Die Tops und Flops der sechsten Staffel Game of Thrones

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Leonhard:

Tops

Das Spiel im Spiel
Es gibt genau ein rettendes Element in der furchtbaren Arya Storyline dieser Staffel. Als sie den Auftrag bekommt die Schauspielerin Lady Crane (gespielt von Essie Davis) umzubringen dürfen sich Arya und der Zuschauer mal eine Auszeit von ihrem öden Daredevil-Training gönnen und entspannt ein Theaterstück anschauen. Die Vorführung dient nicht nur als wichtiges Plot-Element für Arya, denn sie wird hier erneut mit dem Tod ihres Vaters und all dem, was sie eigentlich vergessen wollte, konfrontiert, sondern auch der Aufarbeitung und Mythisierung der Handlung früherer Staffeln. Da in der Welt von „Game of Thrones“ scheinbar kein Minnegesang geduldet wird, ist es schön auf diese Weise die Entstehung von Legenden zu sehen. Dazu ist das Stück mit genau der richtigen Anzahl an Furzwitzen und niveaulosen Anspielungen inszeniert, und genial mit Richard E. Grant und Davis besetzt.

Brother Ray
Anders als viele anderen Serien verwendet “Game of Thrones” fast keine ‚Cold Opens‘ (eine Eröffnungsszene vor der Titelsequenz, die uns in media res mitten ins Geschehen stürzt). Bislang war diese Ehre nur ein paar wirklich wichtigen Szenen nördlich der Wand vorbehalten. Umso bedeutender wird deshalb die Wahl dieser Sequenz. Die Figur des Sandor Clegane (aka The Hound) steckte, vor seinem vermeintlichen Tod, so tief wie kein anderer in der brutalen, nihilistischen Welt der Serie fest. Dass gerade er nun diesen Zufluchtsort gefunden hat, diese zweite Chance bekommt, ist ein wirklich überraschender nächster Schritt in der Entwicklung der Figur. Auch für den Zuschauer ist es überraschend, plötzlich eine Alternative zu dem ewigen Morden und Kämpfen der Show zu sehen. Nach und nach schafft es der Missionar Brother Ray (gespielt von einem ungewöhnlich heiterem Ian McShane) dann doch uns ein wenig Hoffnung für ein friedliches Leben in Westeros zu geben. Vielleicht kann der Hound seine schrecklichen Taten wiedergutmachen, vielleicht bleibt er in dieser Kommune und führt ein gutes Leben. Umso tragischer ist dann das Ende dieser Sequenz, als Clegane erneut in den Überlebenskampf gestürzt wird und seine Chance auf ein gutes Leben endgültig verwirft.

Oh no, she didn’t!!
Was für ein Finale! Nachdem das Intrigen-Netz um Cersei in den letzten zwei Staffeln, mit dem schnellen Machtgewinn des High Sparrow Fanatikers (religiöse Themen haben diese Staffel immer gut gezündet), immer dichter wurde, schien die Lage für die machtlose Mutter des Königs immer aussichtsloser zu werden. Dass die Macher der Serie sich immer noch trauen, das Spielbrett mit einer Handbewegung radikal zu verändern, bring nun wieder Schwung in die King’s Landing Storyline. Mit Cersei auf dem Thron, Sansa in Winterfell und Dany & Yara auf dem Weg nach Westeros scheint nun alles auf ein großes Showdown der Frauen hinzudeuten.

Flops

Danys Feuerprobe
George R.R. Martin hatte eigentlich, als er seine Saga noch nur für drei Büchern plante, eine viel kürzere Entwicklung für die Drachenmutter Daenerys Targaryen vorgesehen: Sie hat ihre Drachen, sie hat ihre Armee, sie holt sich Schiffe, sie erobert Westeros. Doch dann bewegte ihn der Erfolg des ersten Buches dazu, seine Trilogie um vier weitere Teile auszubauen. Folglich musste die Dany Storyline etwas gestreckt werden, weshalb die Eroberin plötzlich zur Sklavenbefreierin wurde, ihre Tour verschiedener exotischer Städte begann und sechs Staffeln nur von Westeros träumen durfte. In dieser Zeit hatten wir gefühlt 20 Szenen in denen Danys Macht und Überlegenheit zur Schau gestellt wurde, nur um den Hype aufrechtzuerhalten. Oft spielen Feuer und Drachen eine Rolle, manchmal hält sie noch eine kurze Rede, meistens ist sie nackt. Was genau macht die Szene am Ende der dritten Episode dann so besonders?

The Arya Identity
Genauso überflüssig war die Entwicklung Aryas im Laufe der letzten beiden Staffeln. Der geheimnisvolle Assassinen-Orden hat schon längst seinen Reiz verloren (Die bringen einfach nur irgendwelche Leute für Geld um? Arbeitet da nur dieser eine Typ mit seinen zwei Praktikantinnen? Wie funktionieren diese magischen Kräfte überhaupt?) und Arya scheint sich nur oberflächlich verändert zu haben. Als sie sich dann entschließt den Orden zu verlassen, macht sie direkt danach am helllichten Tag einen Spaziergang durch die Stadt und wird von der Azubi des Ordens angegriffen (die auch nicht sehr viel während ihrer Ausbildung gelernt zu haben scheint). Die darauffolgende Verfolgungsjagd beweist endgültig, dass beide Lehrlinge bei ihrer Abschlussprüfung durchgefallen wären, denn viel mehr Aufsehen kann man wohl bei einer heimlichen Ermordung nicht erwecken. Aber scheinbar hat Arya wohl ein paar Gesichter für ihre Heimreise mit eingesteckt, also war ihr Auslandssemester doch nicht ganz umsonst.

