Kritik: Miller’s Crossing (US 1990) – Als die Coen-Brüder den Mafiafilm neu definierten

Millers-Crossing-1990-Film-Kritik

I’m talkin’ about friendship. I’m talkin’ about character. I’m talkin’ about – hell. Leo, I ain’t embarrassed to use the word – I’m talkin’ about ethics.

Die Welt der Gebrüder Coen ist ein ums andere Mal düster, trostlos und korrupt. Welche Stellung haben Freundschaft, Ethik und Moral in unserer Gesellschaft? Wann ist “oben gleich unten” und “schwarz gleich weiß”? Diesen Fragen gehen die Brüder in ihrem Film-Noir-Meisterwerk Miller’s Crossing auf die Spur. Ein rabenschwarzes Gangster-Drama über Geldmacherei, illegale Geschäfte, Loyalität und Betrug, vollgepackt mit politischen und philosophischen Gedanken, wohin das Auge reicht. Eine Hommage an die Krimis der 40er Jahre, wie den von mir so sehr geschätzten Die Spur des Falken.

Schauplatz ist eine namenlose Stadt zur Zeit der Prohibition. Die Namenlosigkeit spiegelt dabei die Omnipräsenz von Machtkämpfen, Korruption und Gesetzlosigkeit in den USA der 20er Jahre wieder. In dieser Stadt entfacht ein Krieg zwischen zwei Mafiabossen und zwischen den beiden Fronten befindet sich der herzlose Tom, fantastisch gespielt von Gabriel Byrne. Aber auch die anderen Darsteller verleihen ihren Figuren Tiefe. John Turturro schießt den Vogel natürlich wie immer ab und beschert der Kinogeschichte durch seine Leistung eine der emotionalsten Szenen überhaupt.

Interessant finde ich, dass die Coens gerade mal 110 Minuten brauchen, um ihre komplexe Ethik-Gangster-Geschichte zu erzählen. Obwohl der kurzen Laufzeit, entsteht aus der anfangs simpel wirkenden Story ein Mafia-Drama epischen Ausmaßes, wie es auch Francis Ford Coppolas Der Pate oder Martin Scorseses Goodfellas sind. Diese Epik ist einigen wenigen Punkten zu verdanken: Dem perfekt ausgeklügelten Drehbuch, welches einen bis zum letzten Augenblick im tiefer Ungewissheit stapfen lässt. Der perfekt einstudierten Inszenierung, denn die Ausstattung, Kameraeinstellungen und Kulissen sind Gold Wert. Und einer der schönsten musikalischen Untermalungen, welche stets dezent im Hintergrund das Geschehen begleitet und für die Erzählung unentbehrlich ist.

Dass die Geschichte nicht ohne den typischen Coen-Humor auskommt, ist natürlich ebenso selbstverständlich wie ein kurzer Gast-Auftritt von Steve Buscemi oder die Anwesenheit coenscher Brutalität. So wurde mit Miller’s Crossing erneut ein Film geschaffen, den ich vom ersten Augenblick in mein Herz geschlossen habe. Traumhafte Bilder, eine knallharte Story und viel Spannung. Eine brillante Szene folgt der nächsten. Die Dialoge sind mitreißend und unvergänglich.

Die Aussage des Films ist genauso traurig, wie sie wahr ist: “Nobody knows anybody.” Ihr möchtet ein Werk sehen, das von seiner Aktualität nichts eingebüßt hat. Ihr möchtet an etwas Zeitlosem teilhaben. Ihr möchtet das Kollidieren sämtlicher Genre-Facetten miterleben. Dann führt wohl kein Weg an Miller’s Crossing vorbei, welcher meiner Meinung nach eines der filmischen Juwele von Joel und Ethan Coen darstellt, einen wahren Klassiker des amerikanischen Gangster-Kinos und damit einen der besten Filme aller Zeiten.

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