Kritik: It Comes at Night (USA 2017)

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You can’t trust anyone but family.

Das Leitmotiv eines Filmes, der sich einem postapokalyptischen Szenario widmet, ist immerzu gleichbleibend: Es geht einzig und allein um den Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen. Darum, Herr der neuen Lebensbedingungen zu werden, um die Welt noch ein Stück weit als die Heimat in Ehren zu halten, als die wir sie einst kennengelernt haben. Ob wir dabei über 28 Days Later, Children of Men oder Into the Forest reden. Letzterer weist indes sogar die ein oder andere (thematische wie stilistische) Parallelität zu Trey Edward Shults’ It Comes at Night auf, dem zweiten Werk des hochbegabten Künstlers, der bereits mit seinem Debütwerk, Krisha, zu begeistern wusste. Nun allerdings wagt sich der 28-jährige Texaner in gewisser Weise auf neues Terrain, um letztlich doch genau der Stärke treu zu bleiben, die Krisha zu einem wahren Geheimtipp unter Cineasten avancieren ließ.

Wir werden mit It Comes at Night in eine unbestimmte Zeit entlassen, in der eine grassierende Seuche das Dasein des Menschen in einen vierundzwanzigstündigen Ausnahmezustand verwandelt hat. In welchen Dimensionen sich diese Krankheit bereits bewegt, verschweigt das Drehbuch geflissentlich. Stattdessen spiegelt Trey Edward Shults hier zu Beginn noch einmal die Eröffnung seines Erstlings, in dem er den Zuschauer mit einer schwarzen Leinwand begrüßt, aus der nach einigen Sekunden das geschundene Gesicht eines Mannes zu Tage tritt. Er ist infiziert, das lässt sich an seinem schwer gezeichneten Körper ablesen, und seine Familie (gespielt von Joel Edgerton, Carmen Ejogo und Kelvin Harrison Jr.) wird ihn alsbald in einer Grube im Wald verbrennen. Das zeremonielle Wesen der Bestattung ist auf den pragmatischsten Nenner heruntergebrochen, die Trauer findet heimlich statt, wenn einsame Tränen vergossen worden.

Der Rahmen, in dem It Comes at Night seine Geschichte um zwei Familien erzählt, die versuchen, sich gemeinsam am Leben zu erhalten, könnte kaum generischer ausfallen. Die Postapokalypse, der Virus, die allgegenwärtige Bedrohung. Das Besondere an It Comes at Night liegt aber, wie so häufig, in der Art und Weise begraben, mit der Trey Edward Shults seine Geschichte zu entfalten versteht. Anstatt sich nämlich an genretypischen Allgemeinplätzen entlangzuarbeiten und Plattitüden noch und nöcher heraufzubeschwören, dokumentiert respektive durchdringt der Film vielmehr in Form einer ungemein bedachtsamen Verhaltensstudie die psychologische Beschaffenheit seiner Akteure. Zweifelsohne, It Comes at Night beherrscht es immer wieder, eine dem Horror-Kino entlehnte Beklemmung aufzufächern, wenn sich in der Nacht die Hinweise verdichten, dass ein Fremder das Haus betreten hat. Es geht allerdings um mehr.

It Comes at Night offenbart äußerst anschaulich, dass er Mensch eine Sache besonders gut beherrscht: Sich und seinesgleichen zu zerstören. Die Existenz in stetiger Gefahr fordert ein ausgeprägtes Maß an Misstrauen ein, gar keine Frage. Nachdem die dreiköpfige Familie um Oberhaupt Will (Christopher Abbott, A Most Violent Year) von Paul (Joel Edgerton, The Gift) jedoch akzeptiert wurde, manifestiert sich im weiteren Verlauf in erster Linie, dass sich die vordergründig gesunde Gemeinschaft nur bis zu dem Punkt als intakt erweist, an dem beide Parteien in der Lage sind, Vorteile aus ihrem Miteinander zu ziehen. Und gerade diese siedenden Spannungen, die quasi nur darauf warten, sich endlich zu entfalten, hält Trey Edward Shults stetig mit der entsprechenden, subkutanen Subtilität aufrecht. Bis endgültig verdeutlicht wird: Der Alltag am Ende der Zeit, er bleibt eine fragile Simulation, eine betrübte Illusion, ein tiefer Stich ins Herz.

It Comes at Night startet am 18. Januar 2018 in den deutschen Kinos.

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