Kritik: Das siebente Siegel (SE 1957) – Ein anachronisches Schachspiel um Leben und Tod

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Wisch die Tränen weg und gefall’ Dir in Deiner Gleichgültigkeit.

Philosophiestunde à la Ingmar Bergman, verknüpft mit den essenziellen Motiven des generalisierten Menschentums. Dabei kann der Schwede in „Das siebente Siegel“ von seiner leibeigenen Effizienz Gebrauch machen, die anderen Regisseuren in Anbetracht der demonstrativen Metaphorik und der allegorischen Laxheit die nicht den analytischen Kern beinhalten, den man von Bergmans psychologischen Sondierungen der menschlichen Verhaltensmuster durch andere Werke kennenlernte, gefehlt und so in die Knie gezwungen hätte. Ja, „Das siebente Siegel“ erhebt sich nicht durch seine spitzfindige Komplexität, die jedes optionale Charakter-Drama aus dem europäischen Raum in den Schatten stellen würde. Und doch schafft es der Meisterregisseur die inszenatorische Konzeption durch seine mehr als qualifizierte Führung niemals in die Konturlosigkeit gleiten zu lassen, denn Bergman räsoniert hier nicht über marginale Beiläufigkeiten, er thematisiert konstitutive Dinge, die die Menschen, damals wie heute, beschäftigen: Der Glaube, der Sinn des Lebens, der unausweichliche Tod.

Der personifizierte Todesengel betritt die sinistere Bühne, nicht mit demonstrativer Sense in der Hand und die Kapuze bis tief in das Gesicht gezogen, sondern in menschlicher Hülle, mit unbedeckter wie ernster Mimik. Das Spätmittelalter ist der historische Skopus – bei dem Bergman jedoch keinen Wert auf den makellosen Chronismus legt – und die grauenvollen Konsequenzen der Pest statuieren das Schweden in dieser finsteren Epoche. Antonius Blocks Dasein auf Erden ist dem Ende geweiht, der Kreuzritter, der von der heiligen Schlacht in seine Heimat zurückgekehrt ist, wird mit dem Tod konfrontiert – Zeit zu sterben. Doch Block ist noch nicht bereit für Gang in das dunkle Tal, sein Körper ist es, sein Geist allerdings sucht verzweifelt nach einer ineffektiven Fluchtmöglichkeit. Ein fundamentales Schachspiel soll entscheiden, Block fordert den Unheilbringer heraus und wenn er ihn Schachmatt setzen sollte, wird Block vorerst verschont.

Der Kreuzritter ist der Auffassung seinen Glauben verloren zu haben, doch er klammert sich an seine irdische Existenz und will durch das Schachspiel möglichst viel Lebenszeit ausreizen und schlussendlich womöglich auch den Tod damit besiegen. Block sucht in seiner Verzweiflung, in der unermesslichen Todesfurcht, nach Gott, das Schachspiel per se ist da nach wenigen Minuten bereits nicht mehr von Bedeutung – ist der Ausgang doch für jeden Beteiligten und ebenso für jeden Zuschauer bereits vollkommen klar. Auf Blocks Reise, die sowohl für die Flucht vor dem Unausweichlichen und für die Einigkeit mit sich selbst steht, kreuzen Flagellanten, Gaukler, Plünderer, Liebende, religiöser Fanatismus und skeptischer Atheismus seinen Weg. Überall lässt sich seine divergente Auffassung des Lebens entdecken. Blocks Reise wird zur Suche, zur Suche nach einem bestehenden Sinn.

Block ist eine kognitive Persönlichkeit, die Gegebenheit seines Umstandes ist für ihn durchaus begreifbar, doch durch diese offene Konfrontation mit seinem baldigen Ableben setzt in ihm genau der humane Drang ein, den jedes Individuum in sich trägt: Der Überlebenswille und Erhaltungstrieb. „Das siebente Siegel“ steht dabei also sowohl für die symbolische Exploration von Blocks innerem Befinden, genau wie Bergman eine höchstsubjektive Selbsttherapie absolviert um sich von seinen profunden Ängsten zu befreien, die gleichzeitig eine Hinterfragung des Seins darstellt. Es ist ein historisch anmutender Kontext, der das neoterische Gedankengut und die diktierende Fragestellung verwahrt, der kein Mensch gewachsen ist und auf die er nie eine exakte Antwort geben kann.

Die letzten Minuten zeichnen in ihrer atmosphärischen Inszenierung den Höhepunkt des Filmes aus: Die eindrucksvolle Prozession über die gnadenlosen Klippen wird vom Tode persönlich angeführt. Bergman, der zuvor immer einen angenehmen Humor aufblitzen ließ, stellt in diesen Momenten die verschiedenen Gemütslagen mit dem Ableben der ungleichen Charaktere dar. Es wird protestiert, gebetet oder sich frei seinem Schicksal gefügt. Der Standpunkt, den Bergman hinsichtlich der religiösen Semantik vertritt, verdeutlicht, dass die Religion nicht immer den nötigen Halt geben kann und ebenso wenig den wahren Wert des Lebens reflektiert. Der Zuschauer erinnert sich an Mia Und Jof, das sich liebende Paar, die sich eben genau diese ersehnte Stütze bieten, die jeder Mensch bedarf. „Das siebente Siegel“ ist letzten Endes unzweifelhaft ein lebensbejahendes wie zeitloses Werk.

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