"Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" (USA 2013) Kritik – Auf der Suche nach der Quintessenz des Lebens

Autor: Pascal Reis

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“Beautiful things don’t ask for attention.”

Die Meisten assoziieren mit dem Künstler Ben Stiller wohl eher den mit gerne seichten Zoten jonglierenden, aber eigentlich doch recht sympathischen Pausenclown und gutmütigen Durchschnittstrottel aus der amerikanischen Mittelschicht. Dabei berührt die Qualitätsskala im Schaffen Stillers jede äußere Grenze mit Leichtigkeit und kann mit wirklich großartigen Genre-Vertretern wie beispielsweise „Verrückt nach Mary“ und „Meine Braut, ihr Vater und ich“ glänzen, muss sich aber ebenso genügend verdiente Schelte für seine blamablen Auftritte in Danny DeVitos „Der Appartement-Schreck“ und Barry Levinsons wahrlich grauenhaften „Neid“ gefallen lassen. Doch Ben Stiller weiß sein Glück nicht nur als Schauspieler an mehreren Fronten herauszufordern, er genießt ebenso die Führung mit dem Taktstock in der Hand hinter der Kamera. Mit seinen Werken „Zoolander“ und „Tropic Thunder“ wusste der New Yorker seine Fangemeinde mit dem für ihn charakteristischen Humorverständnis der etwas gröberen, ja, albernen, und doch nicht gänzlich ohne Subtext modellierten Fasson zu füttern – Und die erhebliche Schmach mit seiner zweiten Regiearbeit „Cable Guy“, nach dem gelungenen Charakter- wie Zeitportrait „Reality Bites“ – auszuradieren.

Doch auch eine gefragte Persönlichkeit wie Ben Stiller es ist, die den kommerziellen Erfolg quasi durchaus für seinen Namen gepachtet zu haben scheint und auf aller Welt mit medialer Zuneigung verwöhnt wird, möchte nicht bis an ihr Lebensende in ein- und derselben Erinnerungssparte verweilen. Mit seiner neuen Regiearbeit „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, die lose auf der Kurzgeschichte „Walter Mittys Geheimleben“ von James Thurber basiert, ist Ben Stiller nun genau an dem Punkt in seiner regen Karriere angekommen, an dem es für ihn offensichtlich höchste Zeit wurde, zu neuen, essentielleren Ufern aufzubrechen und den wahren Sinn des Lebens zu hinterfragen und für sein Publikum narrensicher herauszukristallisieren. Zusammen mit seinem Drehbuchautor Steve Conrad, der nicht nur für seinen schmalzigen Neoliberalismus („Das Streben nach Glück“), sondern auch für seine Affinität für die herzensgute Selbstfindungsthematik („The Weather Man“) bekannt ist, scheint eine massenkompatible Kollaboration entstanden zu sein, die den Hobbyphilosophen in den gepolsterten Kinosesseln gewiss ein Lächeln auf die Lippen zaubern wird.

Zu einem anhaltenden Lächeln über die gesamte Laufzeit wird es bei all den Zuschauern, die sich auch während der Konsumierung der Gezeigten mit dem Film beschäftigen und die Perzeption reflektieren, nicht kommen, sondern bestenfalls für ein gelegentliches Zucken der ansonsten deutlich regungslosen verbleibenden Mundwinkel reichen. In seiner grobspurigen Aufbruchsmentalität folgt „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ nicht nur einer furchtbar blauäugigen Narration, er gibt sich auch komplett der verklemmten Ideologie des fortschrittsfeindlichen und an alten Werten klammernden Miesepeters hin, der den Zugang zu jedem digitalen wie technologischen Aufwärtstrend am liebsten strickt negieren würde. Nicht umsonst besitzt der bis zum Mythos stilisierte Sean O’Connell (Sean Penn) weder Handy, noch knippst er seine renommierten, beinahe legendär verehrten Aufnahmen mit einem Digitalapparat, sondern ganz altmodisch auf Film. Daraus entsteht ein MacGuffin, welcher natürlich einzig und allein dazu dient, den Plot um Walter Mitty (Ben Stiller); den Entwickler der Negative des populären Life!-Magazine; irgendwie in dramaturgischer Spur zu halten. Aber es verwundert am Ende dann rein gar nicht, dass dieser MacGuffin nicht im mysteriösen Dunklen verbleibt, sondern sich ganz der konzeptionellen Inkonsequenz angepasst.

Und mit dieser Inkonsequenz im Schlepptau, die sich eben ironischerweise mit einheitlicher Konsequenz durch das gesamte Szenario schlängelt und „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ nicht nur fortwährend mutlos, sondern auch frei von jeder Substanz festnagelt, hat Ben Stiller schlussendlich keinen bedeutsamen Film inszeniert, der sich mit der existenziellen Sinnfrage des Seins beschäftigt oder seinen Charakteren ein echtes Innenleben vergönnt respektive dabei greifbare Emotionen schildert. „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ lässt all den charmanten Zauber vermissen, den der von beeindruckenden Schauwerten dominierte Trailer suggerierte, die Tonalität hingegen schlägt aus in ein fragwürdig prätentiöses Zentrum und gerade die Frauenfigur in Person von Kristen Wiig hat ausschließlich damit zu tun, dem anfangs noch so unscheinbaren Tagträumer Walter in aufbauenden Parolen zu betten und schlussendlich zu dem Status des großen Helden von nebenan zu verhelfen. „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ funktioniert als auf die Leinwand projiziertes Fotoalbum der grönländischen wie isländischen Naturgewalten, kommt dabei aber auch nie über die schönen, aber austauschbaren Motive der Reisebüroposter hinaus. Ein wahrhaft verstrahltes und sich selbst belügendes Ereignis.

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