"Her" (USA 2013) Kritik – Herkömmliche Beziehungsdramödie 3.0

Autor: Florian Feick

null

„She’s not just a computer.“

In Zeiten, in denen der Fortschritt moderner Technologien immer größer und künstliche Intelligenzen immer sozialer werden, erscheint es bloß als logische Konsequenz, die Thematik dahingehend weiterzuspinnen, dass bald womöglich sogar (Liebes-)Beziehungen mit Prozessoren und Schaltkreisen allerhöchstens eine Frage der Ethik, nicht aber der Unmöglichkeit sind.

In einem unbestimmten Jahr in der Zukunft: Smartphones diktieren längst unser Sozialverhalten, der morgendliche Weg zur Arbeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gleicht mehr einer Realitätsflucht To Go denn dem tatsächlichen Verbinden zur Außenwelt und die urbane Gesellschaft scheint mittlerweile am Punkt der totalen Isolation angelangt. Kurzum, all die bitteren Konsequenzen eskapistischer Scheinrealitäten, vor denen uns etliche Sozialwissenschaftler schon immer gewarnt haben, sind wahr geworden.

Wir befinden uns in einem an die stilvolle Eintönigkeit Ikeas gemahnenden Büro; inmitten eines mit minimalistischem Mobiliar ausgestatteten Büros beobachten wir den offenkundig einfühlsamen Theodore (mit nuscheligem Schnauzbart: Joaquin Phoenix) beim Diktieren eines rührenden Liebesbriefes. Erst einige Momente später wird uns bewusst, dass er hier gerade keinem seiner Liebsten, sondern einer ihm gänzlich fremden Person schreibt – von Beruf ein Verfasser personalisierter Freundschafts- bzw. Liebesbriefe also; jemand, der derart reich an Emotionen ist, dass er sich sogar in die Gefühlswelten anderer, ihm größtenteils fremder Menschen hineinversetzen kann.

Mit seinen eigenen Emotionen jedoch möchte Theodore nach Möglichkeit nicht konfrontiert werden. Seine letzte überaus leidenschaftliche Beziehung hat ein ebenso intensives Ende gefunden und seitdem scheint er seine Freizeit lieber Augmented Reality-Videospielen oder den neuesten Nacktbildern talentfreier It-Girls zu widmen.

Das alles ändert sich jedoch, als er aus einer spontanen Laune heraus beschließt, ein neues Betriebssystem auf Computer und Smartphone zu installieren, das mit einer sich stetig weiterentwickelnden Persönlichkeit ausgestattet ist. Als sich nach der Initialisierung dann eine weibliche Stimme (liebreizend wie immer: Scarlett Johansson) meldet, die scheinbar ebenso neugierig und unvertraut mit der Situation wie Theodore selbst ist, kann er seinen Ohren kaum trauen. Ihr Name ist Samantha.

Was folgt, ist das obligatorische Intensivieren der K.I.-Mensch-Beziehung, wie man es schon in etlichen Independent-Romanzen zuvor gesehen hat. Theo fühlt sich zum ersten Mal seit seiner gescheiterten Beziehung wieder vollkommen verstanden und Samantha ist dankbar für alle Wunder der Welt, die er ihr näherbringt. Wäre das alles nicht mit zumeist wirklich gelungenem Humor angereichert, würde die platte Liebesgeschichte wohl niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Denn bis auf die Tatsache, dass Samantha lediglich ein körperloses Bewusstsein ist, benimmt sie sich ganz und gar menschlich; so menschlich, dass man es nur in der Theorie mit einer Künstlichen Intelligenz zu tun haben scheint und ihr romantisches Verhältnis eher einer herkömmlichen Fernbeziehung gleicht, der nichts weiter fehlt als körperliche Nähe.

Leider gelingt es Spike Jonze nicht, seine grundsätzlich spannende Zukunftsvision mit neuen Akzenten zu versehen, welche noch als Letztes über die in ihrer Ausführung überraschend uninteressante Liebesgeschichte hinwegtrösten hätten können. Seine Gesellschaft entfremdet sich untereinander immer mehr, beschäftigt sich zu einem Großteil lieber apathisch mit deren zahlreichen Technik-Gadgets als mit ihren Mitmenschen, denn von ersteren kann man emotional schließlich nicht verletzt werden – oder etwa doch?

„Her“ versteht sich als zu simpler Aufruf zu mehr sozialer Verbundenheit und zwischenmenschlichen Abenteuern, die eine formlose Intelligenz – so fortgeschritten sie auch sein mag – wohl nie ganz wird ersetzen können. Ein sinnvolles Anliegen, zweifelsohne, aber eine wirklich neue Erkenntnis ist das nicht. Wären nicht die verträumten Bilder von Tomas Alfredsons Hof-Kameremann Hoyte van Hoytema, könnte man sich den Kinobesuch wohl gleich gänzlich sparen und stattdessen einfach mal wieder beherzt das eigene Handy-Betriebssystem updaten. Der intellektuelle Gehalt beider Handlungen dürfte in etwa identisch sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.