Kritik: Taxi Teheran (IR 2015)

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© Weltkino Filmverleih

Sind Sie überhaupt ein richtiger Taxifahrer?

Es ist der Blick aus der Frontscheibe eines Taxis, mit dem Jafar Panahi („Offside“) seinen neuen Film „Taxi Teheran“ einleitet. Man könnte auch sagen, dass dieser Blick, der eine belebte Kreuzung im urbanen Geflecht der iranischen Hauptstadt bezeugt, ganz bewusst eine klare Richtung vorgibt: Geradeaus, immer nach vorne, und das mit erhobenem Haupt, wie Jafar Panahi seit jeher nicht müde wird zu untermauern. Der Filmemacher, der zweifelsohne als Aushängeschild des iranischen Filmkultur herangezogen werden kann, sieht sich seit dem Jahre 2010 vom Mullah-Regime mit einem Arbeits-, Ausreise- und Interviewverbot belegt, neben einem zwanzigjährigen Berufsverbot und einer sechs Jahre umfassenden Haftstrafe, die Panahi bisher noch nicht antreten musste. Der Grund dafür: Propaganda gegen das System. Wer allerdings glaubt, Jafar Panahi würde sich der Zensurpolitik seines Heimatlandes geschlagen geben, der täuscht sich natürlich gewaltig.

„Taxi Teheran“ ist nunmehr der dritte Film, den Jafar Panahi nach seiner Verurteilung inszeniert hat. Anstatt sich aber weiterhin in den eigenen vier Wänden aufzuhalten, wie er es noch in „Dies ist kein Film“ und „Closed Curtain“ getan hat, begibt sich Panahi in ein mit installierten Minikameras ausgestattetes Taxi, um die Metropole, ihre Menschen und Lebensansichten über gut 80 Minuten wunderbar in einen collagierten Einklang zu bringen. Es sind die verschiedensten Menschen, die das öffentliche Verkehrsmittel frequentieren, ob ein Taschendieb, der die Todesstrafe befürwortet, zwei ältere Damen mit Goldfisch im Schlepptau, die dringend zur heiligen Quelle gebracht werden wollen, und nicht zuletzt Panahis Nichte, die für die Schule einen Film drehen muss – Schwarzmalerei (also die Wahrheit) ist dabei strikt untersagt. Dieses unscheinbare Taxi, welches durch den Großstadttrubel, der einem aufgescheuchten Ameisenhaufen gleicht, gleitet, ist weit mehr als bloßes Fortbewegungsmittel: Es ist ein aufgeklärter Zufluchtsort, frei von Barrieren und ohne Verbote.

Aktivierender Nukleus der Intention ist selbstverständlich der politische Resonanzraum: „Taxi Teheran“ appelliert an die Demokratie, rückt seinen humanistisches Impetus ins Zentrum und hat sichtbare Freude daran, dem konservativen Mullah-Regime eine lange Nase zu drehen, egal, welch drakonische Konsequenzen das für Dissident Panahi in Zukunft auch nach sich ziehen könnte. „Taxi Teheran“ ist der warmherzige und uneigennützige Versuch, ein Gefühl von Freiheit in einer Welt zu gewährleisten, die ihre Bevölkerung bereits für Lappalien zur Schlachtbank führt (der Iran hat die höchsten Hinrichtungsraten nach China vorzuweisen). Jafar Panhis Diskurs über (soziale) Realität und (filmische) Fiktion bezirzt gerade durch seinen spielerischen Erzählfluss, der oftmals einem Episodenfilm gleicht: Fremde, alte Bekannte und Freunde bestimmen auf Rückbank und Beifahrersitz die lebensbejahende Dynamik dieses mutigen Werkes. Und als Zuschauer gesellt man sich nur zu gerne dazu.

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