"Dogville" (SE/NL/IT/FR/DE/US/NO/JP/GB/FI/DK 2003) Kritik – Willkommen im Dorf der Hunde

“All I see is a beautiful little town in the midst of magnificent mountains. A place where people have hopes and dreams even under the hardest conditions.”

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Lars von Trier empfängt den Zuschauer mit einer mehr als kargen und ungewöhnlichen Theaterkulisse, die sich lediglich durch Kreidestriche als Trennlinien auf dem Boden, einigen Einrichtungsgegenständen und den Türen zusammensetzt. Das wir es hier mit einem ganz besonderen Film zu tun bekommen, der mit exzellenter Konsequenz und ohne jede Scheu die verstaubten Sehgewohnheiten auf interessante Weise zerbricht, ist für jeden Betrachter schnell klar. Was Regisseur von Trier dem Zuschauer dann in den folgenden 180 Minuten serviert, ist eine Geschichte über den Menschen und über sein Benehmen und die charakterliche Verwandlung.

Im Fokus steht Grace (bravourös: Nicole Kidman), die in dem abgelegenen Bergdorf namens Dogville (der Titel reflektiert die Verhaltensweisen der Bewohner mit zunehmender Laufzeit exakt) Schutz vor der Mafia sucht und ein Teil der kleinen Gemeinde werden will/muss. Die Bewohner begrüßen sie mit offenen Armen, sie wird in die täglichen Arbeiten eingebunden und lernt jeden der Bewohner des verschlafenen Nestes kennen. Sympathische, freundliche Menschen. Menschen, die mit der Zeit bemerken, dass sie einen gewissen Vorteil aus der auf sie angewiesenen Grace ziehen können. Sie tut das, was man ihr sagt, nicht weil sie es gerne macht, sondern weil sie es machen muss, weil sie schlicht auf das Versteck gebunden ist und sich hier nicht auch noch Ärger einhandeln kann. Die Situation artet nach und nach immer weiter ins Extreme aus. Sie muss nicht nur härter arbeiten als der Rest, die männlichen Dorfbewohner vergreifen sich auch an ihrem Körper, wann immer es ihnen passt. Grace gibt sich hin, jede Flucht ist zwecklos.

Wenn wir uns dann langsam auf dem Ende entgegenbewegen, die Luft immer dünner wird, Grace immer verzweifelter und gebrochener in die Kamera blickt und Lars von Trier dann mit offenem Visier dem Zuschauer entgegentritt, um ihm die ganze Wahrheit erbarmungslos entgegenzuschmettern, entfaltet sich „Dogville“ zu einer abstoßend ehrlichen Wiedergabe des egoistischen Charakters der menschlichen Rasse. In „Dogville“ steht Schein und Sein über allem und begangene/empfangene Handlungen und Taten entpuppen sich schlussendlich nicht als die, für die man sie durchgehend gehalten hat. Alles erstrahlt in neuem Licht, bekommt eine neue Bedeutung zugesprochen. Der dünne Grat der Humanität wird analysiert – Wie schnell wird man selber Opfer und wie schnell kann man Menschen zu Opfer/Sklaven seiner eigenen Bedürfnisse machen. Arroganz und Schuld, auf beiden Seiten, sind die Säulen der hervorragenden Inszenierung und der Mensch, dessen Natur von Grund auf böse und durchtrieben ist, lässt die Masken fallen, um den Zuschauer nicht nur eiskalt zu erwischen, sondern ihm auch bis zur letzten Sekunde in die verschreckten Augen zu starren.

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