Drama

Kritik: Paterson (USA 2016)
Drama, Filme, Filmkritiken

Kritik: Paterson (USA 2016)

When you’re a child you learn there are three dimensions: height, width and depth, like a shoebox. Then later you hear there’s a fourth dimension: time. Jim Jarmusch ist ein Meister darin, einfache, alltägliche Routinen aus ihrer einfachen Alltäglichkeit zu erheben. Wir haben es hier schließlich mit einem Filmemacher zu tun, der in Coffee and Cigarettes einen ganzen Film eben diesen zwei Lastern und den zufälligen Gesprächen die darum entstehen gewidmet hat. Seine Figuren legen großen Wert auf Gemütlichkeit, auf gewohnte Abläufe und kleine Rituale. Sollten diese einmal gestört werden, was Jarmusch selten zulässt, so scheint dies plötzlich ein wahrhaft großer Konfliktpunkt zu sein. Es ist dabei seltsam beruhigend, Figuren, wie den Hotelrezeptionisten in Mystery Train, den Taxifahrern...
Kritik: Phoenix (DE 2014) – Identität in Trümmern
Drama, Filme, Filmkritiken

Kritik: Phoenix (DE 2014) – Identität in Trümmern

Mich gibt es gar nicht mehr. Im Herbst des Jahres 1945 ist Christian Petzold mit seinem neusten Film „Phoenix“ nun angekommen, nur noch wenige Wimpernschläge wird es in Anspruch nehmen, bis der Zweite Weltkrieg sein verheerendes Ende findet. Und auch wenn dieses nicht in Worte zu fassende Kapitel internationaler Menschheitsgeschichte einen datierten Schlusspunkt aufgesetzt bekommen hat, so wiegen die Folgen dessen doch selbstverständlich weiterhin Tonnen in den zermürbten Leibern aller Beteiligten. Christian Petzold, Initiator der sogenannten „Berliner Schule“, einer Stilistik, die sich nicht auf den sensationsheischenden Gestus innerhalb einer filmischen Konstruktion stürzt, der es nicht daran gelegen ist, Geschichten aufzubauschen, zu dramatisieren und zu entfremden, sondern im gr...
Kritik: Mommy (CA 2014)
Drama, Filmkritiken

Kritik: Mommy (CA 2014)

Wir haben uns noch lieb, oder? Xavier Dolan machte direkt 2009 mit seinem ersten Film I killed my Mother international auf sich aufmerksam. Und das mit gutem Recht; zu frisch und selbstbewusst wirkte seine Inszenierung, zu geradlinig und souverän erzählte er eine Geschichte, die voll Hass(-liebe) und Geschrei ist. Er war 20 Jahre alt und verarbeitete mit dem Film die Beziehung zu seiner eigenen Mutter. Er selbst beschrieb den Film als "semi-biographisch". Vier Jahre und drei Filme, darunter das Meisterwerk Laurence Anyways, später erhebt er sich wieder mit einem Film, der, so viel darf man sich bei dem Titel und Plakat wohl denken, einmal mehr die Beziehung eines Jungen zu seiner Mutter behandelt. Bei Cannes gab es dafür den Preis der Jury, von Kritikern gab es Applaus. Schon die e...
Kritik: Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis (USA 2014)
Drama, Filmkritiken, Thriller

Kritik: Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis (USA 2014)

Eine Gastkritik von Sebastian Groß You have to call the cops. - And we will, at the right time. Tony Gilroy bewies 2007 mit seinem Regiedebüt ein gutes Gespür für eine tolle Geschichte, grandiose Darsteller und eine fesselnde Inszenierung. Ob Dan Gilroy mit Nightcrawler ebenfalls solch ein grandioses Werk abliefert wie sein Bruder mit Michael Clayton? Lou Bloom lebt in Los Angeles, behaust ein kleines Apartment und verdient sein Geld mit illegalen Geschäften wie Betrügereien oder dem Stehlen von Baumaterial. Doch er will mehr, er will einen richtigen Job! Doch sein Streben nach einer Anstellung bleibt erfolglos. Als er nachts Zeuge wird, wie ein Kamerateam einen Polizeieinsatz rund um einen Autounfall filmt und er erfährt, dass man diese Aufnahmen den städtischen TV-Sendern verkau...
Kritik: Nymphomaniac Vol. 2 (DK, FR, GB 2013)
Drama, Filmkritiken

Kritik: Nymphomaniac Vol. 2 (DK, FR, GB 2013)

Der einzige Unterschied zwischen mir und anderen Menschen ist vielleicht, dass ich immer mehr vom Sonnenuntergang erwartet habe. Das ist vielleicht meine einzige Sünde. Zur Kritik der ersten Teils geht es HIER. Am Ende meiner Kritik zum ersten Teil musste ich anerkennen, wie schwer es fällt einen Film zu beurteilen, der sichtlich unfertig ist und nachdem ich nun beide Teile von „Nymphomaniac“ in einem Double-Feature sehen konnte, ist das für mich auch die einzige Form wie man Lars von Triers bisher umfangreichsten Film konsumieren sollte. Die Zweiteilung scheint wirklich nur wirtschaftlichen Interessen zu folgen. Im standardisierten Kinobetrieb ist eben wenig Platz für überlange Filme. Doch darüber hinaus verdoppelt sich die Anzahl der Filme nochmal durch die unterschiedlichen Schn...
Kritik: Nymphomaniac Vol. 1 (DK, FR, GB 2013)
Drama, Filme, Filmkritiken, Lars von Trier

Kritik: Nymphomaniac Vol. 1 (DK, FR, GB 2013)

