Kritik: Death Wish (USA 2017)

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Wenn das Gesetz nicht dazu in der Lage ist, dem unbescholtenen Bürger in Not rechtzeitig zur Hilfe zu eilen, muss dieser das Gesetz eben in die eigenen Hände nehmen. Ungefähr so lautet die Botschaft von Michael Winners Thriller Ein Mann sieht rot. In der Literaturverfilmung aus dem Jahre 1974 spielt Charles Bronson den Architekt Paul Kersey, dessen Frau und Tochter von Gangstern überfallen werden. Während Kerseys Tochter schwer verletzt überlebt und in ein Sanatorium eingeliefert wird, nachdem sie zuvor zum Oralsex gezwungen wurde, stirbt seine Frau an den Folgen des brutalen Übergriffs. Traumatisiert und in tiefer Trauer gelangt der Architekt schließlich an eine Schusswaffe, mit der er nachts durch die Straßen New Yorks zieht und Kriminelle ohne zu zögern tötet. Schon bald sinkt die Kriminalitätsrate in der Stadt auffällig.

Neben der kalten Großstadtatmosphäre, die Winner in entsprechend kalte Bilder verhüllte, und der markanten Schauspielpräsenz des Hauptdarstellers entwickelte sich Ein Mann sieht rot trotz seiner bedenklichen Geschichte, die letztendlich nichts anderes als ein Plädoyer für Selbstjustiz darstellt, zu einem regelrechten Kult. Bis zum Jahr 1993 zog der erste Teil insgesamt vier Fortsetzungen nach sich, in denen das Ausmaß der Selbstjustiz des Protagonisten mitunter gar abstruse Ausmaße annahm. Nach holprigen Produktionsschwierigkeiten, bei denen mehrere Regisseure von dem Projekt absprangen, wurde Eli Roth als Regisseur für eine Neuauflage von Winners Film ausgewählt, die nun auch in Deutschland unter dem ursprünglichen Originaltitel Death Wish in die Kinos kommt. Bis auf die Tatsache, dass der schießwütige Protagonist anstatt Architekt in New York jetzt Chirurg in der Notaufnahme einer Klinik in Chicago ist, hat sich an der inhaltlichen Mechanik der Vorlage aber kaum etwas geändert.

Wieder ist es eine Gang maskierter Einbrecher, die Kerseys Leben schlagartig verändern, als sie in dessen Abwesenheit in das Haus des Chirurgen einbrechen, in dem sich zu diesem Zeitpunkt nur Frau und Tochter befinden. Auch wenn sich seine Frau Lucy zunächst kooperativ zeigt und den Einbrechern den Safe öffnet, eskaliert die Situation und fallen Schüsse im Inneren des Hauses. Bei seiner Schicht im Krankenhaus in dieser Nacht blickt Kersey anschließend ausgerechnet auf seine eigene Familie, die als tragisch verbliebene Überreste eines irreparabel zerstörten Harmoniegefüges auf dem Operationstisch vor ihm liegen. Die persönliche Handschrift des Horror-Geeks Roth, die der Regisseur bislang in jeden seiner Filme einfließen ließ, fehlt seiner ersten größeren Studio-Produktion bis hierhin völlig, während die nachfolgenden Ereignisse dieser Neuauflage vom prinzipiellen Ablauf her stark an die Vorlage geknüpft sind.

Uninspiriert spult Roth die unausweichliche Spirale der Gewalt ab, in die der Protagonist abrutscht, nachdem die Ermittlung der Polizei von Chicago lange Zeit ins Leere verläuft und Kersey feststellt, wie einfach es in den USA ist, selbst als ungeübter Laie an ein üppiges Arsenal an Schusswaffen zu gelangen. Der Verlockung der ironischen Brechung scheint sich der Regisseur trotz vereinzelter Ansätze aber nichtsdestotrotz konsequent zu verweigern. Wenn der Protagonist von einem absurden Werbespot der Waffenindustrie erst verführt und im Waffenladen von einer jungen, attraktiven Blondine, die kaum älter als seine Tochter ist, fachmännisch zum Kauf beraten wird, haftet Death Wish kurzzeitig ein grell überspitzter, durchaus bitter nötiger Tonfall an, der allerdings kurz darauf schon wieder verblasst. Vielmehr erweist sich Roths Neuauflage als ein Werk, das kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt in den Kinos starten könnte.

In Zeiten, in denen die USA wieder vermehrt von bewaffneten Attentaten erschüttert wird und Präsident Donald Trump in Betracht zieht, ausgebildete Lehrer an Schulen sicherheitshalber mit Waffen auszurüsten, damit diese im Notfall mit Gewalt auf Gewalt reagieren können, erhält ein Film wie Death Wish zusätzlich einen unangenehmen Beigeschmack. Kerseys blinder Selbstjustiz-Trip, der die Stadt um so einige böse Buben erleichtert, könnte einer solchen Agenda kaum offensiver in die Hände spielen, während die wenigen Einschübe konkreten Humors, die das Marketing-Team offenbar aus Ratlosigkeit im Vorfeld komplett in einen Trailer packten, angesichts der stoisch abgehandelten Vergeltung durch den Protagonisten rapide untergehen. Trotz der zeitgemäßen Ausrichtung, durch die Kerseys Taten in Form von Handyvideos viral gehen und als Vorlage mehrerer amüsanter Memes herhalten dürfen, präsentiert sich Death Wish inhaltlich als durch und durch altbackener Film, in dem Hauptdarsteller Bruce Willis ähnlich lustlos und bemüht agiert wie Roths bemerkenswert unauffällige Inszenierung, in der für die garstige Handschrift des Regisseurs nur in den recht derben, teilweise gorelastigen Gewaltszenen Platz ist.

Death Wish ist ab dem 08. März im Kino zu sehen.

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