Autor: Pascal Reis
“Je genauer Sie hinsehen, desto weniger sehen Sie.”
Atlas ist ein arroganter Meister seiner Klasse und kann durch die Macht der Illusionen nicht nur sein Publikum ins Staunen versetzen, sondern auch die Frauenwelt haltlos in sein Schlafzimmer locken. Als der charismatische Magier, seine ehemalige Assistentin Henley, dem gewitzten Mentalisten Merritt und dem Touristenabzocker Jack jeweils eine Tarotkarte zugesteckt bekommt, auf der sich eine Adresse für ein Appartement befindet, stößt das Quartett auf die Blaupausen eines nie in die Tat umgesetzten Tricks. Ein Jahr vergeht und die Magiertruppe füllt unter dem Namen Die vier Reiter die größten Hallen von Las Vegas. Mit der Ankündigung, eine Bank in Paris auszurauben, die in beinahe 9000 Kilometern Entfernen liegt, wird die Messlatte für alle anderen Konkurrenten in astronomische Höhen gelegt. Und tatsächlich: Mit Hilfe eines aus Zuschauers regnet es wenige Minuten später 3 Millionen Dollar auf das Publikum und die Menge jubelt. Der FBI-Agent Rhodes und seine französische Interpol-Kollegin Alma nehmen jedoch die Spur auf, denn hier geht es nicht nur um Kunststückchen, sondern um Verbrechen.
Ob im Freizeitpark als funkelende Abendunterhaltung und Abwechslung zum Alltag aus wilden Achterbahnfahrten und dem schaurigen Gruselkabinett, als großes Event in der Metropole deklariert und mit einer Besucherzahl von über 1000 Leuten angezettelt oder auch immer lockeren Kreis auf einem Kindergeburtstag: Die Magier und ihre Zauberei sind nicht nur in den verschiedensten Lokalisation angesiedelt, sie sprechen auch seit jeher die verschiedensten Altersgruppe an und sorgen für staunende Gesichter, denn Magie steht nach wie vor für uneingeschränkte Faszination. Wie es inzwischen die verschiedensten Tricks in unterschiedlicher Größenanordnung zu bestaunen gibt, sind auch die postmodernen Zauberer nicht mehr nur allein auf der Abendbühne zu beobachten, längst haben sich sie eine eigene Nische in den Lichtspielhäusern gesichert und versuchen Publikum und Kritiker nach allen Regeln der Kunst zu verzaubern obgleich der kommerzielle Erfolg für Filme dieses Genres bis dato ausbleiben musste.
Dabei hat vor allem Batman-Reanimator Christopher Nolan mit seinem wahren Sahnestück Prestige bewiesen, wie ein meisterhaftes Kräftemessen zweier Illusionisten aussehen kann und wie dünn der Grat zwischen Passion und Obsession ist. Natürlich ließen auch Rohrkrepierer wie Duell der Magier mit dem langhaarigen Nicolas Cage oder Der wundersame Burt Wonderstone mit Steve Carrell in der Hauptrolle nicht lange auf sich warten, obwohl die Prämisse- wie auch im schändlich übergangenen Direct-to-DVD-Knaller The Illusionist mit Edward Norton immer einen interessanten Blickfang darstellt, nur erstrahlen Filme nicht allein durch ihren ansprechenden Grundansatz im hellsten Licht, sondern müssen, gerade bei einer derartigen Thematik, die die grauen Zellen des Konsumenten zu Purzelbäumen zwingen möchte, ein ausgereiftes Drehbuch vorweisen können Und in diesem Punkt gehört Jonathan und Christopher Nolan nach wie vor der Thron der Magie. Nun hat sich auch Transporter-Regisseur Louis Leterrier mit Die Unfassbaren in die Welt der effektiven Täuschung bewegt und muss erfahren, wie ein schwammiges Drehbuch ein grundsätzlich anschauliches Werk in das Mittelmaß degradiert.
