"Possession – Das Dunkle in dir" (USA 2012) Kritik – Der Dibbuk in der Kiste

“Daddy you scared me…”

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Exorzismusfilme gibt es inzwischen wie Sand am Meer. 1973 brachte Regisseur William Friedkin („Killer Joe“) den Genre-Klassiker „Der Exorzist“ in die Kinos und machte damit das äußerst fragwürdige Ritual der Teufels-/Dämonenaustreibung in Hollywood salonfähig. Inzwischen vergeht kaum ein Jahr, an dem nicht mindestens ein mehr („Requiem“) oder wenig guter („The Rite – Das Ritual“) Exorzismusfilm in die Kinos kommt. Anfang 2012 hatte es dann mit dem Found-Footage Exorzismus-Shocker „Devil Inside – Keine Seele ist sicher“ wieder eine richtige Exorzismus-Gurke an die Spitze der Charts geschafft. Besserung verspricht da Ole Bornedals „Possession – Das Dunkle in dir“, denn Regisseur Bornedal ist unter Horror-Fans schon lange kein Unbekannter mehr. Mit seinem subtilen Horror-Thriller „Nightwatch – Nachtwache“ machte der dänische Regisseur das erste Mal 1994 von sich reden. Auch das „Tanz der Teufel“-Mastermind Sam Raimi sich als Produzent an dem Projekt beteiligte, lies Horrorfans hoffen. Leider ist „Possession – Das Dunkle in dir“ dennoch nur ein solider Exorzismus-Streifen geworden, der aber dennoch durch Bornedals Gespür für stimmungsvolle Aufnahmen zu den besseren Vertretern seiner Zunft gehört.

Die zehnjährige Emily Brenek (Natasha Calis) hat es momentan nicht einfach in ihrem Leben, denn ihre Eltern sind frisch geschieden. Gemeinsam mit ihrer Schwester Hannah (Madison Davenport) verbringt sie abwechselnd die Wochenenden bei ihrem Vater Clyde (Jeffrey Dean Morgan) und ihrer Mutter Stephanie (Kyra Sedgwick). Auf dem Weg zum neuen Eigenheim des Vaters kommen die Schwestern an einem Garagenverkauf vorbei. Eine alte Holzkiste übt eine seltsame Faszination auf die junge Emily aus. Was keiner ahnt: Die unscheinbare Holzkiste enthält ein düsteres Geheimnis…

„Possession – Das Dunkle in dir“ ist vieles, aber eins ganz sicher nicht: Innovativ. Hier wird sich munter aus der Genre-Kiste bedient, in denen sich in über 30 Jahren Exorzismus-Film einiges angesammelt hat. Wenn der Dämon in der alten Holzkiste plötzlich Heerscharen von Motten ins Zimmer lockt oder den Körper eines jungen Mädchens übernimmt und diese sich nicht nur plötzlich besser verrenken kann als jeder Schlangenmensch, sondern auch noch einen unglaublichen Heißhunger auf rohes Fleisch entwickelt, werden natürlich Erinnerungen an Klassiker wie „Der Exorzist“ oder ähnlich gelagerte Horrorfilme geweckt.

Interessant dagegen die Dynamik zwischen dem vom Dibbuk besessenen Familienmitglied und dem Rest der Familie. So wird das merkwürdige Verhalten der jüngsten Tochter lediglich auf die brodelnden Hormone und die momentan familiär angespannte Beziehung geschoben. Dabei ist es den Drehbuchautoren Juliet Snowden („Know1ng – Die Zukunft endet jetzt“) und Stiles White („Boogeyman – Der schwarze Mann“) gut gelungen, die Familienmitglieder „normal“ handeln zu lassen. Denn das eigenwillige Verhalten ihrer jüngsten Tochter lässt sich lange Zeit als Reaktion auf die äußeren Umstände verstehen, denen das Mädchen momentan ausgesetzt ist. Auch dass der Dibbuk im wahrsten Sinne des Wortes ein „teuflischer“ Manipulator ist, macht das Ganze nicht einfacher. Denn durch einige gezielte und äußerst hinterhältige Aktionen steht nämlich plötzlich der Vater als Buhmann der Familie da, der für den psychischen Knacks seiner Tochter die Verantwortung trägt.

Glücklicherweise nimmt sich „Possession – Das Dunkle in dir“ nicht durchweg so bierernst, wie andere Genrevertreter, was wohl auch dem Produzenten Sam Raimi zu verdanken ist. Allein der Ausflug in das jüdische Viertel der Stadt ist ein herrlich skurriler Augenblick, denn wenn die einzige Hilfe von einem unseriösen Jungrabbi zu erwarten ist, dann freut man sich insgeheim als Zuschauer diebisch auf die anschließende Dämonenaustreibung. Und tatsächlich, dank Ole Bornedals grandiosem Gespür für stimmungsvolle, ästhetische Bilder wird der Schlussakt in einem leer stehenden Teil eines Krankenhauses zu einem wirklich unheimlichen Katz- und Maus-Spiel. Und wenn Jeffrey Dean Morgan (“Watchmen”) als besorgter Vater sich langsam durch eine spärlich beleuchtete Leichenhalle kämpft, erinnert das Ganze sogar ein wenig an Bornedals „Nightwatch – Nachtwache“.

Fazit:
Obwohl in „Possession – Das Dunkle in dir“ stellenweise recht uninspiriert Genre-Klischees aneinanderreiht werden, bietet der Film dank Ole Bornedals inszenatorischer Raffinesse wenigstens stellenweise gelungene und stimmungsvoll-unheimliche Unterhaltung.

5 Comments

  • Ich hab von Bornedal letztens “Deliver Us From Evil” gesehen. Handwerklich/visuell hat’s der Mann echt drauf…
    Schade, dass die Story im neuen Film scheinbar recht konventionell ausgefallen ist :/

      • Stimmt, innovativ ist anders. Aber ich hab das eher so gesehen, dass man sich ganz bewusst für eine fast schon altmodische Story und Inszenierung entschieden hat und den Grusel eher so langsam kommen lässt. Ich mochte, wie die Familie erzählt wurde, das war für amerikanische Verhältnisse relativ unhysterisch.
        Für Kinogänger, die echt Grusel- und Horrorerfahrung haben, ist das sicher kein Augenöffner, aber für Anfänger gut geeignet.

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