Kritik: Frankenweenie (USA 2012) – Tim Burtons magisches Horror-Revival

When you lose someone you love, they never really leave you. They move into a special place in your heart. – I don’t want him in my heart. I want him here with me.

Seit James Whales Ur-FRANKENSTEIN sind bereits über 80 Jahre vergangen und dieser Film sollte wie kaum ein zweiter seines Genres für Populärkultur im Allgemeinen und Filme im Besonderen zum stilprägenden Fundament des düsteren Horrors werden. Doch trotz der beachtlichen dazwischenliegenden Zeitspanne von FRANKENWEENIE und FRANKENSTEIN unterscheiden sich beide bis auf die jeweiligen Zeiten, in der die Werke spielen, thematisch kaum voneinander.

Burton entlarvt den reaktionären Charakter seiner den American Dream auslebenden Gesellschaft mit lakonischem Humor, gewohnter Schärfe und für ihn typischen Motiven, versetzt den Zuschauer jedoch auch kurzzeitig mit gehörigem Augenzwinkern in den primitiven Geist der Dorf- bzw. Vorstadtbewohner. Die Elterngeneration gefangen im Alltagstrott und blind für die Probleme ihrer Kinder, weshalb diese sich nach Ausbruch des Problems aus der Lethargie befreien und emanzipieren müssen. Ganz dem großen Vorbild gleich, entzündet Burton zwar auch hier die sinnbildhafte Windmühle, dies jedoch nach Abklingen des vor blinder Wut benebelten Lynchmobs lediglich aus Versehen. Seine Bewohner handeln weniger archaisch als damals, doch die direkten Auswirkungen bleiben die gleichen. Es ist eine Welt voller Trostlosigkeit und Angst vor dem [wissenschaftlichen und sozialen] Fortschritt, in der schon das Berühren zweier kidneybohnen-förmiger Hundeschnauzen als das höchste Gefühl erregter Freundschaft zelebriert wird. Unser Protagonist ist der einzig denkende Mensch in der monotonen, mit Reihenhäusern zugebauten Vorstadtidylle. Sein einziger Freund: der Hund. Sämtliche andere Menschen sind nur (negativ-bizarre) Archetypen mit Weltbildern, die noch aus den 1920er-Jahren zu stammen scheinen.

In diesem Kontext entwirft Tim Burton einen wunderschönen Coming-of-Age-Film, der zugunsten seiner berauschenden Romantik auf jegliche Lebensgrundsätze pfeift und dem Zuschauer damit auf hintersinnige Weise den Spiegel vorhält. Eine Geschichte über eine unbändige Freundschaft, die nichts aufhält und frei von etwaigem Kitsch ist. Der 54-Jährige macht es in seiner Hommage dabei ähnlich wie schon Rob Zombie mit seinem HAUS DER 1000 LEICHEN: Ihm gelingt es, seine filmischen Vorbilder auf eine, maximal zwei klar verständliche Szenen herunterzubrechen und verspielt mit deren Versatzstücken zu arbeiten. Nicht gerade schwer fällt es, sich in den hervorragend inszenierten Effekten und der fabelhaften Mimik der Figuren zu verlieren, denn selbst banale, den Film gleichwohl erst wahrhaft charmant machende Details, wie die Schweißperlen auf der Stirn des übergewichtigen, sich gerade anstrengenden Jungen, hätten schöner nicht sein können. FRANKENWEENIE ist ein Film für die gesamte Familie. Während sich die Jüngeren über ein fantastisches Abenteuer freuen, ergötzen sich die Eltern an der bisweilen recht bissigen Doppelbödigkeit, die der Amerikaner eingeflochten hat.

Letzten Endes setzt Burton jegliche Naturgesetze außer Kraft und schafft – unbelehrbarer Optimist, der er ist – ein Happy End, das glücklicher nicht machen könnte. Er beschreitet konsequent den Weg der rührenden Irrationalität, auch wenn er dazu, wie schon unser Protagonist Viktor Frankenstein, aus Liebe [zum Film] die alles bestimmenden Gesetze annullieren muss. Das unendliche Leben wird salonfähig. Tod und Verderben sind in der realen Welt doch schon omnipräsent genug. “Frankenweenie” ist ein eskapistischer Kindertraum voll unschuldiger Freundschaft und liebenswert-schrulliger Morbidität.

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