"The Drop – Bargeld" (USA 2014) Kritik – Willkommen im gesichtlosen Amerika

Autor: Pascal Reis

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„I had something once. I was respected. I was feared.“

Wieso wohl sollte es verwerflich sein, sich an einer gewissen Erwartungsenthaltung zu orientieren, sieht man sich im Begriff dazu, einen x-beliebigen Film zu schauen? Weil eine objektive Voraussetzung, jenes Werk wahrzunehmen, womöglich darunter leidet? Wohl kaum, außer man richtet seine Meinung äußerst ostentativ gegen gewisse Namen und und Formen. Vielmehr ist diese kleine Vorabeinschätzung doch gerade dann schön, wenn sie anschließend nach Strich und Faden torpediert wird und sodann noch einmal nachhaltig unter Beweis stellt, dass Film heutzutage durchaus noch in der Lage, unvorhersehbar zu sein, erfreuliche Überraschungen zu generieren, anstatt sich der Schema-F-Dramaturgie anzubiedern und stocksteif nur so weit zu locken, wie es der weichgespülte Usus nun mal zulässt. Dass man von „The Drop – Bargeld“ von vornherein nichts Schlechtes erwartet hat, liegt schon allein an Autor Dennis Lehane, der auch die fabelhaften Vorlagen zu „Mystic River“, „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ und „Shutter Island“ abgeliefert hat, aber ein Fast-Meisterwerk? Wohl eher weniger.

Nichts anderes aber ist Michael R. Roskams amerikanisches Debüt: Ein nahezu brillantes Erlebnis, welches sich ganz geflissentlich gegen die „fetter, lauter, greller“-Devise der kontemporären Kinolandschaft stemmt und in seiner reduzierten Haltung beinahe schon als robuste Antithese zum sensationsgierigen Spektakel zu verifizieren ist. „The Drop – Bargeld“ besinnt sich auf das Gewicht minimalistischer Gestik und läuft niemals Gefahr, seine Geschichte manipulativ zu dramatisieren oder mit entbehrlichem Pathos aufzubauschen, obwohl sich das filmische Konstrukt geradezu dafür anbietet. Bob (Tom Hardy) jedenfalls arbeitet in der urigen Kneipe seines Cousins Marv (James Gandolfini), lässt gerne mal die ein oder andere Runde aufs Haus gehen und ist ohnehin eher als besonneneres Gemüt zu beschreiben. Dass die Bar sich in den Händen der tschetschenischen Mafia befindet, hat Bob längst akzeptiert, Marv hingegen hadert nach wie vor mit den sich verschiebenden Machtfronten, schwelgt in Erinnerungen, als man ihm noch Respekt zollte und sich von den Stühlen erhob, wenn er den Raum betrat.

Ein Porträt dieses kalten Brooklyns, in dem nicht mehr die Amerikaner, sondern die Immigranten das Sagen haben, zeichnete schon James Gray mit dem famosen „Little Odessa – Eiskalt wie der Tod“ im Jahre 1994. Und es wäre natürlich eine Lüge, würde man proklamieren, dass „The Drop – Bargeld“ sein Milieu nicht studieren würde. Wie wir schon in „Mystic River“ und „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel“ in Erfahrung bringen durften, ist Dennis Lehane ein Meister in Sachen Etablierung grauer Umfelder und schafft es, die Authentizität über jede Straße, jeden Hinterhof und durch jede Seitengosse streifen zu lassen. „The Drop – Bargeld“ aber besticht vor allem durch seine Charakterzeichnungen: Wer Bob in diesen 110 Minuten begleitet, dem erstrahlt der Wert der Ambivalenz in neuem Licht, ist Tom Hardy in seiner ganz und gar zurückgezogenen Performance doch die Idealbesetzung dafür, nur mit einem einzigen Wimpernschlag mehr auszusagen, als es einige seiner nicht minder namhaften Kollegen in stundenlanger Method-Acting-Hysterie bewerkstelligen.

Mit Bob als durchaus humanistischen Fluchtpunkt der Handlung, entspinnt „The Drop – Bargeld“ eine von reeller Traurigkeit begleitete Studie über Einsamkeit sowie die Fragilität sozialer Identitäten und projiziert diese Aspekte auf den unweigerlichen Wandel der Zeit, der vor allem dem bulligen Marv zu schaffen macht: Es ist ein gesichtsloses Amerika, welches Lehane und Roskam perspektivieren und Bob, jemand der in der Lage dazu ist, sich an neue Umstände ohne großes Gezeter zu akklimatisieren, der seiner Arbeit nachgeht und sich nie dazu gezwungen sieht, seine Stimme zu erheben, weil es einfach nicht zu seinem Naturell entspricht, muss die Wunden der Vergangenheit noch einmal aufbrechen, um sie endgültig vernarben lassen zu können. Die Gewalt, die von Minute zu Minute näher rückt, ist in ihrem motivischen Ansatz, den schmalen Grat zwischen Regression und Eskalation betreffend, nahe der in David Cronenbergs „A History of Violence“ gelegen. Ein weiteres Indiz dafür, wie fantastisch „The Drop – Bargeld“ doch gelungen ist.

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