"Pacific Rim" (USA 2013) Kritik – Magie, Monster und Moneten

Autor: Conrad Mildner

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„Today we are cancelling the apocalypse!“

Was haben mein achtjähriges Ich beim „Jenga“-Spielen und das „Intergalactic“-Musikvideo der Beastie Boys gemeinsam? Richtig, den natürlich menschlichen Fetisch für Zerstörung; kein Geheimrezept, aber eine Triebfeder, die im aktuellen Blockbusterkino unverzichtbar geworden ist und seit „Jurassic Park“ stetig absurder werdende Früchte getragen hat. Auch in Guillermo del Toros offenkundig auf Krawall gebürsteten „Pacific Rim“ kann die Zerstörung gar nicht groß genug sein. Im Zentrum des Films steht nicht nur der übliche Fetisch, sondern auch das schwarze Loch seines Konsums. Höher, weiter, schneller und vor allem größer muss es werden und alles davor dagewesene in den Schatten stellen. Anders geht es nicht. Das Prinzip der Überwältigung; so wie schon immer Kirchen gebaut und Paraden veranstaltet wurden, so dreht Hollywood heute seine teuersten Filme und del Toro bedient sich ausgiebig im Fundus seiner übergroßen Geek-Kompetenz und kommt nicht umhin sein Spektakel da anzusetzen, womit in der früheren Filmgeschichte reale Verbrechen übergroßen Ausmaßes überhaupt erst verarbeitet werden mussten. Mecha-Godzilla und sein organischer Kumpan sind wieder da, um wie mein achtjähriges Ich Städte aus Pappmaschee zu zerschlagen. „Pacific Rim“ ist das globalisierte und computerisierte Update dieser Klassiker; ein Nerd-Gottesdienst sondergleichen.

Durch ein Wurmloch in den Tiefen des Pazifik erscheinen riesige Monster, genannt Kaijū, die mühelos ganze Städte vernichten. Die Menschheit beschließt sich gemeinsam dieser Bedrohung zu stellen und entwickelt gigantische Roboter, die sie Jaeger nennen und von zwei Piloten gesteuert werden müssen. Einer von ihnen ist Raleigh (Charlie Hunnam), der durch einen Kaijū-Kampf seinen Bruder verliert und sich aus dem Jaeger-Programm zurückzieht, das kurz darauf von den Regierungen eingestampft wird, um die Ressourcen für den Bau eines Schutzwalls zu verwenden. Der leitende Marshall Pentecost (Idris Elba) will sich darauf nicht verlassen und nimmt das Jaeger-Programm selbst in die Hand, um es abseits der Regierungen am Leben zu erhalten. Es gelingt ihm auch Raleigh wieder zu rekrutieren, der seine neue Co-Pilotin in Mako (Rinku Kikuchi) entdeckt und obwohl die Jaeger weiterhin kampfbereit sind, ist es schwer zu glauben, dass sie den immer stärker werdenden Monstern gewachsen sind.

Die Vorgeschichte erklärt der Film anhand schnell geschnittener, dokumentarisch anmutender Bilder inklusive eines erklärenden Off-Kommentars, was nicht von ungefähr an ein klischeehaftes Lehrvideo aus der Schule erinnert. Bevor überhaupt der Titel des Films erscheint, nimmt sich del Toro viel Zeit, um in sein Sci-Fi-Universum einzuführen. Ebenso wird Raleighs Vorgeschichte ausgiebig inmitten eines ersten bereits spektakulären Kampfes erzählt. Leider bleiben alle Figuren bis zum Schluss weitestgehend Abziehbilder, die dafür mit charismatischen Schauspieler_innen wie z.B. Idris Elba auskommen müssen. Darüber hinaus zeigt del Toro ohnehin mehr Interesse für die ihn typischen Details, von der Ausstattung bis hin zu den Kostümen. Alle Charaktere kommen mit wenigen Merkmalen aus, um ihren Platz in diesem Universum zu finden. Ob blaue Haarsträhnen, ein Baseball-Cap, ein Schnurrbart, goldene Schuhe oder ein Gehstock, wie im Comic oder speziell im Manga üblich verweist die Oberfläche stets äußerst direkt auf ihre Bedeutung, die bei del Toro auch immer populärkulturell gewachsen und somit schon instinktiv verständlich ist.

Wirklich enttäuscht wird man eher durch die auf Hochglanz polierten Bilder, deren einfältige Farbpalette sich hauptsächlich am Reiz orange-blauer Kontraste aufgeilt; ganz so als hätte der Colorist nach einem Tutorial aus dem Internet gearbeitet. Die farbliche Opulenz früherer del-Toro-Filme gerät beinah in Vergessenheit angesichts dieses Offenbarungseids. Ein weiteres sogar noch größeres Handicap der Bilder ist die 3D-Konvertierung, die in ihrer sichtlichen Schludrigkeit nicht mal annähernd sorgfältig stereoskopisch gedrehten Filmen das Wasser reichen kann. Viele Vordergründe werden vom Leinwandrand eiskalt abgeschnitten und schweben verstümmelt im Saal herum. Bei manchen horizontalen Kamerabewegungen sieht man sogar die Grenzen zwischen den im Computer erstellten Schichten, die sich so unnatürlich ineinander verschränken als wäre man in einem Zeichentrickfilm aus den 40er Jahren. Es empfiehlt sich daher „Pacific Rim“ in 2D zu schauen, so wie er auch von del Toro beabsichtigt war. Leider hat das Studio (womöglich zurecht) die 3D-Konvertierung aufgrund des enormen Budgets erzwungen. Ob sich dadurch auch das schwache Color-Grading erklären lässt, ist aber ungewiss.

