„Chroniken der Unterwelt – City of Bones“ (USA 2013) Kritik – Oh, du schönes Schattendasein

Autor: Jan Görner

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„You need to know one thing, the stories you were told as a little girl around the campfire of monsters, nightmares and legends are all true.”

Man kann fast die Uhren danach stellen. Von Jahr zu Jahr verschiebt Hollywood ob der schieren Masse an Neuerscheinungen die Blockbuster Season weiter nach vorne. Der Kinosommer beginnt inzwischen schon im März. Warum? Weil eine Verlängerung in den Herbst nicht lohnt. Im Juli dann haben die Studio meist ihr Pulver verschossen, während sich im September dann schon fast die Oscar-Saison anschließt, in der als hochwertig gehandelte Produktionen um die Goldjungen buhlen. Dazwischen, im August, passen noch ein zwei Komödien und größere Projekte, die aber aus Produzentensicht keinen allzu großen Zirkus rechtfertigen. Und was läuft im August an? Richtig, „Chroniken der Unterwelt“. Ob sich da nur jemand in der Planung vertan hat?

Scheinbar unkontrolliert malt Clary Fray („Spieglein, Spieglein“-Darling Lily Collins) immer wieder das gleiche mysteriöse Symbol. Noch ahnt sie nicht, dass die rätselhafte Rune etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun hat. Denn bei der Suche nach der eigenen Identität dringt die 15-Jährige tiefer als ihre Altersgenossen. Sie ist tatsächlich die Nachkommin einer Schattenkriegerin, einer uralten magischen Vereinigung, von Engeln in Leben gerufen, um das Böse zu bekämpfen. Als ihre Mutter (Lena Heady) von einer abtrünnigen Fraktion der okkulten Kämpfer um den Bösewicht Valentine (Jonathan Rhys Meyers) verschleppt wird, muss sich Clary ihrem Schicksal stellen. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Simon (Robert Sheehan) und dem geheimnisvollen Jace (Jamie Campbell Bower) begibt sie sich in die Unterwelt, um herauszufinden, wer sie wirklich ist.

„Chroniken der Unterwelt“ (OT: „The Mortal Instruments: City of Bones“) beruht auf dem 2007 erschienenen ersten Band der gleichnamigen Jugendbuchreiche von Cassandra Clare. Der nach den Misserfolgen „Beautiful Creatures“ und „Seelen“ inzwischen dritte Versuch, dieses Jahr einen übernatürlichen Roman für junge Leser erfolgreich auf die Leinwand zu bringen, muss naturgemäß mit der Hypothek leben, an allen Ecken und Enden mit Stephenie Meyers multimedialem „Twilight“-Phänomen verglichen zu werden. Hier wie da spielen Vampire eine gewichtige, wenn auch nicht die Hauptrolle. Beide Erzählungen belasten das Klischee der jungen weiblichen Heldin als Identifikationsfigur weiter. Aber im Gegensatz zu Meyers vierbändigem Epos über die Gefahren vorehelichen Geschlechtsverkehrs, gibt sich „Chroniken der Unterwelt“ deutlich liberaler und damit vermutlich näher an der Lebensrealität seiner jungen Leser. Oder wäre eine (relativ) offen homosexuelle Figur, die nicht lediglich als Karikatur dient, bei der gläubigen Mormonin Meyer denkbar gewesen? Nicht, dass ich auch nur eine Seite einer der Reihen gelesen hätte.

Auch in der Filmversion gibt sich „Chroniken der Unterwelt“ merklich erwachsener, blutiger und actionlastiger als die Mitbewerber. Dabei schreckt „Karate Kid“-Regisseur Harald Zwart nicht davor zurück, hemmungslos bei der Konkurrenz zu wildern. Stilistisch reichen die Referenzen von „Herr der Ringe“ bis „Underworld“, die weitgehend ohne ersichtlichen eigenen Impetus in eine sequenzierte Abfolge von Bildern gebracht werden. Auch die Story um ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, das eine Bestimmung jenseits ihres langweiligen Alltags hat, ist freilich sattsam bekannt. Die jugendliche Heldin bietet Anschluss an eine fantastische Welt, in der einen keiner frühzeitig ins Bett schickt. Es ist wohl das größte Versatzstück populärer Jugendliteratur, dem sich Buch und Film gleichermaßen befleißigen. Dementsprechend ist auch die Reise der Heldin allzu bekannt und wird selbst ein Publikum, das wirklich nur mit „Twilight“ oder „Harry Potter“ vertraut ist, nicht überraschen können.

Da frappiert es geradezu, dass der erste Teil von „Chroniken der Unterwelt“ immerhin leidlich unterhaltsam ist. Harald Zwart gelingt es mehr oder weniger effektiv, den Zuschauer bei der Stange zu halten, während sich gemeinsam mit Heldin Clary die rätselhafte Welt hinter unserer realen Welt erschließt. Kurzzeitig scheint gar etwas wie Spannung aufzukommen. Dazu tragen auch die Figuren bei, welche – und das muss ob des Erfolgs von „Twilight“ schon irgendwie verwundern – tatsächlich größtenteils sympathisch erscheinen. Allen voran der irische Jungstar Robert Sheehan („Misfits“). Als heimlich in seine beste Freundin verliebter Tollpatsch Simon ist er der Botschafter aller Eltern, Boyfriends und sonstiger Begleitpersonen, die sich ebenso wie er fragen, was sie eigentlich in diesem Teenie-Film verloren haben. Wenn dann allerdings der Plot beginnt, das Geschehen zu beherrschen, dann verfliegt der positive Eindruck schnell. „Chroniken“, im August bist du schon ganz gut aufgehoben.

Fazit: „Chroniken der Unterwelt“ ist kaum der Rede wert. Mit bekannten Klischees, einer nur auf den ersten Blick einnehmenden Welt und durchwachsenen Schauspielern misslingt der Franchisestart. Die gute Nachricht ist: Jugendliche, die ihre Gegenkultur zum aktuellen Trend kultivieren, bekommen vielleicht endlich ein neues Hassobjekt. Das ist ja auch mal was.

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