Die Zeiten, in der ein Magier in einer langen Robe aufgetreten ist und seinen charakteristischen Rauschbart bei jedem Trick durch die Lüfte wehen ließ, sind lang vorbei und würde man die heutigen Erben von Merlin und Co. auf den mythischen Zauberer ansprechen, dann würden wohl unweigerlich gelangweilte Blicke folgen. Die Magier von heute sind akkurat gekleidet, haben eine nonchalante Präsenz und wissen ihre Fans gekonnt zu bezirzen. Dieser moderne Standard, der wohl inzwischen durch jeden Berufszweig weht, reflektiert sich auch wunderbar in der Besetzungsliste von Die Unfassbaren: Jesse Eisenberg, Woody Harrelson, Isla Fisher und Dave Franco bilden das Hauptquartett und wissen sich gerade in der Einführung gekonnt in Szene zu setzen. Es wird im Laufe der Geschichte nur deutlich, dass die eigentlichen Protagonisten nur raffinierte Schachfiguren sind, die ab einem bestimmten Punkt wie Schattenwesen agieren und nur noch selten vor die Kamera treten, um den ermittelnden Rechtskräften in Form von Mark Ruffalo und Melanié Laurent die große Bühne zu verleihen.
Wer sich in eine Zaubervorstellung wagt, der möchte überwältigt werden und sich daran erfreuen, wie die Bühne zum Ort der Täuschung wird. Man möchte erleben, wie man ganz ohne Umschweife an der Nase herumgeführt wird und das Unmögliche für zwei Stunden plötzlich möglich erscheint. Der Vorteil einer derartigen Show ist, dass man in das Geschehen eingebunden wird, dass man das Feeling durch die Performance auf der Bühne und die Reaktionen der Zuschauerreihen aufsaugen und am eigenen Leibe erfahren kann. Setzt man sich also ins Kino und möchte bewundern, zu was die heutige Welt der Magie in der Lage ist, stoßen wir zuerst auf die Barriere der Leinwand, die selbst eine einzige Illusion darstellt und einer offerierte Zaubershow vorerst ihren spürbaren Reiz entzieht nicht aber ihren Unterhaltungswert. Und um diesen Unterhaltungswert halbwegs solide übertragen zu können, braucht es Figuren, die Leinwandpräsenz besitzen und den Zuschauer mit ihrem Können um den Finger wickeln können Unter diesem Gesichtspunkt braucht sich Die Unfassbaren allerdings keine Sorgen machen.
Es ist nur eine Tatsache, dass Zauberei nicht nur plumpes Blenden ist, das Magie nicht nur Taschenspielertricks besteht, sondern auch eine gewisse Menschenkenntnis voraussetzen muss, die die Psyche des Auserwählten einklammern kann, um Geheimnisse an die Oberfläche zu tragen. Das Drehbuch von Die Unfassbaren möchte ähnlich symptomatisch funktionieren und dem Zuschauer immer einen Schritt voraus sein, das Autorentrio Ed Solomon, Boaz Yakin und Edward Ricourt begeht den Fehler, dass sie ihre Geschichte intelligenter arrangieren möchte, als es der Rezipient erahnt, sich allerdings über die gesamte Laufzeit offenherzig dem Mainstream anbiedert und den Zuschauer quasi auf Nummer sicher an die Hand nimmt, damit auch niemand auf der Strecke bleibt. Nett gemeint ist das vielleicht, wirkt sich aber eher kontraproduktiv auf die zelebrierten Kunststückchen aus vor allem wenn der zynische Morgan Freeman noch als überholter Erklärbär fungiert. Wenn Die Unfassbaren dann Wendung auf Wendung folgen lässt, ist das Tempo hoch und die Langeweile natürlich immer auf Sicherheitsabstand gehalten Faszinierend ist das Ganze jedoch zu keiner Sekunde, da kann die Kamera noch so viele kreisende Bewegung innerhalb von wenigen Sekunden unternehmen.
Fazit: Die Unfassbaren ist ein unterhaltsamer und temporeicher Magie-Thriller, der jedoch unbedingt intelligenter als sein Publikum sein möchte, aber nie den Mut besitzt den Anbiederungsradius seiner luftigen Massenkompatibilität zu verlassen. Am Ende bleibt ein netter Film, sicher nicht verärgernd oder gar fragwürdig, doch der große, überwältigende Knalleffekt möchte die rasante Menage aus magischen Sackgassen und kollegialer Hilfsbereitschaft nicht heimsuchen.