“Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ (NZ 2012) Kritik – Peter Jackson eröffnet uns eine Welt voller Wunder und Spektakel

Autor: Philippe Paturel

“Bilbo Baggins, I’m looking for someone to share in an adventure…”

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“Wir müssen einfach das Kinoerlebnis magischer und spektakulärer gestalten, damit die Leute wieder ins Kino gehen.” (Peter Jackson)

Ja das müssen wir, und um es kurz zu machen, den epischen Auftakt der „Hobbit“-Trilogie sollte man sich weder in 2D noch in 3D, sondern im neuen HFR 3D-Format anschauen, denn diese Technik macht nicht nur absolut Sinn, sondern sieht nach kurzer Eingewöhnungszeit absolut atemberaubend aus.

Erneut hat eine dunkle Macht ihren Weg nach Mittelerde gefunden. Dieses Mal müssen allerdings nicht die Menschen vor ihr erzittern, sondern die Zwerge, die in Folge dessen ihre Heimat verlieren. Nach einer brutalen Schlacht gegen Orcs, die bis auf den letzten Mann ausgetragen wird, ist es an den überlebenden Zwergen, ihre Heimat zu retten, wie in J.R.R. Tolkiens Buchvorlage natürlich mit der tatkräftigen Unterstützung Gandalfs. Und der Film würde natürlich nicht „der Hobbit“ heißen, hätte in dieser Geschichte nicht noch ein Halbling etwas mitzumischen, auch wenn Thorin Eichenschild nicht wirklich an die Kräfte Bilbos glaubt – “Nor will I be responsible for his fate.“ Und so treibt es die Zwergenbande, Bilbo Beutlin und Gandalf in ein Abenteuer voller Auseinandersetzungen, Gefahren, neuer Freunde, aber auch alter Bekannter.

Um sich schon mal jetzt daran zu gewöhnen, Peter Jacksons Hobbit ist nicht Tolkiens Hobbit. Sicherlich gibt es hier und dort Parallelen, ansonsten zieht Jackson im Gegensatz zur „Der Herr der Ringe“-Verfilmung, wo er den Büchern zum Großteil treu geblieben ist, seine ganz eigene Vision durch. So bekommt man überraschend viele Gesichter zu sehen, mit denen man überhaupt nicht gerechnet hat. Und auch wenn der Film dabei manchmal allzu sehr dazu neigt, in Nostalgie zu schwelgen, was sich beispielsweise in zu wenig neuen Scorethemen aus der Feder von Howard Shore ausdrückt, es gibt genug Neues, so dass die Laufzeit von fast drei Stunden im Nu vergeht. Dabei ist „Der Hobbit“ vor allem eine Martin-Freeman-Show, der eine gute Figur als Bilbo Beutlin macht – nicht ohne Grund sieht man in ihm immer wieder Ian Holm – dass es eine wahre Freude ist, ihm beim Schauspielen zuzusehen. Ihm kann, bis auf Richard Armitage als Thorin Eichenschild, Ian McKellen als Gandalf und Andy Serkis als Gollum kein anderer Darsteller das Wasser reichen. Zu schemenhaft sind die anderen Zwerge, so dass man jedes Mal froh ist, wenn Bilbo wieder im Bild erscheint.

Entgegen vieler Meinungen empfand ich den Film somit sogar als zu kurz. Bei allem Spektakel, den vielen bombastischen Effekten und Höhepunkten vermisst man zwischenzeitig die gelegentliche Ruhe, welche die „Herr der Ringe“-Filme noch besaßen. Auch bleiben zwei bis drei Szenen, die ich hier aufgrund von Spoilergefahr nicht genauer ausführen möchte, absolut unerklärt im Raum stehen und machten somit einen eher unbeholfenen, effekthascherischen Eindruck.

