"Gone Girl – Das perfekte Opfer" (USA 2014) Kritik – David Fincher beerdigt die Romantik

Autor: Stefan Geisler

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“All I’m trying to do is be nice. To the people who are volunteering in finding Amy.”

Nix war’s mit dem Sequel zum düsteren Schweden-Thriller „Verblendung“. Nachdem Regisseur David Fincher bereits 2011 den Roman von Stieg Larsson als stilvoll-eleganten Kriminalfall in die Lichtspielhäuser brachte, herrschte lange Zeit Unklarheit darüber, ob und wann denn nun der zweite Teil der Millennium-Trilogie gedreht werden sollte und das, obwohl „Verblendung“ weltweit über 232 Millionen Dollar einspielen konnte. Irgendwie schien man bei Sony mit dem Abschneiden des Hochglanz-Thrillers trotz des guten Einspielergebnisses nicht zufrieden gewesen zu sein, und so hängt ein mögliches Sequel auch drei Jahre nach „Verblendung“ noch immer in der Schwebe. Zeit genug also, um sich nach anderen Projekten umzuschauen. Mit „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ bringt Fincher nun den Bestseller-Thriller der Autoren-Neuentdeckung Gillian Flynn auf die große Leinwand und beweist ein weiteres Mal, warum er zur Regie-Elite Hollywoods gehört. „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ ist ein zynischer Abgesang auf die Ehe-Idylle, eine bitterböse Satire auf den amerikanischen Medien-Wahnsinn und perfekt durchdachtes Suspense-Kino in Reinform.

Eigentlich hätte Nick Dunn (Ben Affleck) den Tag heute mit seiner Frau Amy (Rosamund Pike) verbringen sollen, schließlich hätte das Ehepaar heute ihren fünften Hochzeitstag zu zelebrieren. Doch eigentlich ist Nick gar nicht in Feierlaune, denn schon seit einiger Zeit haben er und seine Frau sich nichts mehr zu sagen. Und so betrinkt sich der ehemalige Journalist bereits am frühen Morgen in seiner Bar und schlägt die Zeit mit Gesellschaftsspielen tot. Doch als er nach Hause kommt, steht sein Leben plötzlich Kopf. Im Haus lassen sich Spuren eines Kampfes vorfinden und von seiner Frau fehlt jede Spur…

David Fincher hat mit „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ wohl den perfekten Anti-Film für das erste Date gedreht. Gedanken von der „wahren Liebe“ werden spöttisch belächelt, neckische Hochzeitstagsspiele werden auf durchtriebene Art und Weise zweckentfremdet und auch die Ehe verkommt zu einem immerwährenden Kampf der Geschlechter, zu einem morschen Lügen-Gerüst, das von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Wie einst in Finchers „The Game“ ist auch in „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ nichts, wie es scheint. Fincher führt den Zuschauer mit einer diebischen Freude an der Nase herum, legt falsche Fährten, nur um diese dann doch wieder im Nichts verlaufen zu lassen. Es ist weniger die Handlung, als die Ausarbeitung der einzelnen Figuren, die „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ zu einem überragendem Thriller werden lassen. So bleiben lange Zeit die Motive der einzelnen Charaktere gänzlich schleierhaft. Die Figuren verstecken sich förmlich hinter einer undurchsichtigen Fassade aus Lug und Betrug und ihr wahres Antlitz kriegt niemand, schon gar nicht der Zuschauer so schnell zu Gesicht. „Welchem Charakter kann man eigentlich noch trauen?“ – Eine Frage, die einem im Verlaufe der 149 Minuten Spielzeit mehr als nur einmal durch den Kopf schießen wird.

Doch Fincher begnügt sich nicht damit in „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ die Institution Ehe als diabolischen und bisweilen bitterbös-komischen Kampf um Macht zu inszenieren, sondern knöpft sich auch gleich noch die amerikanische Medien- und Presselandschaft vor. Die Print- und Fernseh-Klatschmedien bekommen hier ebenso ihr Fett weg, wie die hörige Anhängerschaft ebensolcher medialer Schmeißfliegen. Dabei ist das Gezeigte zeitweise weniger Satire, als eine einfache und gnadenlose Zurschaustellung der aktuellen Zustände der Medienlandschaft Amerikas. Wenn die öffentliche Meinung durch ein gut durchdachtes Fernsehinterview in Minuten gekippt werden kann, Menschen durch unsachgemäße Berichterstattung bereits öffentlich vorverurteilt werden, Entführungsopfer zu Popstars mutieren und Klatschreporter auf der Suche nach dem nächsten Skandal zombiegleich ein Haus belagern, dann ist man angekommen im Amerika des 21. Jahrhunderts.

Fazit: David Finchers „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ ist ein meisterlich inszenierter, spannungsgeladener Thriller, der einen auch Tage nach dem Kinobesuch nicht loslassen wird. Dank eines großartigen Drehbuchs, das sogar vom Buchautor Gillian Flynn höchstselbst verfasst wurde und einem großartig aufspielenden Cast, allen voran die wunderbare Rosamund Pike, gehört „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ zu den Höhepunkten des diesjährigen Kinojahres. Nach diesem Film wird man seine Liebsten definitiv mit anderen Augen sehen…

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