Kritik: Fliegende Liebende (ES 2013) – Almodóvar lässt in luftigen Höhen die Fetzen fliegen

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I’m so excited.

Pedro Almodóvar zählt für mich zu den interessantesten zeitgenössischen Regisseuren Europas. Obwohl sich in seinem Schaffen eine gewisse Ähnlichkeit zu Großmeistern wie Woody Allen (das humoristische Schildern von Alltagssituationen) und Jean-Luc Godard nachweisen lässt, konnte der Spanier immer seinen ganz eigenen Stil bewahren. Die Art und Weise, wie es ihm in jedem seiner Filme gelingt, die verschiedensten Alltagsthemen mit bitterbösem schwarzem Humor und großen Emotionen zu vermengen, ist eine Kunst für sich. Diese Konsequenz, die seine bisherigen Filme ausmachte, fehlt seiner Flugzeugchaoskomödie „Fliegende Liebende“ fast durchgehend und so liefert er nach dem meisterlichen Psychodrama „Die Haut, in der ich wohne“ den schwächsten Film seiner Karriere ab.

Erst als das Flugzeug bereits in der Luft ist, merkt die Crew, dass irgendetwas nicht stimmt. Schnell wird klar: Während des Starts haben sich Bremsklötze im Fahrgestell verfangen. Eine sichere Landung ist daher ausgeschlossen. Anstatt jedoch den Flug in Richtung des geplanten Ziels Mexiko fortzusetzen, kreist das Flugzeug der Airline Península für viele Stunden über dem Festland Spaniens, in der Hoffnung, dass ihnen ein Flughafen die Genehmigung zur Notlandung gibt. Im Angesicht der Misere dreht das Bordpersonal jedoch komplett durch, so dass die letzten Stunden in der Luft zu Alkohol- und Sexexzessen führen.

Es ist schon eine seltsam absurde Geschichte, die sich Almodóvar hier ausgedacht hat. Seine Liebe für das Genre der Chaoskomödie scheint dabei klar durch. Was jedoch vor 30 Jahren in „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ noch seinen Reiz gehabt haben mag, wirkt in „Fliegende Liebende“ größtenteils total unentschlossen und, noch viel schlimmer, unzeitgemäß. Sicherlich ist es Almodóvar positiv anzurechnen, dass er sich nicht in Zitaten verliert, sondern erneut sein ganz eigenes Ding durchzieht. Für den nach dem Trailer erwarteten Spaß sorgt das allerdings, trotz des exzellenten Casts, der viele bisherige Stammschauspieler Almodóvars versammelt, nur in den wenigsten Szenen, wenn beispielweise eine Frau ihrem Ehemann schlafwandelnd einen bläst, oder eben die bisexuellen bzw. schwulen Stewards zu „I’m so excited“ einen Tanz vorführen, um die Gäste in Anbetracht des unklaren Ausgangs der Extremsituation aufzumuntern.

Ansonsten ist „Fliegende Liebende“ glücklicherweise noch kurz genug, um nie in die vollkommene Langeweile und Belanglosigkeit abzudriften. Die Schauspieler holen aus dem Vorgegebenen das Maximum an Unterhaltung raus, so dass zumindest immer mal wieder gelacht und der Kopf geschüttelt werden darf. Diesem eigentlich sehr unterhaltsamen Chaos im Flugzeug nimmt Almodóvor jedoch zu oft die Spannung, indem er zwei unnötige Nebenplots einbaut, die nicht im Flugzeug spielen. Durch die Schnitte zu Land verliert der Film immer wieder deutlich an Tempo.

Almodóvars Absicht hingegen ist klar. Er möchte uns vorführen, wie Menschen in einer aussichtslosen Lage, womöglich in den letzten Minuten ihres Lebens, handeln würden. Würden wir wirklich unseren Anstand über Bord werfen und keine Grenzen mehr kennen? Eine interessante Frage, nur wird daraus nicht wirklich ersichtlich, was die ganze Geschichte um bi- und homosexuelle Piloten und Stewards soll. Almodóvars Fokus auf Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung ist zwar nicht neu, nur wirkt das Interesse für diese Thematik an dieser Stelle allzu aufgesetzt. Wohl deswegen, weil Almodóvar nichts Besseres eingefallen ist oder einfach nur, weil das Genre der Chaoskomödie nicht so leicht zu bedienen ist wie manch einer zu glauben scheint.

Zum Abschluss eine kleine Notiz. Wem schon der Trailer nicht zugesagt hat und sich „Fliegende Liebende“ eh nur wegen Antonio Banderas oder Penélope Cruz ansehen wollte, der sei vorgewarnt, dass die beiden nur in den ersten Minuten kurz zu sehen und anschließend nicht mehr von Bedeutung sind.

Fazit: Mit “Fliegende Liebende” hat sich Almodóvar keinen Gefallen getan. Er kann sich nur glücklich schätzen, dass er so tolle Schauspieler für dieses Projekt gewinnen konnte, denn ohne die unglaubliche Schauspielerriege wäre der Film zu gar nichts zu gebrauchen. Zu harmlos ist der Humor, zu unnötig sind die Nebenplots, zu groß die Fülle an Figuren. Dermaßen zurückhaltend und unentschlossen hat man den normalerweise so schlagkräftigen und nachdenklich stimmenden spanischen Regieexzentriker bisher noch nicht erlebt.

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