Kritik: Das Wiegenlied vom Totschlag (USA 1970) – Nichts als die schonungslose Wahrheit

When I see young people today behaving like that I just… I can’t help wondering what this goddamn country’s coming to.

Dass ausgerechnet diese Worte aus dem Mund des Mannes kommen, der eines der größten Massaker der amerikanischen Geschichte zu verantworten hat, zeigt, was in der Welt bis heute falsch läuft. Menschen sehen an sich selbst nicht die Fehler, welche sie anderen vorwerfen. Das Wiegenlied vom Totschlag nimmt sich eben diesem Massaker an einem Indianerdorf an, bekannt geworden unter dem Namen Sand-Creek-Massaker, bei dem über 500 Cheyennes auf brutalste Weise ausgerottet wurden, obwohl sich der Häuptling in Frieden ergeben wollte. Regisseur Ralph Nelson stellt dabei Gewalt zur Schau, was den Western unfassbar ehrlich macht. Nachwirkungen sind garantiert.

Die Ausgangssituation des Films ist ein Massaker an 23 US-Soldaten. Einer von ihnen und eine Frau überleben und begeben sich auf den Weg zum nächsten US-Stützpunkt. Sie durchleben eine Odyssee, welche größtenteils als Geschlechterkampf mitten in der Wildnis ausgelegt ist, teils melancholisch, teils albern und des öfteren auch lustig. Während ihrer Reise treffen die beiden auf mehrere Hindernisse, darunter eine kleine Gruppe Indianer, ein Waffen-Händler, der über Leichen geht und eine Sturmflut. Das größte Hindernis wartet allerdings erst am Ende auf sie, das bereits angesprochene Massaker, welches sie leider nicht mehr verhindern können, da sie (unabsichtlich oder aus Dummheit?) das Schicksal der Cheyennes schon längst besiegelt haben.

Das Wiegenlied vom Totschlag erwies sich 1970 als großer Kinoflop. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Niemand wollte im Kino eine Verurteilung der amerikanischen Moral und des amerikanischen Kampfgeistes sehen, der besonders im zeitgeistlichen Geschehen, dem Vietnamkrieg, nochmals an Bedeutung gewinnt. Eines ist allerdings klar: Das Wiegenlied vom Totschlag ist heute noch genauso wichtig wie zur Erstveröffentlichung, denn er scheut sich nicht die Wahrheit zu zeigen, nichts wird verharmlost, die Kamera zeigt das Geschehen bis ins kleinste Detail, jeden rollenden Kopf, jedes abgehackte Glied, so dass man am Ende mit einer riesengroßen Wut im Bauch vor dem Bildschirm verweilt. Das mag für manche zu direkt sein, ich erachte es für wichtig, denn nur so können Gräueltaten spürbar gemacht werden. Der Zuschauer fühlt, was der Protagonist fühlt: Blankes Entsetzen im Angesicht des unausweichlichen Todes, der, ironischerweise, hätte verhindert werden können, mit ein wenig mehr Verstand und Menschlichkeit, aber das sagt mal eher den lieben Politikern.

Das Wiegenlied vom Totschlag ist eine grausame Ballade über die Sinnlosigkeit des Krieges und des Mordens, welche durch die weiträumigen Kameraaufnahmen der Wildnis nochmals an Prägnanz gewinnt: Es hätte damals genug Platz für alle Menschen gegeben, aber wenn Krieg zum Geschäft wird, dann interessiert das niemanden mehr. Diese Aussage ist traurig, die bittere Ironie wird durch den wunderschönen Soundtrack, der über die gewalttätigen Szenen gelegt wird, nochmals verdeutlicht. Was bleibt, ist einer der besten Western überhaupt, der nach über 40 Jahren noch nichts von seiner Wucht verloren hat, zum Glück. Jetzt ist es das Ziel, dass er wieder an Bekanntheit gewinnt, denn dieser Film ist wichtig, kann man doch so viel aus ihm lernen.

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