Kritik: Donnie Brasco (USA 1997)

“Ich habe immer Recht. Ein Mann der Familie hat immer Recht. Selbst wenn er Unrecht hat, hat er Recht.”

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Jedes Jahrzehnt wirft immer wieder Filme über die berüchtigte Mafia heraus, die sich dann zu wahren Meilensteinen der Filmgeschichte mausern. Richtig Schwung und Glanz bekam das Genre mit Francis Ford Coppolas ‘Der Pate’ 1972, der auch heute noch zusammen mit ‘Der Pate II’ die Speerspitze bildet und seinen Rang nie verlieren wird. In den 80er Jahren lieferte Brian De Palma mit ‘Scarface’ und ‘The Untouchables’ zwei Glanzstücke ab und die 90er gehörten wohl Martin Scorsese, der mit ‘GoodFellas’ und ‘Casino’ ebenfalls zwei seiner größten Meisterwerke inszenierte. Das sind alles Filme, die wirklich jeder Fan kennt und liebt. Aber es gibt auch die unbekannteren Vertreter, die trotz großer Namen nie die nötige Aufmerksamkeit bekamen, obwohl sie mit den großen Klassikern nicht selten auf ihre Art mithalten konnten. Da wären zum Beispiel ‘Carlito’s Way’ oder auch ‘Miller’s Crossing’. Doch da gibt es noch einen anderen Genrebeitrag, der 1997 das Licht der Welt erblickte, aber viel zu unerwähnt blieb: ‘Donnie Brasco’ von Mike Newell.

Um das organisierte Verbrechen endlich stürzen zu können, wird Undercover-Agent Joe Pistone in die New Yorker Mafia eingeschleust. Er bekommt den neuen Namen Donnie Brasco und eine wasserdichte Biografie. Nun ist Pistone auf sein Können angewiesen und gerät als Brasco immer schneller in den Rausch der dunklen Welt, bis er schließlich zum engsten Vertrauten des Mafiosos Lefty Ruggiero wird. Als den Gangstern jedoch klar wird, dass sie einen Verräter in ihrer Reihen haben, muss Pistone schnell und klar handeln um seinen eigenen Kopf zu schützen…

Besetzt ist ‘Donnie Brasco’ mit zweien der beliebtesten und erfolgreichsten Schauspieler aller Zeiten. Angefangen mit Al Pacino, der bereits eine Legende im Mafia-Genre ist, hier aber einen völlig anderen Charakter als seinen unantastbaren Michael Corleone verkörpert. Er ist einer von vielen, ein Diener der großen Bosse und eine tragische Figur seiner selbst. Das spielt Pacino gewohnt toll aus und füllt die Facetten zwischen Mafioso und verletzter Seele stark aus. Neben ihm ist Johnny Depp zu sehen, der zu diesem Zeitpunkt noch sein Rebellenimage besaß und als Joe Pistone/Donnie Brasco ebenfalls zur Topform auffahren kann. Depp füllt seinen gespaltenen Charakter mit viel Leben und holt in jeder Szene alles heraus, was die Figur von ihm verlangt. Auch in den Nebenrollen wissen Anne Heche als Pistones verzweifelte Ehefrau, oder Michael Madsen als Gangster Sonny Black zu überzeugen.

Die Geschichte, die uns Mike Newell hier in gut zwei Stunden eröffnete, beruht auf wahren Geschehnissen und Tonaufzeichnungen des FBI-Agenten Joe Pistone, der über mehrere Jahre in die Machenschaften der New Yorker Mafia eingetaucht ist und die Gesetzeshand in den 70er Jahren im Kampf und bei der Aufdeckung des organisierten Verbrechens unterstützte. Schon wieder eine weitere Undercover- oder Spitzelstory könnte man beinahe schon herablassend sagen, nach den Mengen an Filmen, die sich diesem Thema schon unzählige Male annahmen und dabei oft genug in trockenen Wiederholungen wälzten. In ‘Donnie Brasco’ ist das in keinem Punkt der Fall, denn das Leben, so sagt man doch, schreibt die spannendsten Geschichten. Newell legte hierbei nicht den größten Wert auf den Spitzelplot, sondern auf die Beziehungen und Gefühle innerhalb des Verbrechens und hinter den kriminellen Fassaden. Der Mafioso Lefty Ruggiero buckelt seit 30 Jahren im Verbrechen, Chancen auf einen Aufstieg oder eine andere Perspektive sind ihm jedoch nie gegeben. Das Schicksal ist vorbestimmt und die Regeln unabdingbar vorgegeben. Tanzt einer aus der Reihe, dann wird er ausradiert. Doch nicht nur der Job macht Lefty das Leben schwer, sondern auch sein Privatleben, denn sein Sohn ist ein Junkie und klebt an der Nadel, genau wie der Krebs an seiner Prostata, der ihn impotent gemacht hat. In dieses farb- und trostlose Leben dringt Joe Pistone als Donnie Brasco ein, der sich zu Anfang als Juwelier ausgibt und Lefty immer mehr ans Herz wächst. Aber auch Pistone hat so seine Schwierigkeiten, die seine drei Leben, als Undercover-Agent, als Brasco und als Familienvater, immer weiter zerfressen. Pistone wird zu einem Teil von dem, gegen das er eigentlich ankämpfen musste. ‘Donnie Braco’ ist so ein Drama über die zerbrechlichen wie menschlichen Gesichter hinter der Kriminalität.

‘Donnie Brasco’ konzentriert sich zu keinem Zeitpunkt auf die Taten der Mafia oder glorifiziert sie. Newell inszenierte einen Film über Menschen und ihre zermürbenden Probleme, von den gescheiterten Vaterfiguren, bis zur Impotenz. Zwei „Feinde“ werden zu Vertrauten und bauen eine Freundschaft auf Lügen und Misstrauen. Die angespannte Lage könnte jeden in einen Abgrund ziehen und doch wird diese brutale Welt zur neuen Heimat, die alles andere ausklinken lässt und den Anschluss an das echte Leben verliert. Dieses Drama, verloren in verwechselten Identitäten, wird von Newell mit der nötigen Spannung und Tragik entfaltet, so dass sich die Beziehung zwischen Brasco und Lefty langsam zu einer Vater-Sohn-Bindung entwickelt, obwohl sie doch von Anfang an dem Zerfall gewidmet war, und kann in ihren besten Szenen eine Emotionalität erzeugen, die die hoffnungslosen Figuren unheimlich nahe bringt. Newell griff dabei jedoch nie auf unnötige Rührseligkeiten zurück oder wollte unbedingt etwas erzeugen. Im Gegenteil, es bleibt realistisch und persönlich und ‘Donnie Brasco’ findet genau im richtigen Moment sein Ende.

Fazit: ‘Donnie Brasco’ ist eine sträflich unbekannte Perle unter den Mafiafilmen. Die tollen Darsteller, die packende Atmosphäre und natürlich Newells starke Inszenierung machen den Film zu einem Drama, das sich um die menschlichen Zwischentöne innerhalb der Mafia konzentriert und keinen Wert auf Brutalität legt. Ein starker Film.

Bewertung: 8/10 Sternen

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