Kritik: The Shape of Water (USA, 2017)

© Twentieth Century Fox of Germany GmbH

If I spoke about it – if I did – what would I tell you? I wonder. […] Would I tell you about her? The princess without voice. Or perhaps I would just warn you, about the truth of these facts. And the tale of love and loss. And the monster, who tried to destroy it all.

Worauf ich mich jedes Jahr eigentlich mehr als die Oscar-Preisverleihung freue, sind die mit den Werbekampagnen einhergehenden Gespräche und Podiumsdiskussionen der verschiedenen Zeitschriften und Gewerkschaften. So taucht beispielsweise jedes Jahr eine monströse 3-Stunden-Interviewrunde der Director’s Guild of America in meinem YouTube Feed auf. Neben Christopher Nolan (Dunkirk), Greta Gerwig (Lady Bird), Jordan Peele (Get Out) und Martin McDonagh (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) sitzt in diesem Jahr auch Guillermo Del Toro (The Shape of Water) auf der Bühne, der dort neben allerlei Weisheiten zum Filmemachen auch von der Einschätzung seines Regie-Mentoren Felipe Cazals über seine jüngste Arbeit, „Shape of Water“, erzählt: „you’ve been holding your breath for nine movies, and you’ve finally exhaled“, teilte ihm dieser wohl nach einer Vorführung mit. Del Toro scheint mit diesem etwas kryptischen Resümee zufrieden zu sein, so wie er insgesamt – nicht nur während dieser Podiumsdiskussion – mit dem Film als eine Art Krönung seiner 25-jährigen Karriere zufrieden zu sein scheint. Doch was bedeutet es, wenn Del Toro nach 9 Filmen endlich ausatmet? Sicherlich hatte er bei The Shape of Water mit einem vergleichsweise kleinen Produktionsbudget ($19,5 Mil., verglichen z.B. mit den $190 Mil. für Pacific Rim) und einem R-Rating (hierzulande FSK 16) im Kampf mit dem Studio größere kreative Kontrolle über das finale Produkt, als es zuletzt bei seinen anderen Hollywood-Projekten der Fall war. Man könnte zudem argumentieren, dass sich Del Toro bei dem Stoff mit dem Design eines Wassermonsters, quer gestreuten Filmreferenzen, einem fantastischen Setting vor historischem Hintergrund und Szenen blutiger Gewalt endlich wieder `austoben´ konnte. Ich würde jedoch viel lieber bei einer genaueren Betrachtung dieser Idee des `Ausatmens´ bleiben – schon an sich ironisch bei einem Film, in dem es um Wasser und dem Atmen/ Nicht-Atmen unter Wasser geht –, um diese in der größeren thematischen Gestaltung des Films festzumachen.

The Shape of Water spielt in Baltimore im Jahr 1962, mitten während dem Kalten Krieg. In einem streng geheimen Hochsicherheitslabor arbeitet die US-Regierung dort an einem Durchbruch im `Space Race´ Wettstreit mit der Sowjetunion. Zufällig findet die stumme Putzkraft Elisa (Sally Hawkins) mehr über das neueste Projekt des Wissenschaftlers Dr. Hoffstetler (Michael Stuhlbarg) heraus: In einem großen Wasserbecken hält dieser eine mysteriöse Kreatur aus dem Amazonas, von der sie sich einen wissenschaftlichen Durchbruch erhoffen. Trotz der Einwände ihrer besten Freundin und Kollegin Zelda (Octavia Spencer), schleicht sich Elisa immer öfter in das Labor und nimmt dort Kontakt zu der Kreatur (Doug Jones) auf. Dabei stößt sie auf den bedrohlichen Sicherheitschef Strickland (Michael Shannon), der die Kreatur brutal misshandelt und dessen Leben bedroht. Das will Elisa nicht länger dulden; zusammen mit Zelda und ihrem Nachbarn Giles (Richard Jenkins) will sie ihrem neuen Freund zur Flucht verhelfen.

