Kritik: Ready Player One (USA 2018)

People come to the Oasis for all the things they can do, but they stay because of all the things they can be.

Über Jahrzehnte hinweg waren die Filme von Steven Spielberg für unzählige Zuschauer die perfekte Möglichkeit, der Realität zu entfliehen und im Kino in neue, bislang ungeahnte Welten einzutauchen. Mit unsterblichen Klassikern wie Der weiße Hai, Jäger des verlorenen Schatzes, E.T. – Der Außerirdische und Jurassic Park prägte der Regisseur das Blockbuster-Kino mit einer ganz eigenen, unvergleichlichen Handschrift, die einnehmenden Eskapismus, unwiderstehliches Spektakel und große Gefühle in sich vereinte. Nicht gerade wenige Filmfans dürften mit nostalgischen Gefühlen an mindestens eine einschneidende Spielberg-Erfahrung zurückdenken, die ihre Liebe für das Kino wesentlich mitgeprägt hat, wodurch der Regisseur bis heute einen Ausnahmestatus unter den Filmemachern einnehmen darf. Dass ausgerechnet der mittlerweile 71-jährige Steven Spielberg den Regieposten für die Verfilmung von Ernest Clines Science-Fiction-Kultroman Ready Player One übernommen hat, ist ein amüsanter und doch passender Umstand. Neben einer schier unerschöpflichen Anzahl an Popkultur-Referenzen, vornehmlich aus den 80ern, ist Clines Roman selbst eine Hommage an den kreativen Geist des Regisseurs, der seine Liebe für die 80er Jahre auch heute immer noch regelmäßig verkündet.

Die Buchvorlage, welche lange Zeit als unverfilmbar galt, hat der Regisseur mit dem gleichnamigen Film nun in einen rasanten Blockbuster verwandelt, der in ebenso artifiziellen wie rauschhaft-überbordenden Bildern in eine virtuelle Welt entführt, in der Nutzern keine Grenzen gesetzt sind, wer sie sein wollen und was sie tun möchten. OASIS nennt sich diese VR-Simulation, in die sich im Jahr 2045 ein Großteil der Weltbevölkerung regelmäßig flüchtet. Sieht man sich die anfänglichen Szenen in der Realität an, die der Regisseur zeigt, werden einem die Gründe hierfür schlagartig bewusst gemacht. Die Erde der Zukunft gleicht einem riesengroßen, schmutzigen Schrottplatz, auf dem die Menschen wie in ärmlichen Slums leben müssen. Dadurch scheint es nur logisch, dass sich Menschen wie der 18 Jahre alte Wade Watts, die Hauptfigur des Films, unentwegt in die virtuell unbegrenzten Welten von OASIS flüchten, die tatsächlich einer unerschöpflichen digitalen Oase gleichkommen.

Wenig überraschend nimmt die eigentliche Realität in Ready Player One zunächst nur einen beiläufigen Nebenschauplatz ein. Steven Spielberg stürzt sich ebenso wie die Nutzer von OASIS stattdessen in die ausufernden Möglichkeiten dieses Abenteuerspielplatzes, die er anhand eines frühen Autorennens spektakulär bündelt und veranschaulicht. In der Sequenz erscheinen nicht nur Fahrzeuge in Form des DeLoreans aus Zurück in die Zukunft oder des roten Motorrads aus Akira, sondern auch ungemütliche, überproportionale Hindernisse wie King Kong oder ein anderes Filmmonster, das direkt aus Spielbergs eigenem Schaffen in den Film zitiert wird. In Verbindung mit der fantastischen Kameraarbeit von Janusz Kamiński entwickelt sich die Sequenz, in der die Rennfahrer durch eine sich ständig verändernde Stadt rasen, zu einem ersten Höhepunkt, der die verlockenden Oberflächenreize und Schauwerte dieses Films in Kombination mit ständig neuen Popkultur-Easter-Eggs unmittelbar auf den Punkt bringt.

Drei Schlüssel in drei Aufgaben, von denen das Autorennen die erste Aufgabe markiert, hat James Halliday, der verstorbene Schöpfer von OASIS, in den Weiten der virtuellen Welt versteckt. Wer alle drei Schlüssel findet, wird automatisch zum neuen Herrscher über OASIS. Ready Player One wird so zu einem Film, dessen Handlung die Struktur von Videospielen aufgreift, um in diesem futuristischen Setting eine geradezu altmodische Geschichte zu erzählen, in der das Gute gegen das Böse um das Schicksal der Welt konkurriert. Das Gute tritt in diesem Fall in Form von Wade auf, der gemeinsam mit vier Mitstreitern, die sich gemeinsam die High Five nennen, alle drei Schlüssel sammeln will, während die böse Konkurrenz in Gestalt des korrupten Großkonzerns IOI auftritt, dessen CEO Nolan Sorrento die Kontrolle über OASIS an sich reißen und Hallidays Schöpfung zu Firmenzwecken monetarisieren will.

Sobald die Rahmenhandlung aus der realen Welt das Fantasievolle der virtuellen Welt verdrängt, treten die Schwächen von Spielbergs Film immer offener in Erscheinung. Man mag sich kaum einen anderen Regisseur für dieses Werk vorstellen, denn sobald die Figuren beispielsweise in einem schwerelosen Nachtclub zu der Musik von den Bee Gees durch die Lüfte tanzen, ein ikonisches Filmset einer meisterhaften Stephen-King-Verfilmung durchstreifen und dabei Schlüsselereignisse noch einmal durchleben müssen oder in einem langgezogenen Showdown etliche Avatare aus der Film- und Videospielgeschichte aufeinanderprallen, ist Ready Player One exzellente Blockbuster-Unterhaltung, für die Spielberg wie von der Leine gelassen auf einen visuellen Erfahrungsreichtum setzt, den er selbst über Jahrzehnte hinweg mitbegründet und perfektioniert hat.

Problematischer gestaltet sich hierbei der Umgang mit den realen Figuren hinter den Avataren, die der Regisseur beispielsweise in eine bemühte Liebesgeschichte einbettet, während die farblose Realität und der Konflikt, den Steven Spielberg gegen Ende immer stärker darin einbettet, zu oft von blassen Charakteren ausgetragen wird, die nur innerhalb des virtuellen Wunderlandes OASIS so richtig aufzublühen scheinen. Kurioserweise scheint sich der Regisseur selbst nicht so richtig sicher dabei gewesen zu sein, welche Botschaft er mit der Geschichte überhaupt verfolgen will. Ready Player One erstrahlt immer dann in vollem Glanz, wenn die triste Realität nur einen vagen Nebenschauplatz markiert, der kaum von Bedeutung ist. Als Kontrast hierzu fällt zum Ende hin aber mehr als einmal der Satz, dass nun mal nichts realer als die Realität sei, wodurch Spielbergs Film eine unscharfe Gratwanderung zwischen der Glorifizierung virtueller Möglichkeiten und einer Absage an genau diesen Realitätsverlust darstellt. Dabei ist Ready Player One allem voran ein Film, mit dem Steven Spielberg überdeutlich ausdrückt, dass er doch eigentlich nur spielen will.

Ready Player One ist ab dem 6. September 2018 deutschlandweit auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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