Kritik: Beale Street (USA 2018)

© DCM Filmverleih

Wie auch schon Moonlight ist Barry Jenkins’ neues Werk Beale Street ein Film, der vollkommen den Befindlichkeiten seiner Figuren verschrieben ist. Bereits mit seinem Oscar-Gewinner als Bester Film bewies Jenkins 2016 zuvor, dass er ein begnadeter Regisseur der schwebenden Melodramatik und geradezu bestürzenden Intimität ist. Als Konstante erweist sich hierbei ebenso in Beale Street, der auf einem Roman des bedeutenden afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin basiert, das Motiv der Liebe, die in der Geschichte des Films über allem thront. Von Anfang an entfaltet sich Beale Street in Bildern von besonders stilisierter Schönheit als von intimen Momentaufnahmen durchzogenes Leinwand-Poem, in dem die Zeit zwischen den schier endlos eingefangenen Blicken und zärtlichen Berührungen wie still zu stehen scheint.

Szenen wie diese, in denen die Gesichter der Figuren in Close-ups direkt in die Kamera blicken oder immer wieder einander suchen und finden, gibt es im gegenwärtigen Kino kaum in solch einer hingebungsvoll ausgekosteten Form wie in den Filmen von Jenkins, der sich auch in seinem dritten Spielfilm allem voran als Beobachter knisternder und schließlich endgültig implodierender Gefühlswelten verschreibt. Wenn Tish und Fonny zum ersten Mal miteinander schlafen, sind ihre langsamen Bewegungen, in denen sich zaghafte Unsicherheit und leidenschaftliche Hingabe abwechseln, für den Filmemacher bei seiner Inszenierung ebenso von eindringlicher Bedeutung wie das unaufhörliche Prasseln des Regens von außerhalb der Wohnung. Erst gemeinsam finden die Bewegungen der beiden Figuren und die Bewegung des Regens zu einem Einklang der betörenden Intimität.

Auch wenn Beale Street weniger radikal in seiner nahezu lyrischen audiovisuellen Poesie ausfällt, ist die Unterteilung in zwei Zeitebenen erneut der entscheidende Zugang in das pochende Herz des Films. Ein Film, der die jahrelange Verbundenheit zwischen Trish und Fonny, die schon von Kindesbeinen an beste Freunde waren und ihre Liebe zueinander erst später entdeckten, über Momente sichtbar und vor allem fühlbar werden lässt, in denen sich das Vergangene wie ein strahlender Schleier über die manchmal hoffnungslos erscheinende Gegenwart legt. Eine Gegenwart, in der die Glasscheibe zwischen zwei sich Liebenden nur dann durchbrochen werden kann, wenn die verblassende Vergangenheit auf unerschütterliche Weise präsent bleibt.

Der einzige Punkt, den man Barry Jenkins’ Beale Street zur Last legen kann, ist, dass er seine Charaktere so sehr in sein Herz geschlossen hat, dass er fast nicht in der Lage ist, sie auch mal ins Messer laufen zu lassen. Er bettet sie, anstatt sie aufprallen zu lassen. Was aber auch nicht ganz richtig ist, erweist sich die Adaption des James Baldwin Stoffes doch auch als betrübende Geschichte über die Machtlosigkeit im Angesicht institutioneller Unterdrückung. Beale Street ist eine zutiefst empathische, zartfühlende und immer wieder dem Theaterhaften verfallende Ode an die alle Barrieren überwindende Kraft der puren, unverstellten Liebe. Ungemein berührend, sicherlich einer der schönsten Filme des Jahres. Wunderbar.

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