Kritik: Die Taschendiebin (KR 2016)

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© Koch Media

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Der südkoreanische Regisseur und Autor Park Chan-wook, der uns Werke wie Oldboy oder Durst geschenkt hat, kehrt nach seinem Ausflug in die amerikanische Filmbrache glücklicherweise (obgleich Stoker kein kompletter Reinfall war) in seine Heimat zurück und inszeniert mit Die Taschendiebin (der im weiteren Verlauf The Handmaiden genannt wird – aus offensichtlichen Gründen) eine visuell betörend eingefangene und unheimlich stimmig erzählte Thriller-Romanze, die man durch ihre ruhige Erzählstruktur und dem feinfühligen Umgang mit der Mise en Scène guten Gewissens als sein erwachsenstes Werk beschreiben könnte.

Schon auf den ersten Blick offenbart The Handmaiden eine Vielzahl an optischen Reizen, sei es seine düstere Atmosphäre, die stilsicher durchgetakteten Bilder oder die ungewohnt zurückhaltende Schauspielführung, aus der nur gelegentlich das für asiatische Filme typisch Übertriebene und Skurrile heraussticht. Doch nicht nur Freunde des visuellen Kinos werden an Parks neuestem Film Gefallen finden, denn vor allem erzählerisch beweist der südkoreanische Filmemacher sein ganzes Talent. Ähnlich wie sich die beiden Protagonistinnen Schicht für Schicht entkleiden, tut es ihnen der in drei Akte unterteilte Film gleich – und unter jeder Schicht offenbaren sich neue Blickwinkel, Wendungen und Sichtweisen. Die zunächst simpel anmutende Geschichte wird dadurch zusehends interessanter und offenbart erst spät ihre komplette Tragweite. Dabei ist vor allem Parks Blick für Kleinigkeiten von Belang. Oftmals wird der Fokus nur für Sekunden auf ein Objekt gelegt oder eine scheinbar nebensächliche Aktion verläuft im Hintergrund der Szenerie. Die wahre Bedeutung des Gezeigten erschließt sich erst in einem späteren Kapitel und ermöglicht neue Blickwinkel auf vorangegangene Ereignisse. Vor allem der konsequent eingesetzte Perspektivwechsel trägt zu dieser behutsamen Erzählweise bei.

Wenn es gegen Ende des zweiten Aktes dann zur emotionalen Befreiung der beiden Frauen kommt, dann gehört dieser Moment zu den kraftvollsten der jüngeren Filmgeschichte. Von einem wunderbaren Soundtrack untermalt treibt die Kamera unaufhaltsam vorwärts, vermittelt spürbar die Euphorie und Kraft der Protagonistinnen und setzt damit klar ein emanzipatorisches Ausrufezeichnen. Denn neben seiner äußerst fein und behutsam konstruierten Thrillerstruktur ist The Handmaiden natürlich auch ein sehr emotionales Werk, welches sich mit der untergeordneten Rolle der Frau im Japan und Korea der 1930er beschäftigt. Dabei kontrastiert Park gut den äußeren Widerspruch, der damalige Situation umspannt hat. Während sie einerseits mit Samthandschuhen gepflegt, behütet und behandelt werden, bis sie in Ausstrahlung, Aussehen und Verhalten von dermaßen nobler und vornehmer Erscheinung sind, dass man fürchtet, sie würden bei jeder Berührung wie Porzellan zerbrechen, werden sie hinter geschlossener Tür geschlagen, eingesperrt, gedemütigt und zu lüsternen Zwecken vorgeführt. Den beiden Hauptfiguren gibt Park jedoch eine weitere Facette, indem er sie letztlich über ihre männliche Dominanz obsiegen lässt und damit den Stellenwert der Frau unterstreicht. Ihre lesbische Beziehung ist letztlich nicht mehr als die komplette Losgelöstheit von männlichen Vormundschaft in ihrer eindringlichsten Form.

Einen Vorwurf, den sich The Handmaiden vor allem auf den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes immer wieder gefallen lassen musste, war die Darstellung von lesbischen Sexszenen. Zugegebenermaßen erscheint die allerletzte Szene des Werkes unnötig, doch in den gut zwei Stunden zuvor kommt es wenn überhaupt zwei Mal zu Momenten, in denen eine intimere Beziehung porträtiert wird. Und diese sind, dem stilisierten Grundton des Films angepasst, zwar durchaus ästhetisiert, verkommen aber nie zu einem voyeuristischen Zweck. Vielmehr bringen sie die Bewunderung, Leidenschaft und auch Liebe der Frauen zueinander zum Ausdruck – und sind damit in letzter Konsequenz gewiss nicht überflüssig.

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