Neben den offensichtlichen Parallelen zu seinen früheren Filmen (jaja, der Amphibienmensch sieht aus wie Abe Sapien…) findet Del Toro in der Handlung zu The Shape of Water einen effektiven Ausdruck für alle seine größten Lieblingsthemen: das Misstrauen in autoritäre Institutionen, unterdrückte (stumme) Außenseiterfiguren und die Flucht dieser Figuren in eine andere, fantastische Welt. Dieses Geflecht findet sich zwar in so ziemlich allen seiner Filme wieder, doch konnte Del Toro es wohl zuletzt in Pan’s Labyrinth wirklich nahtlos mit dem Material verknüpfen, ohne dass es wie ein moralisierender Eingriff (wie es stellenweise in seinen Hellboy Filmen zu spüren ist) erscheint. Zusammen mit Co-Drehbuchautorin Vanessa Taylor (Wie beim ersten Mal) schafft Del Toro mit seinem jüngsten Versuch einen Ansatz, der Unterdrücker und Unterdrückte in einer Rahmenhandlung etabliert, die sowohl historisch als auch zeitgenössische Relevanz mit sich bringt und dabei nur ein wenig konstruiert wirkt. Ausschlaggebend hierbei ist die Freundschaft zwischen der stummen Elisa und ihrem schwulen Nachbarn Giles. Beide leben in einer Zwischenwelt – in zwei verfallenen Appartements über einem ausgestorbenen, alten Kino, scheinbar ohne weitere Nachbarn – als marginalisierte Fremde in ihrer Zeit. Darüber hinaus verbindet sie eine Liebe für alte Hollywood Klassiker, die quasi auf Endlosschleife auf Giles‘ Fernseher und im fast immer leeren Kinosaal unter ihren Füßen gespielt wird. Doch während Giles, erfolglos in seinem Beruf als Künstler und in seinen Kontaktversuchen zu seinem Schwarm, sich vollends in seine heile Hollywood-Welt zurückziehen möchte, versucht Elisa die traumhafte Hollywood-Welt durch die Rettung ihres außerordentlichen Liebhabers in ihr Leben zu bringen.

Ihr gegenüber steht Strickland in der Rolle des Unterdrückers, als Personifizierung toxischer Maskulinität und der kolonialisierenden Angst vor dem `Anderen´, der die Kreatur ignorant mit Gewalt dominieren möchte und Elisa wegen ihrer passiven Stummheit fetischisiert. Del Toro kontextualisiert jedoch glücklicherweise auch dessen recht überzeichnete `Boshaftigkeit´ mit ein paar Szenen außerhalb des Labors, um seinen krankhaften Ehrgeiz als Symptom der Zeit – und eben der Missstände, die Elisa, Giles und die Kreatur unterdrücken – darzustellen. Konsequent ist es in diesem Sinne, dass Del Toro seine Handlung auf den Kampf Elisas beschränkt und nicht plötzlich die ganze Welt im Schatten des Kalten Krieges auf dem Spiel steht. Ähnlich wie in Pan’s Labyrinth scheint das Schicksal von Elisa und ihren Freunden nur eine Erzählung unter vielen zu sein, ein unbekanntes Märchen, welches sich offensichtlich als konstruierte Erzählung ohne Wahrheitsanspruch präsentiert. Denn was bleibt Elisa und ihrem Amphibienmann bei der schieren Unüberwindbarkeit aller Missstände der dargestellten Welt schon übrig, außer der Fantasie und dem Traum von einer besseren Welt zu verfallen.

Das `Ausatmen´ Cazals‘ bezieht sich vielleicht darauf, dass Del Toro hier durch und durch zu dieser Gespaltenheit zwischen brutaler Realität und behütender Fantasie steht. Mit The Shape of Water zelebriert er mit all seinen gewohnten Tricks und inszenatorischen Vorlieben die Macht des Films, die Auswege zu öffnen und eine düstere, aussichtslose Geschichte mit wenigen Schnitten und einem netten Voice-Over die Story doch noch zu einem Happy End zu führen.

The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers startet am 25.01.2017 in den deutschen Kinos

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