Du stöberst gerne durch Best-Of-Listen? Dann hier entlang!
Der Versuch, den besten Film auf Netflix zu finden, kann manchmal eine kleine Herausforderung sein. Das haben wir alle schon durchgemacht. Man hat sich entschlossen, etwas anzusehen. Man hat die komplette Netflix-Suchfunktion zur Verfügung, einschließlich einer Watchlist mit vorgemerkten Filmen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt anzusehen. Trotzdem gehen im Netflix-Algorithmus selbst die besten exklusiven Produktionen unter, weshalb ich euch nun die Suche nach außergewöhnlichen Filmen vereinfachen möchte und daher für euch eine Top-10-Liste der absolut besten Netflix-Eigenproduktionen, welche seit dem Launch der Onlinestreamingplattform im Jahr 2010 angeboten werden, erstellt.
Lobende Erwähnungen, immer eine Sichtung wert: Athena (Romain Gavras) The Hand of God (Paolo Sorrentino), The Power of the Dog (Jane Campion), Prayers for the Stolen (Tatiana Huezo), Maniac (Cary Fukunaga), Dolemite Is My Name (Craig Brewer), The Mitchells vs. The Machines (Michael Rianda) Eurovision Song Contest: The Story of Fire Sage (David Dobkin), Time to Hunt (Sung-hyun Yoon), Le Jeu – Nichts zu verbergen (Fred Cavayé), Cambridge Analyticas großer Hack (Karim Amer), The Ballad of Buster Scruggs (Ethan & Joel Coen), Ich habe meinen Körper verloren (Jérémy Clapin), Cam (Daniel Goldhaber) und Malcolm & Marie (Sam Levinson)
– Platz 10: Private Life –
von Tamara Jenkins, mit Kathryn Hahn und Paul Giamatti
Private Life behandelt auf eine ebenso witzige wie sensible Art und Weise die Beziehung eines Paares, welches einfach nur ein Baby bekommen möchte. Paul Giamatti und Kathryn Hahn sind dabei in ihren Rollen unglaublich authentisch und transportieren die Auseinandersetzung mit einem komplexen Gesellschaftsthema gekonnt vor die Kamera. [Trailer]
– Platz 9: Klaus –
von Sergio Pablos, mit Jason Schwartzman und J.K. Simmons
Dieser Netflix-Weihnachtsfilm war 2019 nicht nur überraschend erfolgreich, sondern obendrein auch noch überraschend gut. Insofern ist Klaus wahrscheinlich der einzige Film der letzten Jahre, welcher bald einer der Weihnachtsklassiker schlechthin sein dürfte. Für mich ist er das bereits, denn eine ebenso frisch erzählte wie fantastisch animierte Weihnachtsgeschichte ist eine absolute Rarität. Ein einfacher Akt der Freundlichkeit löst immer einen anderen aus, selbst an einem zugefrorenen, weit entfernten, boshaften Ort namens Smeerensburg – davon erzählt Klaus herzzerreißend und abenteuerlich. [Trailer]
– Platz 8: The Eddy –
von Damien Chazelle, mit André Holland und Joanna Kulig
Okay, eigentlich ist The Eddy eine Miniserie, aber auf diese Verständnisfrage gebe ich nicht viel. Für mich ist The Eddy weniger Serie, als vielmehr ein sehr langer Film, in dem sich Damien Chazelle ganz ausgezeichnet in episodenhafter Form der Pariser Jazz-Szene angenommen hat. Selten wurde das alltägliche Pariser Leben besser mit der Kamera eingefangen und der extra für The Eddy komponierte Jazz-Soundtrack ist so herausragend, dass ich mir deshalb sogar die Vinyl gekauft habe. Und auch die Charaktere sind durch und durch passend besetzt, so dass Chazelles Konzept, einen französischen Jazz-Clubbesitzer, dessen Entourage und deren alltägliche Verwicklungen zu begleiten, vollkommen aufgeht. Damien Chazelle hat nach La La Land erneut ein einmaliges Erlebnis geliefert. [Trailer]
– Platz 7: Das Damengambit –
von Scott Frank, mit Anya Taylor-Joy und Harry Melling
