"Orphan Black" 1. Staffel (CA 2013) Kritik – Die Tatiana Maslany Show

Autor: Sebastian Groß

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„Plato would’ve thought we were gods. But we’re not.“

Bei der letzten Verleihung der Golden Globes, gab es zwei Darstellerinnen die für ihre Leistung als beste Hauptdarstellerin in eine Drama-Serie nominiert waren, die dem deutschen Zuschauer mit großer Wahrscheinlichkeit absolut unbekannt waren: Denn neben Robin Wright, Julianna Margulies und Kerry Washington, durften auch Taylor Schilling und Tatiana Maslany kurz vor der Bekanntgabe des Gewinners in die Kamera lächeln. Am Ende bekam Wright den Award. Schilling, die für die gefeierte Netflix-Produktion „Orange is the New Black“ nominiert war und Maslany gingen leer aus, aber zumindest waren ihre Gesichter kurzzeitig dem internationalen Publikum vorgestellt worden. Immerhin etwas, denn beide Frauen hätten den Preis mehr als nur verdient, und während „Orange is the New Black“ noch immer nicht den Weg nach Deutschland gefunden hat, strahlte zdf_neo „Orphan Black“, die Maslany-Serie, kürzlich am Freitagabend in Doppelfolgen aus. Wer dies verpasst hat, kann sich die kanadische Serie nun via DVD und Blu-ray angucken und sich selbst ein Bild davon machen, wie gut Tatiana Maslany ist, denn die Showrunner John Fawcett und Graeme Manson haben einen wirklich sehenswerten Zeitvertreib auf die Beine gestellt – eine enorm unterhaltsame One-Woman-Show.

Sarah hat in ihrem Leben viele Fehler gemacht, doch nun soll sich alles ändern. Sie will beweisen, dass sie endlich ein gefestigtes Leben beginnen kann und ihre kleine Tochter zu sich holen. Doch nachts am Bahnhof wird sie Zeuge von etwas absolut Absurdem: Eine Frau, die aussieht wie ihr Zwilling, wirft sich vor den Zug. Sarah ist geschockt, wittert aber dennoch ihre Chance für ein neues, besseres Leben. Sie nimmt die Handtasche der Fremden an sich und beginnt deren Leben zu führen. Doch dies bringt Probleme mit sich, denn nicht nur dass die Tote eine Polizistin war, nein, es gibt noch mehr Frauen, die Sarah optisch 1:1 gleichen.

Die große Attraktion der Serie ist ganz klar Tatiana Maslany. Die kanadische Darstellerin, die John Fawcett mit ihrer Darstellung der Ghost in seiner Produktion „Ginger Snaps 2“ überzeugte, darf hier schauspielerisch aus den Vollen schöpfen. Egal ob als leading girl Sarah Manning oder als ihre Klone. Maslany gelingt es, dass die Klone nicht bloße Kopien sind, sondern ihre eigene Prägung besitzen, die sich nicht nur charakterlich zeigen, sondern auch sprachlich sowie gestisch. Deswegen sollte man sich „Orphan Black“ unbedingt in der englischen Originalfassung ansehen. Alleine wie Maslany in ihrer Rolle als neurotisches Vorstadtmuttchen mit integrierter Lebenskrise in der sechsten Episode ihren Gatten im Bastelzimmer, zwischen bunten Kinderscheren und Glitzerpailletten via Heißklebepistole zum Reden bringt, ist wahrlich ein äußerst gekonnte Kombination aus Kurzweil sowie Spannung und fast ganz nebenbei eine gallige Abrechnung mit der Vorstadtidylle. In Episode 6 findet „Orphan Black“ sowieso die perfekte Symbiose aus Komik, Mystery und Spannung statt und stellt das Prunkstück der ersten Staffel dar.

Leider ist die große Stärke von „Orphan Black“ auch eine der Schwächen, denn so exzellent Maslany auch ist, so teilweise stumpf und recht lustlos wirken die Nebenfiguren. Vor allem Cop Art Bell (Kevin Henchard) und der ominöse Paul (Dylan Bruce) kommen nicht gegen die Vielfältigkeit und Spannweite der Klone an. Einzig Sarahs Adoptivbruder Felix (Jordan Gervasi) darf als liebenswert tuckischer wie exzentrischer Künstler, im Zusammenspiel mit Maslany, einen darstellerisch fast gleichwertigen Ankerpunkt bilden. Wirklich erden tut auch diese Figur die Geschichte rund um Klone, weird scientist und gefährliche Machenschaften im Schatten zwar nicht, aber das ist ja auch das Schöne an „Orphan Black“. Denn das Storygerüst ist wunderbar klar ans eigene Wissen, dass es sich um reinrassige Fiktion gekoppelt ist. Die Serie will nicht mehr sein, als pure Unterhaltung. Doch dabei gelingt es Fawcett und Manson durchaus dennoch Subtext zu integrieren, der jedoch niemals aufgesetzt wirkt, sondern sich in die immer leicht cheesige Tonalität des Produkts einbindet. So befinden sich unter den Parteien, die den Klonen das Leben schwer machen, auch religiöse Fundamentalisten, die Gottes Werk vor den Ergebnissen der ungehemmten, modernen Wissenschaft schützen wollen.

Der Konflikt Kreationismus gegen Wissenschaft findet in Staffel 1 jedoch noch auf einer eher marginalen Ebene statt, der aber in den noch kommenden Episoden problemlos ausgeweitet werden kann – und hoffentlich auch wird. Wesentlich klarer ausformuliert wird der Humor der Serie, die selbstverständlich dadurch zu Stande kommt, in dem die Macher mit den verschiedenen Persönlichkeiten der Klone, sowie den damit einhergehenden Schwierigkeiten diverse hektisch, fesselnde aber auch amüsante Momente erstellen. Dabei wirkt der Humor aber jederzeit organisch und einheitlich. Er wird nicht durch das Einzwängen ins Korsett des comic relief zu einem erzählerischen Extra heruntergestuft. Bei „Orphan Black“ bieten die komödiantischen Szenen keine Pause zwischen den Spannungsmomenten, sondern die arbeiten mit diesen meist unisono zusammen. Auch hier muss erneut Episode 6 hervorgehoben werden. Wie hier das Chaos aus suburbaner Spießerparty, einfacher aber effektiver Suspense und diversen Verdächtigungen zusammengefügt wird, ist ganz großes Kino, pardon, Fernsehen.

„Orphan Black“, dessen zweite Staffel in Nordamerika kurz vor der Ausstrahlung der finalen Episode steht, ist irgendwie schon recht krude Genre-Unterhaltung und sich dessen auch mehr als bewusst. Nicht alle Handlungselemente wollen auf Anhieb funktionieren, einige bleiben leider auch etwas zu beliebig und grob, aber dank der fantastische Tatiana Maslany und dem Können der Showrunner auch aus anscheinend platten Elementen eingängige, gut funktionierende Handlungsverläufe zu erstellen, lässt sich „Orphan Black“ problemlos empfehlen.

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