“Django Unchained” (USA 2012) Kritik – Quentin Tarantino lässt den Western wieder aufleben

Autor: Philippe Paturel

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“Gentlemen, you had my curiosity… but now you have my attention.”

Wir schreiben das Jahr 1858. In den Südstaaten ist es für Schwarze verboten, ohne die Erlaubnis ihrer Landherren eine Beziehung zu führen. Django (Jamie Foxx) und Broomhilda (Kerry Washington) lassen sich davon jedoch nicht abhalten und gehen sogar soweit, dass sie sich als Ehepaar sehen. Die Strafe folgt prompt. Die beiden werden ausgepeitscht und anschließend an verschiedene Sklavenhändler verkauft, damit sie sich nie wieder sehen können. Da Django jedoch Wissen mit sich trägt, welches für den Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) von großer Wichtigkeit ist, wird er schneller wieder zum freien Mann als gedacht. Mit dem einen Ziel vor Augen, seine Frau Broomhilda zu finden, stürzen sich die beiden in ein blutiges Abenteuer. Ein Aufeinandertreffen mit kaltblütigen Gesetzlosen und herzlosen Großgrundbesitzern, die sich ihre Zeit mit Mandingo-Kämpfen vertreiben, ist dabei unausweichlich.

Über Tarantinos Filme lässt sich ja gut und gerne mal mehrere Stunden diskutieren. Über seinen Innovationsstil beispielsweise: Ist dieser einfach nur geklaut oder ist Tarantino doch der Zitatemeister schlechthin? Oder zum Beispiel über seine nicht enden wollenden Dialogpassagen – Love it or hate it! Sein langjähriges Herzensprojekt “Django Unchained“ jedoch, und das muss jetzt sogar ich als großer Tarantino- und noch größerer Western-Fan ehrlich sagen, offenbart nicht nur Schwächen, welche sich bereits in “Inglourious Basterds“ angedeutet haben, sondern einige andere große Patzer in Sachen Inszenierung und Storytelling. Das Resultat ist ein unstimmiger, ironiefreier, nur selten witziger und teils gewaltverherrlichender Western, der einen auf Epos macht, aber nicht viel mehr als eine planlose Aneinanderreihung von Szenen ohne jedweden Anspruch und Tiefgang darstellt. Wäre das Ganze wenigstens unterhaltsam, könnte man noch ein Auge zudrücken, nur verliert sich der Film in zu vielen Szenen, die man auch ohne weiteres hätte kürzen oder komplett streichen können.

Dass Tarantino ein großer Fan von Italowestern ist, lässt sich in „Django Unchained“ zudem nur schwer erahnen. Sicherlich findet man, wie von Tarantino gewohnt, genug Querverweise zu diesem Subgenre, dennoch ist es überraschend, wie verzweifelt Tarantino versucht, ein komplexeres Bild vom wilden Westen als seine Vorbilder zu schaffen. Nur selten besitzt „Django Unchained“ den kritischen Unterton eines “Leichen pflastern seinen Weg“ und schon gar nicht rechtfertigt er seine wahrlich brutale Geschichte, die nicht über Kitsch und Klischees hinauskommt. Durch fast drei Stunden muss man sich kämpfen, anstatt einfach einen zweistündigen Western wie Corbuccis “Django“ zu erleben. Hinzu kommt, dass der Film, obwohl er einerseits inhaltlich viel zu überladen wirkt, teilweise einen arg hektischen Eindruck macht, so dass ein Orts- und Jahreszeitwechsel ganz plötzlich passiert – ’Wir sind jetzt schon wieder in Mississippi?’

“Django Unchained“ möchte vieles sein: Neo-Western, Epos, Liebesgeschichte, Zitatekino, Komödie, und gleichzeitig von allen verstanden werden. Das funktioniert anfangs noch recht gut, solange der Fokus einzig auf Django und Dr. King Schultz liegt, verliert sich aber recht schnell in zumeist platten Dialogen und in einer Fülle an uninteressanten Figuren. Zudem fehlt Tarantino der Mut für Konsequenz, welche seine vorherigen Arbeiten auszeichnete. Er geht nicht mehr in die Extreme, sondern macht aus dem Western ein Produkt, das möglichst jedermann gefallen soll. Immer wieder merkt man, dass hinter dem ganzen Produkt ein Name steht: The Weinstein Company. Und so ist der Southern vielmehr eine marketingtechnische Ausgeburt. Man wird zwar Zeuge von der ein oder anderen gewalttätigen Szene, alles andere ist aber in dermaßen glattgebügelte Bilder gehüllt, dass nur ganz selten wirklich Atmosphäre und schon gar nicht Western-Stimmung aufkommt.

Es ist ja nicht so, dass es gar keine grandiosen Szene zu bestaunen gibt. Wenn sich beispielsweise Django und Broomhilda das erste Mal wiedersehen, dann ist das nicht nur ein brillant gespielter, sondern auch ein sehr emotionaler Moment. Solche Augenblicke sind aber leider viel zu rar gesät, was vor allem daran liegt, dass die Hauptfigur Django total uninteressant bleibt. Sie besitzt weder Ecken und Kanten noch kann die Entwicklung vom Sklaven zum Revolverhelden, die Django durchlebt, wirklich überzeugen. Ein paar Schießeinheiten gegen einen Schneemann und siehe da, Django ist ein Schütze, der niemals sein Ziel verfehlt, oder eben ein “Naturtalent“, wie ihn Schultz nennt. Man kann es sich sicherlich ab und zu mit Erklärungen so einfach machen, nur zieht sich das durch den kompletten Film. Das spiegelt sich hauptsächlich in hastigen Ortswechseln, Zeitsprüngen und eben den Charakterisierungen wieder. Und da sich dann die Erzählung auch noch darauf beschränkt, dass ein Mann seine Frau sucht, dann ist das ohne besonders gute Einfälle auf dem Weg zum Ziel einfach langweilig. Warum der Titelheld nun “Django“ heißt? Reine Willkür.

Fazit: Quentin Tarantino geht mit seinem Western “Django Unchained” in die Vollen: Gewalt wird zum Spaß; Frauen fliegen wegen eines Revolverschusses durch den ganzen Raum; und DiCaprio beherrscht hier nur sein Stirnrunzeln noch besser als sein Overacting. Wenn die wenigen Gänsehautmomente dann auch noch dem Soundtrack – merci encore messieurs Morricone und Bacalov – zu verdanken sind, dann fragt man sich natürlich, was während der Produktion alles schief gelaufen sein muss. In diesem Fall gibt es auf jeden Fall genug zum kritisieren: Blasse Charaktere, anstrengendes Overacting – dabei zeigt sich Christoph Waltz überraschend zurückhaltend – deutliche Mankos in der Inszenierung und unerklärte Handlungen. Wer gehofft hatte, dass “Django Unchained“ der wahr gewordene Traum eines jeden Western-Fans werden würde, dem dürften spätestens dann die Nerven durchbrennen, sobald der Rap-Song “100 Black Coffins“ einsetzt. Das ist weder eine Liebeserklärung an den Spaghetti-Western noch eine gelungene Redefinition, sondern eine Schändung.

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