"Wolf Creek 2" (AU 2013) Kritik – Touristen raus! Touristen raus! Touristen raus!

Autor: Pascal Reis

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„We’re stuck in the middle of nowhere and this place gives me the creeps.“

Beinahe ganze zehn Jahre sollten erst verstreichen, bis es der von Genre-Geeks heißerwartete zweite Teil vom australischen Terror-Manifest „Wolf Creek“ auch in Deutschland in die Kinos schaffen würde. Aber wie soll eine solche Fortsetzung, gerade auch bei diesen relativ „einfachen“ Verhältnissen, die „Wolf Creek“ aber überdurchschnittlich zu pflegen wusste, schon ausfallen? Wie soll man diesen Stoff noch reizend weiterentwickeln, ohne sich in gängigen Kaskaden der Gewalt zu verstricken und jene nach Strich und Faden zu zelebrieren? „Wolf Creek 2“ zeigt, dass es auch heutzutage durchaus möglich ist, einen Horror-Film angemessen weiterzudenken, in dem man Schwerpunkte konsequent verlagert, um sich nicht in der stinkigen Repetition von Vergangenem wiederzufinden. Dabei erweist sich einzig der obligatorische Schriftzug „The following is based on acutal events.“ und die ikonische Schlusseinstellung als visuelle Klammer, die gar 1-zu-1 übernommen wurde.

Gewiss darf auch die erschreckende Statistik zu Anfang nicht fehlen: 300.000 Menschen werden jedes Jahr in Australien als vermisst erklärt. Während 90% davon aber innerhalb ein es Monats glücklicherweise wiederauftauchen, verschwindet ein (gehöriger) Bruchteil für immer von der Bildfläche. Und dass Mick Taylor (John Jarrett) an diesem Verdünnisieren nicht ganz unschuldig ist, haben uns Greg McLean und Aaron Sterns mit „Wolf Creek“ schon im Jahre 2005 gelehrt. War der Erstling damals noch darum bemüht, mittels einer fast einstündigen Exposition zu vermeiden, dass die Studenten in den Hauptrollen nicht zu bloßen Stereotypen verkommen, um den folgenden Kampf ums Überleben als echte Zerreißprobe für das Nervenkostüm des Zuschauers zu manifestieren, kennt „Wolf Creek 2“ von Anfang an kein Halten mehr. Der psychopathische Aussie Mick Taylor, der in „Wolf Creek“ durch seine sadistische Konsequenz im Umgang mit Backpackern bereits für Gänsehaut sorgen konnte, legt nun noch einige Schippen in Sachen Zynismus drauf, während die Inszenierung der Gnadenlosigkeit seiner Person einen deutlich expliziteren Raum ermöglicht.

Eine Jugendfreigabe wird „Wolf Creek 2“ mit Sicherheit nicht erlangen und dass der Film nur in einer drastisch gekürzten Fassung die hiesigen Kinos erreichen wird, ist zwar eine Schande für jeden mündigen Besuchers, aufgrund der amoralischen Härte aber auch wenig verwunderlich. Wenn Mick uns in den ersten Minuten ohne Abkehr veranschaulicht, was er von Polizeiwillkür hält und mit dem Buschmesser, seinem Gewehr und einem Pfeifen auf den Lippen einen waschechten Affront gegen Autoritäten lostritt, entflammt die Leinwand (in der ungeschnittenen Fassung, versteht sich) vom grellroten Hämoglobin. „Wolf Creek 2“ versucht sich nicht mehr daran, den Schrecken sukzessiv zu evozieren und dem Zuschauer durch den sympathischen, etwas einfältig wirkenden Mick an der Nase herumzuführen. Greg McLean hingegen inszeniert mit „Wolf Creek 2“ knüppelhartes Genre-Kino, in dem die schwarzhumorige Note nicht fehlen darf und sich damit ganz in die Tradition grimmiger Ozploiter reiht. Allein wenn Mick bei einer Verfolgungsjagd eine Handvoll Kängurus zu „The Lion Sleeps Tonight“ überrollt, ist die Message in Richtung Tourismus doch eindeutig.

Mick Taylor, ein echter Archetyp seiner Gattung, nämlich handelt aus nationalistischen, zutiefst reaktionären Motiven (Seine eindeutige Devise: Touristen = Auslandsplagen) und hat vor allem mit dem Briten Paul (Ryan Corr), einem Spross der Kolonialherren, noch eine Rechnung zu begleichen, deren Wurzeln tief in die Historie von Down Under greifen. „Wolf Creek 2“ dreht sich dabei erneut nur um Mächteverhältnisse, einzig um Gewinner und Verlierer und Mick Taylor ist dabei der Schiedsrichter – Im grotesken Finale in seinem Folterkeller wird das auf den Punkt gebracht und auf die Essenz des Werkes heruntergebrochen. In seiner konzentrierten Geradlinigkeit ist „Wolf Creek 2“ wirklich eines der Highlights des Jahres 2014, so gemein, dreckig und kompromisslos wurde lange kein Blut und Gekröse mehr verteilt. Darüber hinaus ist das ästhetisch natürlich mal wie der hervorragend abgefilmt und die sengende Hitze, die unendlichen Täler, atmosphärisch vortrefflich eingefangen. Ein echtes Kleinod!

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