Ich fühle nichts. Anstatt einer Kritik würde ich an dieser Stelle viel lieber über den Formalismus in Lars von Triers Filmen schreiben. Denn auch im neuen Film des beliebten Regisseurs ist die Form wieder einmal der größte Hingucker und beeinflusst die Narration sogar weitaus stärker als gewohnt. Auch wenn man gerne glaubt, alles schon gesehen zu haben, gelingt es Lars von Trier immer zu überraschen. Als „Erneuerer des Kinos“ konnten seine Filme nie zu einer festen Form finden, so wie es anderen Filmemacher_innen, wie Michael Haneke, gelungen ist und trotz des brisanten Inhalts von Nymphomaniac liegt dessen Provokation doch ganz woanders. „Ein Film sollte wie ein Stein im Schuh sein.“ - Lars von Trier Beispielhaft war bereits das erste Plakat, das am Anfang einer immer zermürbend...
Kritik: Die wilde Zeit (FR 2012) – Der magische Blick auf eine vergangene Gegenwart
Drama, Filmkritiken, Französischer Film, Heimkino

Kritik: Die wilde Zeit (FR 2012) – Der magische Blick auf eine vergangene Gegenwart

Ich lebe in meiner eigenen Fantasiewelt - wenn die Realität kommt und an meine Tür klopft, öffne ich ihr nicht. Im Frankreich der frühen 1970er-Jahre sind die pulsierenden Nachwirkungen des Pariser Mais noch in vielerlei Städten und Vororten spürbar. Dieser Mai im Jahr 1968 sorgte für das Lostreten einer Lawine der Unzufriedenheit des größtenteils jungen Volkes. Inmitten dieser Aufbruchstimmung verfolgen wir das aufregende Leben des kunstinteressierten Gilles und seiner Freunde. Stark an die eigene Jugend angelehnt (und somit partiell mit autobiographischem Habitus), entwirft der Regisseur und Autor Olivier Assayas mit „Die wilde Zeit“ (OT: Après mai) das vielschichtige Zeit-Portrait einer Dekade, deren Motto „Widerstand“ lautete. Ganz bewusst verschließt er sich einer herkömmliche...
Kritik: Inside Llewyn Davis (USA, FR 2013)
Drama, Filmkritiken

Kritik: Inside Llewyn Davis (USA, FR 2013)

Alles, was du anfasst, wird zu Scheiße. Als wärst du der idiotische Bruder von König Midas! Im New York der 60er Jahre platzt die Folkszene aus allen Nähten. In verrauchten Lokalen, auf der Straße oder im Bekanntenkreis geben die Künstler ihre Werke zum Besten und suchen nach dem einen großen Deal, der sie aus ihrer künstlerischen Misere holen wird, denn für viele reicht die Kunst nicht zum Leben, doch ein Leben ohne Kunst ist keine Option. In Inside Llewyn Davis bringen die Coen-Brüder (No Country For Old Men) das ganz alltägliche Elend des Künstlertums auf die Leinwand, natürlich nicht ohne ihren typischen eigenen Humor. Doch trotz einiger heiterer Passagen handelt es sich bei Inside Llewyn Davis wohl um den melancholischsten und gleichzeitig geerdetsten Coen-Film, der den Kinogän...
Kritik: Prisoners (USA 2013) – Wie weit darf ein Mensch gehen?
Drama, Filme, Filmkritiken, Thriller

Kritik: Prisoners (USA 2013) – Wie weit darf ein Mensch gehen?

Pray for the best, but prepare for the worst. Detective Lokis krampfhaftes Blinzeln steht symptomatisch für die psychische Belastung, der er sich Tag für Tag aussetzt. Mal ist es erträglich, oft aber eine zermürbende Tortur. Lokis Verstand funktioniert wie ein sich ständig um die eigene Achse kreisendes Uhrwerk; wie eine Präzisionsmaschine, die winzige Details und Einzelheiten in ihre logische Ordnung bringt. Fehlt jedoch ein winziges Teilchen, wird deutlich, dass Loki längst nicht mehr zu den frischen Ermittlern seines Bundes zählt, sondern in seiner abgekämpften, bis zum Hals tätowierten Hülle dem mentalen Zusammenbruch eher auf die Schliche gekommen ist, als der eigentlichen Auflösung des tiefschürfenden Falles um die zwei vermissten Mädchen. Jake Gyllenhaal gibt diesen Loki mit ...
Kritik: Venus im Pelz (FR/PL 2013) – Roman Polanski ein weiteres Mal zwischen Schein und Sein
Drama, Filme, Filmkritiken, Französischer Film

Kritik: Venus im Pelz (FR/PL 2013) – Roman Polanski ein weiteres Mal zwischen Schein und Sein

Meine bessere Hälfte, sagt man das noch? - Wieso, was sagt man denn heutzutage? - "Arschloch". 80 Jahre hat Altmeister Roman Polanski (Rosemarys Baby) bereits auf dem Buckel, doch das kann ihn nicht davon abhalten, sich weiterhin seiner Leidenschaft für das Filmemachen und das Theater zu widmen. Doch wo sein letzter Film Der Gott des Gemetzels, eine Adaption von Yasmina Rezas gefeiertem, gleichnamigen Bühnenstück, nicht gänzlich überzeugen konnte und sich in oberflächlicher, eintöniger Kritik am Bildungsbürger verlor - von Subtext keine Spur - ist Venus im Pelz nun eine von Roman Polanskis persönlichsten Arbeiten geworden und nach Der Ghostwriter (2010) ein weiteres Zeugnis dafür, dass man von ihm jederzeit eine Glanzleistung erwarten sollte. Seine Adaption von Leopold von Sacher-Ma...