Wenn plötzlich viele nur noch von Schach sprechen, auch wenn er/sie mit dem kompliziertesten Brettspiel bisher rein gar nichts am Hut hatte, dann ist das Scott Franks Netflix-exklusiver Produktion Das Damengambit zu verdanken bzw. zu verschulden (je nachdem, wie man es sieht). Auch ich hatte niemals erwartet (gerade weil ich sehr gerne Schach spiele), dass mich Das Damengambit so sehr in seinen Bann ziehen würde. Bisher gab es nicht einen besonderen Film über das königliche Spiel und nun sollte ausgerechnet ein 393-minütiges Schachdrama in dieser Hinsicht bei mir für Begeisterung sorgen? Die überraschende Antwort: Das Damengambit ist in sämtlicher Hinsicht eine herausragende Produktion; kurzweilig, intelligent und fantastisch gespielt (Anya Taylor-Joy zeigt für mich die schauspielerische Darbietung des Jahres). Und dann ist da noch dieses phänomenale Set Design, an dem ich mich nicht satt sehen konnte – auch nicht bei der Zweitsichtung. Ich kann nur sagen: Wenn du schon mal überlegt hattest, diese Schachshow anzuschauen, tu es einfach. Und wenn du noch nicht darüber nachgedacht hast und du der Überzeugung bist, dass Schach langweilig sei, tu es ebenfalls. Du wirst nicht enttäuscht sein! [Trailer]
– Platz 6: Shirkers –
von Sandi Tan
Regisseurin Sandi Tan erzählt in Shirkers vom Gefühl, wenn dir etwas weggenommen wird, in das du jahrelang intensiv Zeit, Geld und vor allem Anstrengung und Leidenschaft investiert hast. Sandi Tan verknüpft gekonnt die Erinnerungen an den Dreh ihres Films Shirkers im Jahr 1992, den sie damals in Singapur mit der Unterstützung eines Regisseurs gedreht hat, der dann jedoch mit dem Filmmaterial spurlos verschwunden ist. 20 Jahre später kam Sandi Tan schließlich doch wieder in den Besitz ihres unfertigen Films und mit dieser Dokumentation verarbeitete sind nun die diversen Emotionen und Gefühle, welche mit dem Wiederauftauchen des verschwunden geglaubten Filmmaterials auf sie eingeschlagen sind. Zwischen Vergangenem und Gegenwart hat die in Singapur Gebürtige eine träumerische Liebeserklärung an die Kraft und die Möglichkeiten des Kinos geschaffen und gleichzeitig doch noch ihren Film fertig gestellt, der uns das 90er Jahre Singapur erfahrbar macht. Ein kleiner Geniestreich. [Trailer]
– Platz 5: I´m Thinking of Ending Things –
von Charlie Kaufman, mit Jessie Buckley und Toni Collette
Dass es ein solch spezieller Film wie I’m Thinking Of Ending Things ausgerechnet auf Netflix geschafft hat, gleicht einem kleinen Wunder. Charlie Kaufman (Synecdoche, New York) spielt, wie kein anderer Filmemacher, der bisher einen Film für Netflix gedreht hat, auf vollkommen lyncheske Weise mit den Grenzen des Kinos, am ehesten ist das alles noch mit Yorgos Lanthimos’ The Lobster (2015) vergleichbar: In beiden Filmen geht es um dysfunktionale Beziehungen, beide sind teilweise zum Schreien komisch und gleichzeitig komplett gaga. In beiden Filmen geht es mehr darum zu beobachten, was der Film in einem selbst bewegt, mit Interpretationen kommt der Zuschauer nicht weit. Es gibt kaum Worte, um dieses Erlebnis zu beschreiben. Es ist furchterregend und verdammt verrückt und im selben Moment immer noch magisch und wunderschön anzusehen. Viele werden mit I’m Thinking Of Endings Things nichts anfangen können, ich jedoch schätze jede einzelne Sekunde, von der anfangs skurrilen 30-minütigen Autofahrt bis zur träumerischen Tanzeinlage in den Gängen einer Schule. Charlie Kaufman ist der einzig wahre Mindfuck der letzten Jahre gelungen, vergesst Tenet! [Trailer]
– Platz 4: Divines –
