Zum Kinostart von Cyrano – Die besten Filme von Joe Wright

Keira Knightley und Joe Wright, Star und Regisseur von Anna Karenina (© Jay L. Clendenin / Los Angeles Times)

Zugegeben: Joe Wright hat mich mit seinen letzten drei Regiearbeiten leider vollkommen enttäuscht. Pan (2015) war ein komplettes Desaster, welches die Handschrift des britischen Regisseurs fast vollkommen vermissen ließ und viel zu sehr zu einem standardisierten Hollywood-Spektakel verkommen ist. Das  durchschnittliche historische Drama Darkest Hour (2017) bot vor allem einen hervorragenden Gary Oldman als Winston Churchill, wofür er den Oscar als bester Schauspieler gewann. Jedoch konnte er nicht die ziemlich dröge Inszenierung und das durchschnittliche Drehbuch hinwegspielen. Das Ergebnis: Ein typisches 0815-Biopic, welches über den Gehalt eines Wikipedia-Artikels leider nicht hinausging. Und über Joe Wrights Netflix-Produktion The Woman in the Window (2021) gibt es auch nicht viel Positives zu sagen.

Joe Wrights neunter Film Cyrano startet nun heute deutschlandweit in den Kinos. Ja genau, es handelt sich um eine Neuverfilmung von Edmond Rostands “Cyrano de Bergerac” mit Game of Thrones-Star Peter Dinklage als titelgebender Held. Das Theaterstück wurde bereits 1990 als prachtvolles Epos mit Gérard Depardieu in der Hauptrolle verfilmt. Zu Joe Wrights besten Arbeiten zählt aber auch diese Musical-Verfilmung nicht, ganz im Gegenteil, es ist ein filmisches Debakel, welchem ich nicht einmal mehr Worte widmen möchte, als nötig.

Zeit also, in die Vergangenheit zurückzuschauen, immerhin hat der britische Regisseur bereits mehrmals bewiesen, dass er außergewöhnliche Filme inszenieren kann, was seiner Arbeit bisher 17 Oscar-Nominierungen (davon drei Auszeichnungen) einbrachte. Bevor ihr euch also Cyrano im Kino antut, empfehle ich euch lieber folgende vier seiner bisher acht Regiearbeiten anzuschauen – diese kann ich wirklich jedem Filmfan bedenkenlos ans Herz legen.

– Stolz und Vorurteil (2005) – 

Stolz_und_Vorurteil_2005

Die erste unvergessliche Zusammenarbeit von Keira Knightley und Joe Wright ist, wie auch ihre weiteren gemeinsamen Filme, gleichzeitig eine wunderbare Liebes- und eine Geschichtserzählung. Stolz und Vorurteil ist ein phänomenal inszeniertes Gesellschaftsporträt, welches sich, basierend auf Jane Austens gleichnamigem Roman, mit dem Leben der Frauen im 18. Jahrhundert auseinandersetzt. Das damalige Lebensziel der Frauen war es in die richtige Familie vermählt zu werden. Dabei spielten Reichtum, Anstand und Sitte eine gehörige Rolle. Elizabeth Bennet (Keira Knightley) wächst in solch einer Gesellschaft an der Seite ihrer vier Schwestern auf. Jedoch ist sie dem damaligen Glauben und den gesellschaftlichen Erwartungen einen Schritt voraus. Sie glaubt an die wahre Liebe und möchte sich nicht in ein soziales Korsett zwängen lassen. Joe Wright deutete mit seinem Debütfilm sein ernormes Talent nicht nur an, sondern drehte ein in fast allen Belangen herausragendes Historiendrama, welches wunderschön bebildert ist und von traumhafter Musik begleitet wird (dies war auch Wrights erste Zusammenarbeit mit Komponist Dario Marianelli). [Trailer]

