neuen Freund und möchte diesen auch bald heiraten: Ein Schritt, den Hank und Karen nie gegangen sind. Die Schwierigkeit liegt darin begraben, dass Hank zunehmend aus Affekt handelt und sich über die Rechnungshöhe erst am nächsten Morgen im Klaren ist.

Einzig Tochter Becca (Madeleine Martin) kann ihren Vater noch vorbehaltlos lieben, bis auch sie akzeptieren muss, dass Hank zwar versucht Verantwortung zu übernehmen, sich durch sein immerzu kopfloses Handeln aber tiefer und tiefer in die Scheiße manövriert. In einer Zeit, in der die Gesellschaft an ihrer Hypersexualisierung zu ersticken droht, in der wir an allen Ecken und Ende Zugriff Nuditäten dargeboten bekommen, scheint „Californication“ in seiner Visualisierung von nackter Haut kaum noch vom Hocker zu reißen. Dass sich das Showtime-Format gewiss nicht auf die Agenda geschrieben hat, als reine Wichsvorlage gewertet zu werden, sollte von vornherein klar sein, doch dem Gedanke an etwas Aufrüttlung, an etwas Provokation, kann sich „Californication“ selbstredend nicht verweigern. Allein die ersten Minuten der Serie stellen die Weichen in eine klare Richtung: In einem Traum betritt Hank eine Kirche, wirft seine Zigarette in das Weihwasserbecken und lässt sich anschließend von einer Nonne oral befrieden, denn „er lutscht sich ja schließlich nicht von selber“.

Klingt nach kalkulierter Geschmacklosigkeit? Nach billiger Bumsphantasie? Dass diese Szene später auch als ein Bekenntnis fungieren wird, welches noch einmal unterstreicht, dass Hank immer an den Dingen interessiert zu sein scheint, die er nicht bekommen kann, lässt sich zu Anfang natürlich noch nicht einfangen. Als reine Herausforderung an den Zuschauer jedenfalls trägt „Californication“ im prüden Amerika Früchte und erfreut sich höchster Wertschätzung – Und generiert durch seine enttabuisierende Haltung reichlich Gesprächsstoff. Hank treibt es in so gut wie jeder Folge mit einer anderen Frau, ob junge Damen (auch eine Minderjährige erwischt es, was noch einen langen Rattenschwanz nach sich ziehen und wie ein Damoklesschwert über den Erzählsträngen hängen wird) oder geübte Professionelle. Doch er muss lernen, dass das Leben nicht nur einzig und allein aus Ficken und Saufen bestehen kann, sondern die innere Zufriedenheit erst dann in den Bereich des Möglichen rutscht, wenn man sich mit all den Problemen, Fehlern und Ungereimtheiten, aus denen wir Menschen nun mal allesamt bestehen, arrangiert hat.

Genau dann existiert eine Zukunft und das Verharren in der Vergangenheit scheint gelöst. Aber nicht nur Hank muss dieser Tatsache in die Augen blicken, auch Karen hat damit zu ringen, ihren langjährigen Partner jeden Tag zu sehen und seinen Anbandelungsversuchen zu widerstehen, während sie die adoleszente Becca, die zuweilen den Traum einer heilen Familie erliegt, längst dahingehend desillusioniert hat, dass es nur selten ein Happy End gibt. Und vielleicht hat sie Recht damit, dass in ihrem Leben nicht immer alles nach Plan gelaufen ist. Ihre größte Angst jedoch ist es, dass sie sich ihre große Liebe womöglich durch die Finger hat gleiten lassen und bei der Rückkehr zu Hank feststellen muss, dass er nicht sie liebt, sondern nur noch die Idee von Liebe. „Californication“ verpackt diese zwischenmenschlichen Geflechte und essentiellen Konnotationen in ein reichlich schwarzhumoriges Korsett, ohne seine Figuren übersteigern zu müssen und zu blanken Karikaturen zu verdammen. So amüsant und überspritzt „Californication“ sich in so manchen Momenten doch geben mag, in seiner Charakteretablierung ist es eine Serie, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Und das macht sie so herrlich effektiv.

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