Kritik: Alles was kommt (FR 2016)

© Weltkino

Manchmal habe ich das Gefühl, uns Frauen ab 40 kann man auf den Müll werfen.

Wahrscheinlich stimmt es, wenn einige Intelligenzblätter, auch über den nationalen Rand hinaus, schreiben, dass Isabelle Huppert (Die Klavierspielerin) die wohl größte französische Schauspielerin ist, die das internationale Kino momentan aufzuweisen hat. Mit Sicherheit wird sich die Frau, die Cineasten zuletzt mit ihrem Auftritt in Paul Verhoevens Elle erneut zu orgiastischen Wallungen verhelfen konnte, irgendwann in die Ahnenreihe zu Ikonen wie Jeanne Moreau, Brigitte Bardot oder Jean Seberg gesellen, schon längst nämlich ist die gebürtige Pariserin zur Grande Dame avanciert. Ihre zierliche Positur suggeriert eine Zerbrechlichkeit, die Huppert oftmals mit einer trotzköpfigen Hartnäckigkeit flankiert, mit geballter Faust in der Tasche, welche ihrem Spiel eine robuste Körperlichkeit entlockt, die ihrem Erscheinungsbild auf den ersten Blick scheinbar nicht entspricht. Ihre wahre Stärke liegt im oftmals Verborgenen.

Und die Kraft, die im Versteckten liegt, ist auch ein motivischer Ankerpunkt, mit dem sich Mia Hansen-Løve in ihrem neuen Film Alles was kommt beschäftigt. Isabelle Huppert spielt darin die Philosophielehrerin Nathalie, die sich einigen privaten wie beruflichen Umwälzungen stellen muss. Während ihre Mutter sie emotional vollkommen für sich beanspruchen möchte, gerät der sicher koordinierte Alltag mit der Nachricht, dass Nathalies Mann eine neue Frau kennengelernt hat, nach und nach ins Wanken. Jedenfalls möchte man das meinen. Nathalie aber reagiert oberflächlich gefasst, gibt sich höchstens darüber verwundert, dass ihr Gatte sie mit dieser Wahrheit konfrontiert. Dass der Verlag, für den Nathalie Essays veröffentlicht, sein Printlayout verändert hat und nun in kräftigen Farben erstrahlt, die Nathalie mit einer Haribo-Tüte vergleicht, scheint vorerst offenkundig das größere Problem für die Frau darzustellen.

Nathalie bemüht sich um Contenance, dass sie ihr Leben jedoch vollkommen umstrukturieren muss, steht außer Frage. Erneut brilliert Isabelle Huppert in der Rolle einer Frau, die dort um Fassung ringt, wo eigentlich nur der Zusammenbruch warten kann. Dabei gehört auch dieser Kampf um Gefasstheit zum narrativen Programm des Films: Mia Hansen-Løve ist keine Filmemacherin, die sich auf große, theatralische Gesten einlässt. Das Gefühlsgelände, welches Zukunftsängste, Einsamkeit und Enttäuschung ausmacht, durchwatet Nathalie niemals mit der Aussicht, Affekte irgendwann im erlösenden Exzess zu freizulegen. Alles was kommt ist ein Film der Andeutung, der Beobachtung, der Zurückhaltung. Und womöglich ist dieses Verfahren auch eines der Probleme, die den Zuschauer zu oft vom Geschehen isolieren, bevor endlich eine einsame Träne die Wange von Huppert hinunterrinnen darf.

Alles was kommt erweckt indes häufig den Eindruck, Kino der selbstgefälligen Marke zu sein. Eben einer dieser Filme, die einem zwangsläufig gefallen müssen, damit man sich in seiner intellektuellen Wohlfühlzone profilieren darf. Der philosophische Diskurs, den Mia Hansen-Løve zum Wohle des Kollektivs anstimmt und der viele kluge Bonmots von Jean-Jacques Rousseaus und Emmanuel Levinas bereithält, wirkt oftmals leblos, weil die Philosophie hier als eine Art totemistisches Symbol der Lebenswirklichkeit begriffen wird: Man brüstet sich zu oft mit dem eigenen elitären Habitus, anstatt ihn erfahrbar zu machen. Eine gemeinschaftliche Reflexion, zwischen Zuschauer und Protagonisten, findet kaum statt. Das Band, welches Mia Hansen-Løve zwischen beiden Parteien knüpft, scheint sich immer wieder merklich vor allem Außenstehenden zu verschließen. Es liegt, mal wieder, an Isabelle Hupperts Performance, dass Alles was kommt funktioniert.

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