– Abbitte (2007) – 

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Die junge Briony Tallis (Saoirse Ronan) scheint ihre Berufung gefunden zu haben. Ihr erstes eigenes Theaterstück ist vollendet und sie fiebert der Premiere entgegen. Doch die Proben gestalten sich schwierig, weil ihre Cousine Lola Quincey und deren Brüder lieber das sommerliche Wetter genießen wollen. Zu ihrer Enttäuschung muss sie nun auch noch feststellen, dass ihre ältere Schwester Cecilia (Keira Knightley) im Unterkleid aus dem Brunnen im Garten steigt, während Robbie Turner (James McAvoy), der Sohn der Haushälterin, sie dabei mit seinen Blicken auszieht. Entsetzt fragt sie sich aus der Ferne, was vorgefallen sein mag. Doch das bleibt nicht der einzige für Briony sonderbare Moment – sie erwischt die beiden in der Bibliothek. Und dann kommt jemand Lola zu nahe und Briony ist sich sofort sicher, den Täter identifiziert zu haben. Ihre naive Reaktion hat fatale Konsequenzen für das Leben von Cecilia und Robbie. Im Vergleich zu Abbitte wirkt Stolz und Vorurteil dann doch schon fast wie ein Debütfilm. Wieder mit Keira Knightley und neu mit James Franco vor der Kamera, ist Abbitte nicht nur schauspielerisch ein durch und durch bewegendes Highlight geworden. Hier stimmt einfach das ganze Paket, darunter eine der am beeindruckensten inszenierten Szenen der Filmgeschichte, welche in nur einem Take die Hoffnunglosigkeit im Angesicht des Krieges einfängt. [Trailer]

– Wer ist Hanna? (2011) – 

Wer-ist-Hanna-Saoirse-Ronan

Nach Abbitte folgte 2009 erst einmal der durchschnittliche Der Solist, doch wiederum zwei Jahre später probierte sich Joe Wright an einem ganz anderen Genre aus. Statt eines weiteren opulenten Kostümdramas folgte 2011 ein Actionfilm im Arthouse-Gewand, in dem verstörend-märchenhafte Aufnahmen der Weltstadt Berlin auf den treibenden Soundtrack der Chemical Brothers treffen, all das perfekt mit Joe Wrights Bilderwelt präsentiert. Getoppt wird dieses perfekte Zusammenspiel von Bild und Ton dabei nur noch durch die schauspielerische Leistung von Saoirse Ronan (zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt aus Abbitte), die die Rolle der emotionskalten, jungen Killerin Hanna wie keine Zweite verkörpert. Das Resultat ist ein ungewöhnlich erzählter Action-Thriller mit Coming-of-Age-Elementen. Was kann es Schöneres geben, als wenn ein Genre so frisch, verspielt und unverbraucht daher kommt wie hier? [Trailer]

– Anna Karenina (2012) – 

Anna-Karenina-2012

Die Erwartungen des Zuschauers zu bedienen ist einfach. Joe Wright bewies mit Anna Karenina jedoch Mut und machte es sich nur ein Jahr nach Wer ist Hanna? ein weiteres Mal zur Aufgabe, etwas Unerwartetes, etwas Neuartiges zu bieten. Obwohl oder gerade weil er sich dabei wieder einmal dem Kostümfilm widmete. Seine filmische Vision von Leo Tolstois gleichnamigem Romanklassiker ist eine gleichsam verspielte wie emotionslose Abrechnung mit der Liebe und anderen sozialen Beziehungen. Gekonnt zieht Joe Wright dabei die Fäden zwischen Theater, Kino und Wirklichkeit, zwischen Tradition und Moderne, zwischen gesellschaftlichem Zwang und freiem Entscheidungswillen. Opulent ist dabei nicht nur die Inszenierung, sondern auch das Schauspiel, allen voran die erneut hervorragende Leistung von Keira Knightley, die in der Rolle der Anna aufblüht wie es keine zweite Schauspielerin hätte tun können. Und am Ende dreht sich alles vor allem um eine Frage: Ist unser eigenes Leben nicht auch ein Theater, in dem jeder versucht seiner Rolle gerecht zu werden? Und wie würden wir handeln, sobald wir den Erwartungen der anderen nicht mehr gerecht werden? Begleitet wird das ganze Geschehen wieder von einem musikalischen Geniestreich aus der Feder Dario Marianellis. Nach mehrfacher Sichtung ist Anna Karenina für mich der bis heute unterschätzteste, reifste, formvollendetste Film von Joe Wright. Hier geht es zu meiner ausfûhrlichen Kritik. [Trailer]

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