“I was a ghost. I didn’t see anyone. No one saw me. I was the barber.”
‘The Man Who Wasn’t There’ ist wahrscheinlich der ungewöhnlichste Film der Coen Brüder. Ohne ihren typischen Humor erzählt der Film komplett in schwarz-weißen Tönen die Geschichte eines Friseurs, der seinem öden Leben einen Sinn geben möchte.
Das Besondere daran ist die stille und alltägliche Erzählweise. Sie ist gesellschaftskritisch, setzt sich mit den Abgründen der menschlichen Existenz auseinander und hat zudem einige herausragende Wendungen und Interpretationsmöglichkeiten zu bieten.
Wir alle versuchen unserem Leben einen Sinn zu verleihen. Die Gebrüder gehen jedoch der Frage auf den Grund, ob wir wirklich zwanghaft unser Leben ändern sollten. Ist unser Leben nicht doch eher an Schicksal und Glück und das zufällige Kollidieren vieler Ereignisse gebunden? Unheimlich präzise, aber sehr minimalistisch, bis ins kleinste Detail inszeniert, schuf das Dream Team Joel, Ethan, Roger und Carter einen Film-Noir, der neue Grenzen setzte. Der Protagonist ist kein Ganove oder Polizist, sondern ein einfacher Bürger, der “nur die Haare schneidet”. Billy Bob Thornton spielt diese Rolle sehr gekonnt, gleichermaßen zurückgezogen wie packend. Das Einsetzen seiner Stimme aus dem Off ist für einen Film-Noir einzigartig, ein Genie-Streich.
Sehr atmosphärisch, reich an Dialogen, einerseits klassisch, andererseits jedoch komplett neue Perspektiven eröffnend. Mit ‘The Man Who Wasn’t There’ ist ein überragendes Schattenspiel der Gefühle, ein Kunstwerk zwischen Beethoven, Godards ‘Elf Uhr Nachts’ und typisch coenscher Raffinesse gelungen, welches den Ausbruch aus der bürgerlichen Tristesse schildert. Der Zuschauer bekommt ein Drama über die menschliche Depression geboten, welches so einmalig ist, wie es nur sein kann.
Gingen die Brüder in ‘The Big Lebowski’ noch der Frage “What makes a man?” nach, so muss sich hier der Protagonist mit der Frage “What kind of man are you?” auseinandersetzen. Dass ich dabei das Jenseits so schön und zugleich erschreckend wie niemals zuvor erleben durfte, ist nur eines vieler Argumente, welche mal wieder für die Brüder sprechen.
Bewertung: 10/10 Sternen