Kritik: O Brother, Where Art Thou? (USA 2000) – Die Coens auf Irrfahrt

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Das Nest hier muss eine geographische Kuriosität sein, es ist von allem zwei Wochen entfernt.

Während „O Brother, Where Art Thou?“ läuft, hat man als Zuschauer dauernd den Eindruck, dass ein alter Mann neben der Kamera sitzt und zuguckt. Man merkt dann, was passiert, wenn die Coens ein Drehbuch schreiben, das eigentlich auf einem der größten abendländischen Erzählungen aller Zeiten basiert. Aber viel ist von Homers Epos gar nicht übrig geblieben, höchstens die Grundidee und markante Punkte. Alles andere ist bestimmt nicht das, was sich der Autor damals gedacht hatte. Ob Joel und Ethan Coen eine Satire auf die „Odyssee“ schreiben wollten, weiß ich nicht, aber das Gefühl beschleicht einen manchmal. Man merkt aber auch zu jeder Sekunde ihre Hochachtung der Vorlage gegenüber und ab und zu bauten sie auch kleine Verbeugungen vor Homers Füßen mit ein. Und trotzdem kehren sie das Original um und machen daraus ‘ne fette Lachnummer. Coens halt.

Schon verrückt, wieviel in diesem Film eigentlich steckt. Das fällt einem aber auch erst danach auf. Während er läuft, ist man viel zu sehr damit beschäftigt, den drei Vollpfeifen Everett, Pete und Delmar zu folgen. Solche bekloppten Idioten können auch nur die Coens erfinden. Clooneys Everett ist der einzige, dem ich sowas wie Intelligenz nachsagen würde. Die Parallele zu Homers Odysseus braucht der Film da garnicht zu erwähnen, das sollte klar sein. Ist ja ‘ne Odyssee. Irgendwer muss die ja da hin führen. Aber wohin eigentlich? Zu einem Schatz? So’ne Überraschung. Die ganze Story fußt, wie gesagt, auf der uralten Vorlage, und das Grundgerüst bleibt auch gleich. Doch die Coens verlegen sie ins Mississippi 1937, in die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Riecht nicht nur nach einer dicken Gesellschaftskritik und die Coen’sche Abrechnung mit diesem Jahrhundert, isses auch. Und zwar genau so, wie man das von Joel und Ethan kennt. Und liebt mittlerweile.

Joels Regie strotzt nur so vor Spielfreude. Der ganze Film ist wunderschön bebildert, sein Stil schafft die richtige Atmosphäre, ist immer düster und ernst und damit der Gegensatz zum bekloppten Drehbuch, und auch dabei haben sich die Brüder was gedacht. Die Kamera arbeitet wunderbar gekonnt, aber schlicht und ohne große Schnörkeleien. Und das ist als Kompliment gemeint, weil die Coens ihr Drehbuch für sich arbeiten lassen. Großartige technische Spielereien würden das kaputt machen und überladen wirken. Gott sei’s gedankt.

Last but not least…der Soundtrack. Halleluja. Auch wenn Clooney, der Sack, nicht selbst singt, macht der ganze Score verdammt viel her. Es wird viel gesungen, und damit sind nicht nur Homers Sirenen gemeint. Auch die drei Idioten singen. Man könnte sagen, dass der Film Musicalanleihen hat, aber das wäre zuviel des Guten. Im Stile von „Walk the Line“ wird halt viel gespielt und gesungen und ich hab sowieso was übrig für den guten alten Sound der 40er Jahre, den Cash knapp 20 Jahre später für sich einnahm.

Alles in allem: Wenn die Coens mit „O Brother, Where Art Thou“ eins klar gemacht haben, dann, dass sie richtig helle Köpfe sind. Homers Odyssee so unglaublich genial in ihr ganz typisches Coen-Kostüm zu zwängen, dafür verdienen sie meine Hochachtung.

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