Sieht man jedoch von der unausgereiften Figurenzeichnung und den kleineren dramaturgischen Schwächen ab, ist „Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“ ein herausragend inszeniertes Abenteuer, welches ein grandioses Feeling bietet, wie man es bisher im Kino noch nicht erlebt hat. Vor allem die Landschaftsaufnahmen sind so schön, dass man sich jede Einstellung sofort übers Bett hängen möchte. Auch beweist Peter Jackson mal wieder sein gutes Gespür dafür, mehrere Handlungen parallel laufen zu lassen und zeitliche Sprünge zu setzen. Das geschieht alles wie aus einem Guss, so dass es einem kaum mehr auffällt, wenn sich die Zwerge in zwei Gruppen teilen und plötzlich wieder zueinander finden. Ganz besonders eine Szene, die bei einem anderen Regisseur einen fehlplatzierten Eindruck gemacht hätte, ist hier zu erwähnen: Während die Zwerge um ihr Überleben kämpfen, darf sich Bilbo in einer kammerspielartigen Szene in einem Rätsel gegen Gollum beweisen. Action, Humor und Drama, diese Genrebausteine hat dieses Jahr nur noch „The Avengers“ so überzeugend zusammengesetzt.

Fazit: Nach über zweieinhalb Stunden Spaß, Bangen, prächtiger Action und Ehrerbietung gegenüber der technischen Brillanz kann ich nur eines sagen: Ich freue mich bereits jetzt auf die angekündigte Extended Edition, die hoffentlich mehr Szenen bereit halten wird, in denen man die Charaktere noch näher kennenlernen wird. Denn dass besonders der Zwergentrupp nicht ansatzweise die charakterliche Tiefe erhält, wie die Gefährten rund um Frodo, ist die einzig große Schwäche, welche man Peter Jackson vorwerfen kann. Wenn sich die Fortsetzungen also noch mehr Zeit für die Figuren und die Dramaturgie lassen, dann haben diese definitiv das Zeug dazu ganz groß zu werden. „Die unerwartete Reise“ ist also mit Sicherheit nicht das erhoffte Meisterwerk, aber ein spaßiger, extrem unterhaltsamer, temporeicher und actiongeladener Auftakt, der einen dazu einlädt ganz tief in Mittelerde zu versinken. Es liegt an euch, diese Einladung anzunehmen.

5 Comments

  • Ok, in Frankfurt kann man theoretisch alle 3 Versionen miteinander vergleichen: OV in 2D, OV in 3D und deutsche Fassung in HFR 3D (xD). Dank des Hinweises weiß ich jetzt auch, warum James Cameron bei der Weltpremiere in Neuseeland dabei war. Thx! 🙂

  • Das ist ja toll, endlich mal ein durchweg positiver Beitrag, habe bisher eher so durchwachsene Reviews gelesen, in denen es oftmals hieß, dass die erste Stunde angeblich schleppend wäre. Ihr macht mir wieder Hoffnung. ich schaue ihn morgen Abend, leider nicht in der HFR Fassung, weil wir dafür keine Tickets mehr bekommen haben (und ich den Film natürlich so schnell wie möglich sehen wollte und möglichst in der OV).
    Aber ich gehe davon aus, dass es sich mit dem Hobbit ähnlich verhält wie mit den HdR Filmen, nämlich, dass eine Zweitsichtung notwendig sein wird, die kann ich dann auch in der HFR Fassung nachholen 🙂
    ich freu mich schon so drauf.

  • Hallo Beisamen!
    Auch wenn mich dafür einige steinigen mögen, ich bin der Ansicht, dass mich die HFR-Technik eher ablenkt und damit meinen Genüß erheblich trübt. Na klar, die Bildschärfe ist unerreicht. Auch gibt es kein Verwischen mehr bei den Kameraschwenks. Aber was nutzt die technische Leistungsschau, wenn mein Hirn nach märchenhaften Bilden lechzt? Denn permanent beschäftigen einen Fragen wie: Sind die Masken nun aus Latex oder Gummi? Dafür erkennt man aber sehr schön, dass die Perücken aus Kunststoff sind. Es schadet leider auch meinem Vergnügen, wenn ich mich dabei ertappe, dass ich die Warzen auf den Orks zähle. Und warum tue ich das? – Weil ich’s kann! Nicht, weil ich es will!
    Also mein Tipp lautet daher her: Gebt Eurer eigenen Fantasie ein Chance. Und wenn es nur noch Karten für die HFR-Vorstellungen gibt, nehmt Omas alte Brille mit.

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