Kritik: The Big Short (USA 2015)

The Big Short
© Paramount Pictures

Tell me the difference between stupid and illegal and I’ll have my wife’s brother arrested.

Ist es bewundernswert oder eher furchteinflößend wie scheinbar lapidar immer wieder über die Wirtschaftskrise von 2008 berichtet wird? Vermutlich etwas von beidem. Dennoch hat das Platzen der US-Immobilienblase nicht nur für einen lauten Knall, sondern auch für sozialen Schrecken und Rezession gesorgt, die man Jahre später immer noch zu spüren bekommt. Allerdings ist dieses negative Ereignis verblasst. Die Schuld der Banken, die Maschinerie der Gier und die Blindheit vor der Wahrheit wurden vergessen, überspielt und verdrängt.

Ein wunderbarer Nährboden also fürs Kino, welches nach Oliver Stones Klassiker „Wall Street“ aus dem Jahre 1987 die Welt der Börse und Spekulationen wieder für sich entdeckte. Doch dabei blieben die Geschädigten der Rezession, die Mittelschicht die quasi über Nacht alles verlor, im cineastischen Schatten verborgen. In Hollywood-Produktionen traute sich lediglich Jason Reitman in seiner gesellschaftskritischen Tragikomödie “Up in the Air“ die wahren Opfer der Krise zu Wort kommen zu lassen. Doch auch in diesem Werk konzentrierte sich die Geschichte letztlich um die Menschen, die von der Krise profitieren oder diese mitverschuldet haben. Nobelkrawatte vor Blaumann, so lautet die profane Devise.

Auch in „The Big Short“ stehen Banker im Fokus. Basierend auf dem gleichnamigen Sachbuch von Autor Michael Lewis, erzählt und erklärt uns Regisseur Adam McKay (“Die etwas anderen Cops“) wie es zum großen Crash von 2008 kam und wie es einige Banker schafften aus dieser Krise noch Kapital zu schlagen. Alleine die Tatsache, dass ein paar Geschäftsleute die größte Wirtschaftskrise der letzten Jahre auszunutzen wussten, um sich abschließend Schecks in Höhe von bis zu 47 Millionen US-Dollar in die Tasche stecken zu können, hat etwas sehr zynisches. Nun kann man gewiss darüber streiten ob Zynismus gegen Zynismus hilft, aber genau nach diesem Prinzip ist „The Big Short“ aufgebaut. McKay verwebt bissige Kommentare in die Handlung, die zum einen das System der Banken offenbart, gleichzeitig aber auch die Gier ans Licht zerrt.

Dazu fügt er noch eine gute Dosis Popkultur hinzu, etwa wenn es darum geht Sachverhalte und/oder Abläufe so zu erklären, dass es nicht nur Finanzexperten verstehen. Eine Maßnahme, die „The Big Short“ dreimal anwendet und damit eine weise Entscheidung getroffen hat. Denn zum einen lockern die Gastauftritte der Prominent die Handlung auf, zum anderen gelingt es dem Film dadurch wirklich eine Form der Verständlichkeit. Bei all den Abhandlungen rund um wirtschaftliche Krisen, die es im Kino zu sehen gab, gehört „The Big Short“ zweifelsohne zu denen, die sich nicht dafür zu schaden sind, ihrem Publikum in satirisch aufgeladener Erklärbar-Form begreifbar zu machen, was eigentlich genau schief lief.

