Kritik: Die Spur des Falken (USA 1941)

Eine Gastkritik von Marc Trappendreher

Die Spur des Falken Film 1941

A story as explosive as his blazing automatics!

Das amerikanische Kino hat in den Vierzigerjahren eine einflussreiche Filmtendenz ausgebildet, die weitreichende Auswirkungen noch bis heute auf die internationale Filmsprache hat: Die Rede ist vom Film noir. Nahezu alle Filme dieser Bewegung sind genretechnisch gesehen Kriminalfilme, die vom Überleben in einer korrupten Welt erzählen, eine Filmströmung, die als Allegorie der conditio humana in der Kriegs- und Nachkriegszeit steht, den Pessimismus der Vierzigerjahre widerspiegelnd. Die elementare Grundlegung in Form und Inhalt dieser Strömung ist Die Spur des Falken von Regisseur John Huston aus dem Jahr 1941.

Sam Spade (Humphrey Bogart) ist ein Privatdetektiv, zusammen mit seinem Kollegen Archer führt er ein Büro in San Francisco. Es ist eine mysteriöse Frau (Mary Astor), die sich als Ruth Wonderly vorstellt und den Ermittler vom Verschwinden ihrer Schwester berichtet. Sie sei mit einem gefährlichen Mann namens Thursby durchgebrannt und halte sich in San Francisco auf. Sie bittet um eine rasche Aufklärung des Falles, doch bereits die ersten Beschattungsversuche setzen unversehens eine Mordserie in Gang, die auch um ein wertvolles Artefakt, den sogenannten Malteser Falken, kreist…

Basierend auf dem gleichnamigen hard-boiled-Kriminalroman aus der Feder von Dashiell Hammett, inszeniert Regisseur John Huston diesen Film als ein Verwirrspiel aus Intrigen, falscher Identität, Betrug, doppeltem Spiel und flüchtigen Allianzen. Damit ist in der Kriminalfiktion ein Zustand ausgedrückt, der in seinem Kern das Lebensgefühl der Kriegs- und Nachkriegszeit wiedergibt – ein tiefgreifendes Gefühl der Verunsicherung als Zeichen der weltpolitischen Instabilität, die im Helden selbst seinen Ausdruck findet: Mit Die Spur des Falken war in der „hartgesottenen“ (hard-boiled) Tradition ein neuer, gebrochener Detektiv auf die Leinwand gebracht worden. Die Protagonisten des Film noir sind deutliche Abwendungen von bis dahin bekannten Figuren der Kriminalliteratur, man denke an Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes oder noch Agatha Christies Miss Marple.

Der Stoff aus dem die Träume sind

Nicht so sehr ist es nun der scharfe Verstand und die höhere Auffassungsgabe des Detektivs, die dessen Überlegenheit ausmacht, sondern vielmehr dessen Hartnäckigkeit im Angesicht der Gefahr, dessen Unerschrockenheit oder letztlich nur pures Glück. Tatsächlich ist Spade kein souverän agierender Protagonist, vielmehr wird er in diese sehr verworrene und komplexe Geschichte hineingeworfen. Sam Spade oder später noch Philip Marlowe in Tote schlafen fest (1944) in der Verkörperung durch Humphrey Bogart verleihen dem zweifelhaften Helden dieser Filme in der Folge ein äußerst harsches Erscheinungsbild. Spade hat ein ganz loses Mundwerk, eine mitunter derbe Sprache und er lässt den schroffen Worten auch Faustschläge folgen. Bogarts markante und scharfe Gesichtszüge oder noch seine hagere Statur entsprechen nicht dem klassischen Starimage aus schöner und glanzvoller Strahlkraft. Die zwielichtige, lügnerische und manipulierende Frauenfigur als femme fatale, die von Mary Astor mit einer Mischung aus Unschuld und zwielichtiger Verführung gespielt wird, spiegelt eine damals sich neu abzeichnende Unsicherheit vor Geschlechterrollen, die im Wandel begriffen sind.

In einer feministischen Lesart steht die Frau, die sich mehrere Männer gefügig macht, auch für die Verkörperung männlicher Angstphantasmen; sie versinnbildlicht gleichsam die Angst der Männer, dass ihre Frauen sie während des Zweiten Weltkriegs betrogen haben könnten. Der Falke selbst, eine wertvolle Statue, ist zum einen der MacGuffin, der die Handlung antreibt, zum anderen aber ist er Hammetts Metapher für die Flüchtigkeit in der Suche nach Reichtum. Er ist das Objekt der Begierde, er füttert die Gier der Figuren – er ist, wie Spade am Ende in dem berühmt gewordenen Zitat meint: „Der Stoff aus dem die Träume sind“.

Gemeinhin gilt Die Spur des Falken aber als Auftaktfilm des Film noir im amerikanischen Kino – ein Begriff, der im Übrigen aus der französischen filmkritischen Rezeption stammt – nicht zuletzt, weil er mit einer sehr effektvollen Formensprache aus Licht und Schatten ein Gefühl der Ambivalenz heraufbeschwört, die Ausdruck eines Realitätsverlustes ist in einer Welt, die aus den Fugen ist. Dafür nutzt Huston extreme Kamerapositionen und schräge Winkel, mehr aber noch entwickelt er mit seinem Kameramann Arthur Edeson ein Zusammenspiel von Hell- und Dunkelkontrasten: Oft werden die Gesichter nur von unten aufgehellt, um den Figuren eine bedrohlichere Wirkung zu verleihen.

In der Folge dann wurde ausgehend von Die Spur des Falken hin zu weiteren Film noirs späterer Phasen ein Epochenstil aus Schwärze ausgebildet, der zunehmend das Fülllicht ganz ausspart, so dass ganze Gesichtspartien oder sogar ganze Orte fast nicht mehr zu erkennen sind. Man spricht in diesem Zusammenhang vom low key-Stil. Die punktuelle Lichtsetzung durch präzise Lichtquellen im Bild, wie Zigaretten oder Lampen ohne Schirm, ergibt die scharfen, harten Kontraste, die noch bis heute mit den Tendenzen des Neo-noir wirken.

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