Die Entstehungsgeschichte der White Walker
So wie bei vielen ikonischen Bösewichten der Filmgeschichte verliert die Figur immer mehr an ihrer mythischen Kraft, je mehr man über sie erfährt. Das gleiche Problem trat bei den Prequels zu „Star Wars“ und „Halloween“ ein, als man plötzlich die Entstehung von Darth Vader und Michael Myers sah. Genauso ging es mir diese Staffel mit den White Walkers, die anscheinend von irgendwelchen Waldnymphen mit einem besonderen Stein zu Zombies gemacht wurden. Da gefielen mir doch einige Fantheorien besser.

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Patrick:

Tops

Hold the Door
Es ist immer wieder schwierig sich von einem liebgewonnen Charakter zu verabschieden. Bei Hodor war es jedoch noch einmal etwas anderes. Als stiller Begleiter von Bran war der herzensgute Hüne zu einem elementaren Bestandteil des Gespanns geworden. Dass die Macher von Game of Thrones ihn in dieser schmerzhaften (weil vermeidbaren) Sequenz sterben lassen ist nur konsequent und deswegen umso brutaler. Dass Bran auch noch direkt mit seinem Trauma in Verbindung steht und so die gesamte Logik von gewissen Handlungen (The Mad King!!) auf den Kopf gestellt werden könnte, ist dabei fast schon nebensächlich. You’ll be missed Hodor!

Die Verräter am Galgen
Ich kann mir gut vorstellen dass eine Menge GoT-Fans darauf gewartet haben. Der verräterische Kämmerer Olly wird vom wiederauferstandenen Jon Snow an den Galgen gestellt. Mir persönlich ging es überhaupt nicht um die Rache an dem kleinen Jungen (die Beweggründe seiner Handlung war für mich durchaus nachvollziehbar), die Szenerie an sich war schon mehr als brutal. Und als Jon Snow ein letztes Mal seinen Verrätern ins Gesicht blickt um ihnen die letzten Worte abzunehmen, war das eine der heftigsten Szenen der gesamten Staffel. Wenn die eigenen Entscheidungen dazu führen, dass man einen kleinen Jungen erhängen muss, dann läuft ganz gewiss etwas falsch und Jon Snow erkennt das (zum Glück) und löst sich endlich von der Nachtwache.

R+L=J
Auch wenn es nur ein kurzer Abstecher in die Vergangenheit war, so hat er doch umso mehr aufgedeckt. Viele hatten es bereits (mich eingeschlossen) vermutet, jetzt ist es bestätigt: Jon Snow ist nicht der Sohn von Eddard Stark, sondern ein Kind der Liebe zwischen Lyanna Stark und Rhaegar Targaryen – eine ebenso tragische wie romantische Note in der so brutalen Welt von Game of Thrones. Was diesen Moment für mich so besonders macht, ist der Schnitt vom kleinen Baby, zum herangewachsenen Jon. In seiner Einfachheit absolut bestechend, jagte mir dieser Moment einen absoluten Schauer über den Rücken und erfreute mich ungemein. So ist nicht nur das gesamte Familienverhältnis der Starks auf den Kopf gestellt, sondern auch eine nutzbare Verbindung zu Daenerys hergestellt. Inwiefern das in der nächsten Staffel ausgespielt wird, bleibt natürlich abzuwarten. Ich für meinen Teil, freue mich bereits auf das Aufeinandertreffen zwischen Jon und Bran.

Flops

Arya auf der Brücke
Was ist nur passiert? Ich hatte mir so viel von Aryas Ausbildung zur Über-Assassine erhofft und ich bin bitter enttäuscht worden. Nicht nur dass sie meiner Ansicht nach nicht wirklich viel gelernt hat, geschweige denn in ihrer Persönlichkeit gereift ist, so war auch das Ende ihres Abenteuers in Braavos voller Ungereimtheiten und Logiklöchern. Das Attentat auf sie (und auch die Verfolgungsjagd in der nächsten Folge) bildet da nur die Spitze dieser unausgegorenen Erzählung. Da kann ihr Attentat auf Walder Frey in Folge 10 nur bedingt Wiedergutmachung leisten, vor allem weil sich die Szene doch enorm nach Fan-Service angefühlt hat. Trotzdem bin ich gespannt darauf was mit der jüngsten Stark-Tochter noch passieren wird.

Daenerys vor der Feuerprobe
Im Gegensatz zu Kollege Leonhard hat mich die epische Feuertaufe der Drachenmutter nicht wirklich gestört, auch wenn ich bei weitem nicht so begeistert wie viele andere war. Enttäuschend fand ich die Heranführung an die ganze Szenerie. War das alles geplant? Hat Daenerys überhaupt irgendeine Form der Entwicklung durchgemacht? Ihr Strang wirkte teilweise doch arg aufgebläht und bekam erst nach und nach mehr Gewicht und Bedeutung, die in der finalen Einstellung der Staffel kulminiert. Ich freue mich auf die kommenden Auseinandersetzung aber bitte kommt früher mit ihr in die Pötte.

Der Dorne-Cameo
Die erste Episode der sechsten Staffel startete direkt mit ein paar Paukenschlägen. Die Ermordung von Doran und Trystan Martell durch die Sand Snakes hat definitiv Eindruck hinterlassen, in welche Richtung sich die Macht im Wüstenstaat verschiebt. Doch Pustekuchen, in der gesamten Staffel bekamen wir nichts mehr ihnen zu sehen, erst in der letzte Folge wurde ein Bogen geschlossen. Das mag im Hinblick auf die kommenden Auseinandersetzungen nötig gewesen sein aber war in meinen Augen ein unnötiger Start in die Staffel und hätte auch später erzählt werden können. So bleiben die Sand Snakes auch nach den enttäuschenden Auftritten in Staffel 5 ein Schwachpunkt in der Game of Thrones-Geschichte.

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