Kritik: Entertainment (USA 2015)

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© Bildstörung

Why don’t rapists eat at T.G.I. Friday’s? Well, it’s hard to rape with a stomachache.

Er schlurft apathisch durch das Innere eines ausrangierten Verkehrsflieger, geht in die Hocke und blickt durch die abgerundeten Fenster, die doch niemals eckig sein dürfen, da sie sonst dem Druck, der innerhalb der Kabine künstlich erhöht werden muss, nicht standhalten. Er, das ist ein namenloser Komödiant (Gregg Turkinton), ein Schatten ohne Vergangenheit und Zukunft – und wie die ausgehöhlte Maschine auf dem Flugzeugfriedhof wird auch der Namenlose nie wieder eine Möglichkeit finden, sich mit Leben zu füllen. Das sind rosige Aussichten, möchte man meinen, und Rick Alverson hat mit seinem Vorgängerwerk The Comedy bereits bewiesen, dass er Menschen nicht nur bis an den Rand des Abgrundes begleitet, sondern sie – zusammen mit dem Zuschauer – in die bodenlose Schwärze stürzen lässt. Wobei dies nun etwas irreführend formuliert scheint, sind die Hauptakteure von The Comedy und Entertainment doch von Beginn an im lebensweltlichen Niemandsland angelangt.

Rick Alverson entledigt sich jedwedem Anspruch auf eine strukturalistische Entfaltung: Entertainment ist im besten Sinne anti-dramaturgisch und entscheidet sich, wie schon The Comedy, dafür, den namenloser Komödianten durch einzelne Episoden seiner gescheiterten Existenz zu folgen. Besonders auffällig ist dabei, mit welchem Gespür für die Geographie des Bildkaders Alverson seine Hauptfigur beschreibt: Zuerst kaum merklich, später aber unzweifelhaft, setzt Alverson den Komödianten im Klammergriff bedrückender Isolation in Szene. Nur selten scheint sich jemand eine Einstellung mit seiner Person teilen zu wollen, immerzu bleibt er unter sich und fällt dementsprechend auch nur auf sich zurück. Bezeichnenderweise sind es leblose Objekte, in denen der Komödiant Identifikationspotenzial zu erspähen glaubt, ist er doch eine vollkommen identitätslose Hülle, eine Nicht-Erscheinung. Es sind jedenfalls Illustrationen, die sich in das Gehirn fräßen und auf der großen Leinwand genossen werden müssen, wenn der Komödiant in den staubigen Weiten der Mojave-Wüste wie versteinert vor einer Ölpumpe verharrt.

Gerade durch den Umstand, dass Rick Alverson jedwede Psychologisierung in Bezug auf den Komödianten negiert, gewinnt Entertainment an existenzialistischer Schwere. Der wirklich herausragend agierende Gregg Turkinson, der hier in (äußerlicher) Form des vor 20 Jahren tatsächlich ins Leben gerufenen und eigens entwickelten Comedian Neil Hamburger auftritt, lässt sich als eine diffuse Persönlichkeit beschreiben, die sich quasi nur aus einer Sache zusammensetzt: Brodelnder, unausweichlicher Selbsthass. Und dieser Selbsthass schlägt so unverdünnt auf den Zuschauer ein, dass dieser sich im Folgenden nicht nur entrüstet abwenden möchte, wenn der Komödiant in seinen grässlichen Bühnenshows zum beleidigen Anti-Humor ansetzt, sondern auch ein gewisses Mitleid empfindet, einen Menschen zu beobachten, der sich jeden Raum von Zwischenmenschlichkeit verbaut hat. Würde Quentin Dupieux (Rubber) einen noch ausgeprägteren Faible zum Nihilismus pflegen, der Surrealismus-affine Entertainment könne beinahe von ihm sein.

Entertainment ist ab dem 15. September in ausgewählten Kinos zu sehen.

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