Warum „Pacific Rim“ dennoch ein äußerst gelungener Film ist und im diesjährigen Blockbuster-Kino dadurch auch ziemlich alleine da steht, wird schon durch wenige Ideen ersichtlich. Nicht nur, dass sich die Geschichte von Autor Travis Beachum konsequent typisch reaktionären Allmachtsfantasien widersetzt, wie sie besonders im Superhelden-Kino an der Tagesordnung stehen, es gelingt ihm auch trotz dieses Verzichts großartige Schauwerte zu liefern, die nicht wie lose Tech-Demos im dramaturgischen Vakuum herum dösen, sondern lückenloser Teil der Erzählung sind. In vielerlei Hinsicht erinnert „Pacific Rim“ an den letztjährigen Sommerhit „Marvels The Avengers“, dessen Humor und geradlinige Mythologie der großstädtischen Zerstörung das nötige Gegengewicht gaben. Auch da stand eine Gruppe Individuen im Zentrum, die zusammen der außerirdischen Bedrohung entgegen traten. In del Toros Film verbünden sich nicht nur die Völker dieser Welt, auch die Jaeger-Roboter können nur von zwei Piloten gesteuert werden. Ein Alleingang ist tödlich. Die Piloten sind durch ihre Erinnerungen miteinander verbunden und Beachums Drehbuch nutzt dieses Novum um auf visuelle Weise Einblick in die Köpfe seiner Figuren zu liefern. Besonders die Annäherung zwischen Mako und Raleigh findet dadurch größtenteils auf eine non-kommunikative Art statt. In einer äußerst pathetischen Sequenz wird Raleigh förmlich Zuschauer von Makos Erinnerung, in der sie als kleines Mädchen Zeuge eines Kaijū-Angriffs wird; eine Szene, wo auch del Toros Perspektivenspiel sehr deutlich wird.

Groß und klein sind Attribute, die in „Pacific Rim“ ad absurdum geführt werden und einem ständigen Wandel unterzogen sind. Obwohl der Mensch mit seinen durchschnittlich knapp zwei Metern einen Großteil aller anderen Lebewesen überragt, blickt er neidvoll auf Giraffen und Elefanten, lässt sich von Dinosauriern verzaubern oder baut alles was wichtig sein muss in den nötigen übergroßen Dimensionen. Das Kino und ganz besonders das japanische Nachkriegskino um Godzilla und Co. spielen mit den Relationen, lassen Städte schrumpfen und Monster wachsen; und die Kamera kann sowieso jede beliebige Position einnehmen. Die Linse macht die illusorische Überwältigung erst möglich und seit dem Siegeszug computerisierter Bilder kann alles nur noch unbegrenzt größer werden. In „Pacific Rim“ wird durch die ständig mächtiger werdenden Monster sogar direkt Bezug darauf genommen. Die Kaijū werden wie bei Naturkatastrophen üblich in Kategorien eingeteilt und nehmen im Laufe des Films laufend an Stärke zu, so dass der Standardmodus der Blockbuster-Dramaturgie, auch bekannt als „höher, schneller, weiter“, sich ohne Mühe entfalten kann. Es gibt sogar eine Schlachtsequenz, die in ihrer überbordenden „Craziness“ das Geek-Herz fast zum Stillstand treibt und wo man sich danach kopfschüttelnd fragt wie diese Szene durch das Finale denn noch überboten werden könnte.

„Pacific Rim“ verneint jegliche aufgestauten Realismus-Zwänge, die Sci-Fi- und Fantasy-Filmen gerne vom weniger cinephilen Publikum auferlegt werden. Wer Christopher Nolan sucht, wird ihn hier nicht finden und wer ein lauwarmes Jurassic-Park-Plagiat wie Roland Emmerichs „Godzilla“ erwartet, kann genauso enttäuscht werden. Zwar ist „Pacific Rim“ ein typischer Hollywood-Eventfilm und seine Schwächen lassen sich auch nur durch dieses Korsett erklären, aber die überzeichneten Figuren, der anti-ideologische Grundton ohne USA- und Militärbeweihräucherung á la Bays „Transformers“ und del Toros unbestritten fantastisches Kinoverständnis, das selbst im Wust der größten Materialschlacht nicht den Sinn für liebevolle Details verliert dürften nichts anderes als Applaus provozieren.

Von Beginn an legt Guillermo del Toros Film die Karten offen auf den Tisch und behauptet zu keiner Sekunde mehr zu sein, als er ist. Er ist sich seiner Vorbilder jederzeit bewusst und spart auch nicht mit Verweisen auf seinen eigenen Franchise-Charakter, der vom Comic bis zum Kinderspielzeug schon vorprogrammiert ist; Kino als Industrie und Größe als Überwältigungsstrategie, so weit so Hollywood. Bei allen Kindgebliebenen werden schon die grandios inszenierten Kämpfe für feuchte Hosen sorgen. Wer genauer hinschaut, kann sich ganz in del Toros Universum verlieren, vom Ausstattungszauber und leisen Öko-Anklängen bis hin zu spitzen Seitenhieben gegen die Mexiko-Politik der USA ist alles dabei, inklusive einer (ernsthaften) wissenschaftlichen Apparatur, die mit einem Blasebalg wie nach Steampunk-Vorbild ausgestattet ist; schlicht eine riesige Wundertüte und zwar die eines Magiers.

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