Kritik: The House of the Devil (USA 2009) – Von der suggestiven Kraft der bedrohlichen Ungewissheit

Eine Gastkritik von Florian Feick

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Am meisten fürchten wir uns vor den Gefahren, die wir glauben zu spüren, aber nicht sehen können. Deshalb empfinden wir Unbehagen in der Dunkelheit und horchen erschreckt auf, wenn das große unbekannte Haus plötzlich Geräusche von sich zu geben scheint.

Ti Wests anachronistischer Genre-Beitrag ist in erster Linie eine nostalgische Erinnerung an das ehrenwerte Terrorkino der 1980er-Jahre. Mit voyeuristischer Lusthaftigkeit und dokumentarischen Grobkorn-Einstellungen zelebriert er seine leichtfüßig inszenierte Exposition, deren hitchcockesker Spannungsbogen genau an den richtigen Stellen mit beidseitigen Ausbrüchen ausgestattet ist. Sein The House of the Devil ist die ehrende Verneigung vor den Tugenden des amerikanischen Horrorfilms und dessen Schöpfern. Virtuos werden Genre-Sujets moduliert und zu einem völlig neuen Gesamtbild verdichtet, einschlägige Gesetze gleichermaßen devot eingehalten wie auch revolutionär gebrochen. West kokettiert mit den konventionellen Versatzstücken, aber er kopiert sie nicht. Sein Werk verkörpert den begeistert-ehrlichen Kniefall vor der Vergangenheit, kreiert aber dennoch etwas vollkommen Neues.

The House of the Devil ist ein formal bis ins kleinste Detail durchkomponiertes filmisches Manifest der 80er-Jahre. Mit penibler Präzision zeichnet der 22-jährige Regisseur ein authentisches Bildnis des Amerikas einer vergangenen Epoche und rekonstruiert eine Zeit, in der Autorenkino noch häufiger anzutreffen war als heute. Dabei spielt es gar keine große Rolle, welchen oder wie vielen Persönlichkeiten und Werken der 1980 geborene Amerikaner über die gesamte Laufzeit seine hommagierende Anerkennung zollt, denn sein abschließendes Resultat stellt einen eminent harmonischen Genre-Beitrag dar, der ebenfalls komplett für sich alleinstehend funktioniert.

Genretypisch suggeriert der Film vorangegangene wahre Ereignisse und verwendet die damals aufkeimende Angst vor okkulten Sekten als zentrales Element seines Horrors. In einer Zeit, in der Eltern ihre post-pubertären Sprösslinge aus Angst nicht einmal zum abendlichen Babysitter-Job antreten ließen, entfaltet West sein perfides Spiel mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers. Seine Gesellschaft benebelt vom Gefühl der Machtlosigkeit, angsterfüllt beim bloßen Gedanken an hinterwäldlerische Eigenbrödler. Subtextuell steht erneut der [religiöse] Generationenkampf im Vordergrund, den unweigerlich eine der beiden Parteien verlieren muss.

Bereits von Beginn an ist unsere Protagonistin ein Final Girl, denn sie hat permanent mit der beängstigenden [zwischenmenschlichen] Einsamkeit zu kämpfen, die sie umklammert und nur selten ihren festen Griff löst. Lediglich ihre Lieblingsmusik auf dem Walkman vermag das Gefühl der hilflosen Angst zu verdrängen, die sie innerlich gefangen hält. Im Angesicht der überwältigenden Gefahr befreit sie sich von ihren metaphysischen Fesseln und wächst inmitten eines emanzipatorischen Rausches über sich hinaus, handelt ausgesprochen mutig und logisch. Doch trotz allem Respekt, den West seiner geliebten Protagonistin entgegenbringt, beendet er seinen Konflikt der Generationen auf äußerst hinterhältige Weise – Heute triumphiert über Gestern; aber nicht, ohne zu einem Großteil davon beeinflusst und manipuliert worden zu sein. Sein gefilmter Konflikt lässt sich partiell auch auf den Bruch zwischen ursprünglichem und modernem Horrorkino anwenden.

Fazit: Das düstere, geheimnisvolle Anwesen; die spannende, quälend-lange Einleitung; das gnadenlose Finale. In einer brutalen Klimax zerreißt Ti West mit fortschreitender Filmdauer sämtliche Nerven des Zuschauers, penetriert und verwöhnt ihn mit beeindruckend kreativen Kameraeinstellungen und lässt ihn schließlich mit spärlich dosierter Gewalt verstört zusammensinken. The House of the Devil ist das gezielt verspielte Äquivalent zu Rob Zombies Haus der 1000 Leichen, das spannendere Texas Chainsaw Massacre. Lächelnd poussiert der Regisseur mit den Genre-Meilensteinen in ihren Schatten, um letztlich daraus hervorzutreten und ihnen auf Augenhöhe einen liebevollen Kuss zu geben. Denn der Horrorfilm, das ist eben oft auch pure Leidenschaft.

Achtung: Zu diesem Film am besten keinen Trailer vorher anschauen, stattdessen lieber schon mal in den grandiosen Soundtrack auf Youtube reinhören.

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