Autor: Pascal Reis
“I am not going to die for you.”
Was wäre ein echter, in seinem impulsiven Habitus und vitalem (oder cholerischem) Naturell klar dem Eskapismus zugeordneter Kino-Held aus nostalgischen Tagen schon ohne sein ikonisches Vehikel? Ob es der DeLorean DMC-12 aus Zurück in die Zukunft, der legendäre Pontiac Firebird Trans-Am von Burt Reynolds in Ein ausgekochtes Schlitzohr, Steve McQueens grüner Ford Mustang GT390 aus Bullitt oder Sylvester Stallones 1950er Ford Mercury aus der reaktionären Action-Sause Die City-Cobra ist Sie alle fungieren als verboten cooles Statussymbol und komplettieren den jeweiligen Charakter im Namen der motorisierten Äquivalenz. Möchte man nun einen Schauspieler des Kalibers von Ethan Hawke in die Reihe der schlagfertigen Heroen manövrieren, dessen Stärken nun eher in introvertierten Charakteren, als in egomanischen Draufgängern liegen, so wirkt dies nicht nur auf dem Papier äußerst befremdlich, wie Courtney Solomons Car-Action-Thriller Getaway nun einwandfrei verifizieren darf.
Brent Magna (Ethan Hawke) ist hinter dem Steuer nahezu unschlagbar, verdiente er seine Moneten damals schließlich nicht umsonst als tadelloser Rennfahrer. Als sich aber auch die kriminellen Seiten immer dominanter in das Leben von Brent schlichten, musste er zwangsläufig die Notbremse ziehen und sich von diesem unmoralisch anmutenden Dasein distanzieren. Nun versucht er das Leben mit seiner geliebten Frau in Sofia neu zu ordnen und gleichwohl in rechte Bahnen zu wiegen. Als Brent jedoch eines Tages seine Wohnung verwüstet vorfindet und seine Frau spurlos verschwunden ist, beginnt ein explosives Spiel auf Zeit, in dem Brent sich hinter den Lenker eines gestohlenen Edelgeschosses klemmen muss, um seine Frau zu retten.
Ethan Hawke (Training Day) gibt in Getaway also Brent Magna, einen waschechten Bleifuß der Extraklasse. Seine Motivation, eine derart unpassende Rolle anzunehmen, dürfte einzig die gewesen sein, beinahe den gesamten Film mit dem wunderschönen Ford Shelby Super Snake Mustang durch die Gegend heizen zu dürfen. Der Spaß sei ihm natürlich vergönnt, es ist nur schade für die Filmographie Hawkes, die tragischerweise durchzogen von mittelprächtigen bis unterdurchschnittlichen Produktionen ist und Hawkes Talent immer wieder für irgendeinen unbedeutenden Schmu instrumentalisieren. Getaway ist wen wundert es keine Ausnahme und außer kräftig das Gaspedal zu bedienen, hat Hawke nichts weiter zu tun. Wenn sich dann noch Disney-Püppchen Selena Gomez (Spring Breakers) als Hackerin The Kid in das Auto verirrt, kollidiert die herbe Talentlosigkeit mit der groben künstlerischen Repression Hawkes. Der Zuschauer versinkt angesichts dieses Übels in einer Menage aus peinlich-berührtem Schweigen und gnadenlos pochender Fremdscham.
Nein, ein Film wie Getaway muss noch intelligent sein, ein Film wie Getaway genießt sogar hinsichtlich Logik und konkreter Kohärenz ein gewisses Maß an Narrenfreiheit. Es zählt einzig der Unterhaltungsfaktor, da ist ein simpel gestricktes Drehbuch weder verwerflich, noch nachteilig zu betrachten. Getaway aber negiert dem Zuschauer jede Chance auf ein spaßiges Erlebnis, gelingt es den beiden Drehbuchautoren Sean Finegan und Gregg Maxwell Parken nicht einmal ansatzweise, eine brauchbare Dramaturgie in die Hetzjagd zu involvieren, die den Zuschauer wenigstens dahingehend verleitet, etwas mitzufiebern und sich für die Protagonisten zu interessieren. Courtney Solomons Inszenierung jedoch muss ohne jede Spannungskurve auskommen und beschränkt sich allein darauf, eine Verfolgungsjagd an die nächste zu klemmen, und diese im Laufe des Films so lächerlich austauschbar zu konzipieren, dass Getaway bereits nach gut 15 Minuten auf dem narrativen Stillstand angelangt ist.
Wenn Brent und The Kid dann nach kurzen verbalen Disputen ihre Rollen in der Zweckgeschmeinschaft um Leben und Tod akzeptieren und daraus natürlich auch eine Freundschaft entstehen lassen, wird Getaway zur Schmalspurversion des Game-Franchise Grand Theft Auto: Die mysteriöse Stimme erteilt Aufträge, stellt ein Ultimatum auf und die Brent muss diese im vorgegeben Zeitfenster erfüllen, was natürlich wenig überraschend – ausnahmslos gelingt. Das letzten Endes 130 Karren bei den Dreharbeiten von Getaway zerstört wurden und ohne Umwege auf den Autofriedhof geliefert werden mussten, klingt nur im ersten Moment beeindruckend; im Endeffekt ist dieses Ausmaß und die damit verbundenen Kollateralschäden im Film zwar erkennbar, aber so furchtbar uninteressant konzipiert, eben weil jede Szene exakt als Schablone für die nächste Szene dient. Wer das Konzept und die düsteren Mechanismen hinter der ganzen Raserei noch als perfide empfindet, dem sind die Kraft und die wahren Möglichkeiten des Kinos vollkommen fremd.
Fazit: Peinlich, nervötend und gesegnet mit einer strunzdoofen Handlung, deren Drehbuch sich dann letztlich als bloße Behauptung zu erkennen gibt. Das ist Courtney Solomons Getaway. Ethan Hawke verkauft sich wiedermal unter Wert, Selena Gomez könnte deplatzierter nicht sein und die Suche nach einem dramaturgischem Mehrwert respektive einer Spannungskurve endet ausnahmslos unglücklich. Am Ende gilt dann wohl, dieses in allen Belangen grauenhafte Machwerk einfach komplett zu ignorieren und strickt darauf zu bestehen, es würde nur ein Getaway, nämlich das aus dem Jahre 1972, geben. Damit ist man ohne Frage am besten beraten.