Kritik: The Rock – Fels der Entscheidung (USA 1996) – Alcatraz wird zum explosiven Ort der Desillusion

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Patriotism is a virtue of the vicious.

So sieht es also aus, wenn sich ein Regisseur mit ungehemmtem Explosionsfetisch wie Michael Bay auf der Höhe seines „künstlerischen“ Schaffens befindet. Ziemlich ansehnlich, aber auch viel zu verfrüht und leider von unikalem Status. „Ziemlich ansehnlich“ könnte man an dieser Stelle sogar noch als leichte Untertreibung umreißen, denn Michael Bays zweite Regiearbeit „The Rock“ ist quasi der Inbegriff, oder vielmehr ein Mitverantwortlicher, für diesen generalisierten Musterfall des hochwertigen Action-Kinos der vielfältigen 1990er Jahre. Mit „Bad Boys“ hat Michael Bay ein Jahr zuvor bereits sein fähiges Inszenierungshändchen für stattliche Actionmontagen bewiesen, blieb seinem Publikum aber auf Charakterbasis diese Qualität schuldig. In „The Rock“ wird dieses Manko vortrefflich umwandert, denn Michael Bay lässt sein inneres Kind dirigieren und präsentiert Charaktere, die zwar alles andere als revolutionäre Substanz besitzen, doch, genau wie der Regisseur, interessiert sich auch der Zuschauer für den gemeinsamen Werdegang innerhalb der folgenden 120 Minuten.

Man muss sich natürlich von vornherein darüber im Klaren sein, dass auch „The Rock“ mit einer vollkommen dämlichen Grundhandlung auffährt, die sich der Logik weitestgehend verweigert und bereits in der Aufblende den typisch Bay’ischen Patriotismus frönt: Geschniegelt-stoische Marines tragen andächtig den Sarg eines gefallenen Kameraden durch die Totale, während Hans Zimmers pathetischer Score jeden Schritt voller Stolz begleitet und die Weichen für sein eingängiges „Fluch der Karibik“-Getöse stellt. Nur fällt das hier alles nicht weiter ins Gewicht, egal ob nun höchstoberflächlich von VX-Gas-Raketen, Thermit-Plasma und chemischen Kampfstoff im Allgemeinen gefaselt wird oder altbekannte Militärparolen mit ausgestreckter Brust durch die Gegend gerotzt werden. „The Rock“ hat nämlich zwei Protagonisten im Repertoire, die nicht nur wunderbar harmonieren, sondern auch für sich genommen reichlich charismatisch auf den Zuschauer wirken. Schließlich weiß Michael Bay seine beiden Sympathisanten nicht in das offene Feuer mehrerer Wahnsinniger zu jagen, sondern sie mit dem verletzten Stolz der Soldaten aus den eigenen Reihen zu konfrontieren.

Da wäre Nicolas Cage als Chemiewaffenspezialist Stanley Goodspeed, der ohne jede Kampferfahrung auskommen muss, sich in seiner verantwortungsbewussten Rolle der eigentlichen Überforderung hingibt und dem Zuschauer problemlos auf Schritt und Tritt folgen lässt. Klar, Nicolas Cage spielt in Wahrheit mal wieder nur sich selbst, nur passt es in diesem Fall einfach blendend. Neben ihm steht die schottische Schauspielkoryphäe Sean Connery, der den ehemaligen britischen Spion John Mason darstellt und sich mit der Tatsache rühmen kann, als einziger Mensch von Alcatraz flüchten zu können. Sean Connery bringt die selbstironische Note in den Film, die Michael Bay in seinen nachfolgenden Filmen abhanden gekommen ist und die den Eindruck erweckten, dass Michael Bay seinen fabrizierten Schrott wirklich ernst nimmt. Auch bei der Wahl des Antagonisten geht der Regisseur einen etwas anderen Weg, denn sind es hier keine Taliban, Nazis oder Russen, die sich jede Menge Geld unter den Nagel reißen wollen, sondern ein hochdekorierter und durchaus ambivalenter Brigadegeneral namens Francis X. Hummel – Natürlich exzellent besetzt mit dem bewanderten Ed Harris.

Das klingt, als würde „The Rock“ reichlich Augenmerk auf seine Charaktere legen und die eigentlichen Erwartungen der Männerwelt, nämlich die Action, den Krach und die vibrierenden Lautsprecher, zweitrangig werden lassen. Nicht wirklich, „The Rock“ fährt nur zum einen ein erhebliches Tempo auf, während dessen einfach keine Langeweile entsteht und zum anderen vernachlässigt er seine Figuren über die gesamte Laufzeit zu keiner Sekunde, wenngleich natürlich keine Entwicklung stattfindet. Resultat dieser signifikanten Balance aus Rabatz und den Darstellern ist die durchgehende Hochspannung, die dazu noch mit herrlich handgemachter Action auskommt und sich ganz ihrem Zeitalter verschrieben hat, egal wie sinnbefreit sie auch auftreten mag. Michael Bay hatte hier einfach das inszenatorische Gespür für packend konzipierte Sequenzen und initiiert seinem Film tatsächlich so etwas wie eine Seele. Allerdings wäre „The Rock“ am Ende nur die Hälfte wert gewesen, wenn Großkaliber Sean Connery nicht an Bord geholt worden wäre, denn er ist das Herzstück und der Grund, warum Michael Bay sein wichtiges Augenzwinkern nicht vergisst.

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