von Houda Benyamina, mit Oulaya Amamra und Déborah Lukumuena
Divines war 2016 eine der filmischen Überraschungen schlechthin. Der damalige Gewinner der Caméra d’Or in Cannes erzählt die aufrüttelnde Geschichte zweier Mädchen, die einfach nur davon träumen, aus ihrem Elendsleben in den Pariser Vorstädten auszubrechen – aber auch vom großen finanziellen Wurf: „Money. Money. Money.“ Regisseurin Uda Benyamina ist mit ihrem Debütfilm ein einerseits lebensnahes Gesellschaftsporträt gelungen, welches gekonnt das komplexe Lebensgefüge – geprägt durch traditionelle Werte, Armut, Chancenlosigkeit – der Pariser Vorstädte schildert. Auf der anderen Seite ist Divines ein Feuerwerk an Emotionen, welches nicht an großen erzählerischen Gesten spart, die wir sonst zumeist nur aus großen Hollywood-Produktionen kennen. Sentimental, aber lebensnah. Poetisch und originell. So humorvoll wie tragisch. Divines ist großes, relevantes, humanistisches Kino und in seiner Eleganz einer der absolut bewundernswertesten Filme der vergangenen Jahre. [Trailer]
– Platz 3: Marriage Story –
von Noah Baumbach, mit Scarlett Johansson und Adam Driver
Mitreißend, lebensnah, relevant: Der US-amerikanische Autorenregisseur Noah Baumbach, dem wir u.a. auch Mistress America verdanken, hat mit Marriage Story eine absolut herausragende Tragikomödie gedreht, welche mitten aus dem Leben des Künstlerpaares Charlie (Adam Driver) und Nicole (Scarlett Johannson) erzählt, die seit vielen Jahren scheinbar glücklich miteinander verheiratet sind, einen Sohn haben und in der New Yorker Theaterlandschaft, Charlie als Regisseur und Nicole als Schauspielerin, bekannt sind. Noah Baumbach ist mit Marriage Story, auch dank seines absolut hervorragenden Darstellergespanns (ebenfalls Ray Liotta und Laura Dern), eine ebenso ernsthafte (manchmal zum Brüllen komische) wie auch ergreifende Darstellung einer gescheiterten Ehe gelungen. Mehr dazu in meiner Kritik.
– Platz 2: The Irishman –
von Martin Scorsese, mit Robert De Niro und Joe Pesci
3 Stunden und 29 Minuten pure filmische wie schauspielerische Eleganz. Martin Scorseses Sinnieren über die eigene Filmografie und über die amerikanische Geschichte ist in The Irishman schlichtweg in allen Belangen ebenso meisterhaft wie kurzweilig. Für mich ist dies dabei aufgrund von Scorseses ganz persönlicher Note sogar sein bester Film seit Goodfellas (1990), ein bemerkenswertes Fresko des Kinos, der komplexen wirtschaftspolitischen Zusammenhänge, der Freundschaft und Loyalität, der US-amerikanischen Kultur, kurz: Der Geschichte eines Landes und des Lebens. Als nächstes folgt nun, das erste Mal in Scorseses Karriere, ein Western: Killers of the Flower Moon mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass Scorsese, der spätestens seit Silence nur noch sich selbst am übertreffen ist, den nächsten Geniestreich abliefern wird. [Trailer]
– Platz 1: Roma –
von Alfonso Cuarón, mit Yalitza Aparicio und Marina de Tavira
Ein Sofortklassiker… und etwas Besseres, als die Vermarktung über die Streaming-Plattform Netflix, hätte Alfonso Cuaróns Familiendrama wohl nicht passieren können. Roma ist in jeder Einstellung und in jedem Detail ein zeitloses, modernes Meisterwerk, welches das Mexiko der 70er Jahre spektakulär wiederaufleben lässt und dank Netflix sowohl auf der großen Leinwand, als auch einem größerem Publikum gezeigt werden konnte. Mehr dazu in meiner Kritik. Roma ist, eine Ausnahme unter den Netflix-Filmen, und in Deutschland auch auf Blu-ray erhältlich.