Eine feine Sache, die McKay dazu nicht inflationär einsetzt, sondern sie punktgenau verwendet. Doch eine Verständlichkeit für den Prozess und der Krise zu generieren, ist nicht die einzige Zielmarkierung, die „The Big Short“ anstrebt. Ebenfalls ein Vorsatz des Films ist das Porträtieren der Banker, die den Crash kommen sahen und daraus Profit schlagen konnten und weil der A-Sager auch immer B sagt, beinhaltet „The Big Short“ dementsprechend auch einen scharfen Blick auf das (berufliche) Umfeld. Dabei pendeln die Darstellungen der Banker drastisch. Während Ryan Gosling als Greg Lippman, der dazu als Erzähler fungiert, als Vorzeige-Yuppie herhalten muss, darf Steve Carrel als Steve Eisman versuchen so etwas wie ein intaktes Gewissen gegen den Rest der Wall Street zu profilieren. Komplett aus dem Rahmen fällt dagegen Christian Bale als Dr. Michael Burry, ein einäugiger Finanzexperte der unter Asperger leidet und im Strandoutfit in seinem Büro sitzt und seine Kollegen mit Death Metal beschallt.

Diese Figuren zeigen bereits, dass McKay die gierigen Fratzen der Kapitalwelt nicht nur als Zielobjekt hat, sondern auch als Vorbild für die Stimmung, die „The Big Short“ verbreiten soll, nutzt. Alles ist immer etwas zu hektisch, die Kamera und der Schnitt benehmen sich teilweise wie in einem Kriegsfilm (wie passend dass sich der „The Hurt Locker“-Kameramann Barry Aykroyd für die Bilder verantwortlich zeichnet) und die Arroganz und Gier suppt durch die Hautporen jedes gezeigten Bankers. Dabei kleidet „The Big Short“ die Gier in viele Facetten. Oftmals erweist sich auch der Wunsch nach Erfolg als Synonym für dollarbeflügelten Appetit.

Am Ende kann es einem als Zuschauer durchaus passieren, dass man sich mit ein paar Jung-Unternehmern freut, obwohl deren größter Tag und Erfolg ihres jungen Lebens doch gleichzeitig auch den wirtschaftlichen Untergang bedeutet. Eine Zwickmühle, die Adam McKay leider nicht immer wirklich konsequent und kraftvoll genug ausspielt, sie aber definitiv besser einzusetzen weiß (vor alle im satirischen Bereich) als Martin Scorsese mit seinem „The Wolf of Wall Street“. Am Ende bleibt also ein zwielichtiger wie allerdings auch zufriedenstellender Eindruck zurück. Ganz wunderbar gelingt es „The Big Short“ aber eine Botschaft zu hinterlassen, die so gut verständlich wie auch wahrhaftig und unumstößlich wirkt, auch weil sie sich so nahtlos in unsere heutige Zeit einfügt: Sorry, we’re fucked! Pessimismus der Spaß macht.

Fazit: Regisseur Adam McKay wertet seine rasante wie bissige Satire mit allerhand Spielereien auf. Vor allem wenn es darum geht dem Publikum begreifbar zu machen, was in der Welt der Banken vor sich geht, feuert er gleich dutzende, schnell geschnittene Expositionen ab. Das alles ergibt einen zweistündigen Rausch, der so gut es geht auf Heroisierungen verzichtet und ganz ohne falsche Scheu das kapitalistische Finanzsystem seziert. Dennoch hinterlässt “The Big Short” einen ambivalenten Eindruck. Zum einen ist es prachtvoll und bereichernd einen Film zu sehen, der komplexe Sachverhalte so zu erklären und stilisieren vermag, dass man endlich einmal genau versteht, warum es 2008 zum großen Crash kam, aber erneut stehen nur wieder die Banker im Fokus. Das Ergebnis der Krise wird zwar immer wieder wörtlich durchgekaut, aber bis auf marginale Szenen traut sich „The Big Short“ niemals die niederschmetternde, brachiale Wahrheit auch wirklich zu zeigen. Wortgewandte, reiche Männer sind eben auch für solch einen Samariterfilm attraktiver als eine Familie, die plötzlich vor einem Scheißhaufen steht, der mal ihre Existenz war. “The Big Short” ist letztlich ein gutes, nein, ein starkes Stück Kino, aber etwas mehr Gewöhnlichkeit hätte ihm gut getan.

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