Kritik: Deadpool 2 (USA 2018)

You’re sure you’re not from the DC universe?

Mit dreister (Selbst-)Zerstörungswut meldet sich Deadpool, der Merc with a Mouth, im Sequel Deadpool 2 auf der Kinoleinwand zurück. Wie schon im Vorgänger versucht sich der Antiheld dabei politisch unkorrekt gegen sämtliche Zwänge des filmischen Comic-Universums zu stemmen, dem er selbst entsprungen ist. Das finale Schicksal von Wolverine aus James Mangolds depressivem Heldenabgesang Logan – The Wolverine? In der allerersten Szene dieses Sequels nicht mehr als ein beiläufiger Scherz, den die Titelfigur in Form einer makabren Spieluhr schnell abhandelt. Trotzdem scheint das ebenso düstere wie konsequente Finale aus dem letzten Kapitel von Wolverines Geschichte deutliche Spuren in Deadpool 2 hinterlassen zu haben, denn in dem von David Leitch mit recht unerkennbarer Handschrift inszenierten Film werden zu Beginn ernstere Töne angeschlagen, als man im Voraus vermuten konnte.

Neben der beißenden Ironie, die von den Drehbuchautoren Rhett Reese, Paul Wernick sowie Hauptdarsteller Ryan Reynolds wie auch schon in Teil 1 zusammen mit unzähligen popkulturellen Referenzen, Meta-Gags und spitzen Seitenhieben gegen Superhelden aus sämtlichen Lagern abgefeuert wird, zeigt die Fortsetzung im Auftakt einen gebrochenen Deadpool, der dazu bereit ist, mit allem abzuschließen. Rückblenden enthüllen nach einem gewohnt ultrabrutalen Feldzug gegen verschiedenste Verbrecher einen persönlichen Schicksalsschlag, der den Antihelden schwer getroffen zurücklässt und an den Rand des Abgrunds befördert, von dem er durch die grundlegend humorvolle, selbstparodistische Natur des Films selbstverständlich wieder weggeführt wird. Nachdem er vorübergehend in der X-Men-Villa bei Colossus unterkommt und eher unfreiwillig als Trainee im Team der Mutanten anheuert, führt ihn ein Einsatz zu dem jungen Mutanten Russell, der seine außergewöhnlichen Kräfte noch nicht unter Kontrolle hat und damit droht, ein verheerendes Chaos anzurichten.

Mit diesem Handlungsstrang haben die Verantwortlichen des Films ihr Pulver allerdings noch nicht verschossen. Neue Gefahr droht zusätzlich durch die Ankunft des Bösewichts Cable, der aus der Zukunft kommt und es offensichtlich auf Russells Leben abgesehen hat. Genaue Hintergründe über den Antagonisten bleiben im holprig erzählten ersten Drittel von Deadpool 2 jedoch genauso auf der Strecke wie die tonale Ausgeglichenheit zwischen derbem Humor und dramatischen Einschüben. Reynolds, der sich wie schon im Vorgänger mit sichtlicher Leidenschaft sowie Spielfreude in seine Figur wirft, beschrieb schon Teil 1 als Liebesgeschichte, die sich als Comic-Film maskiert hat. Der Aussage des Schauspielers und Produzenten zufolge handelt es sich bei Deadpool 2 diesmal um einen Familienfilm, der sich wieder als Comic-Film maskiert hat.

Widersprechen kann man Reynolds diesbezüglich nur schwer, denn der größte Schwachpunkt an diesem Film, der sich als Gesamtwerk im Vergleich zum Erstling wie mehr vom Gleichen anfühlt, was je nach Einstellung gegenüber Deadpool wahlweise positiv oder negativ aufgefasst werden kann, ist die Tatsache, dass sich Deadpool 2 erneut niemals vollständig seinem subversiven, anarchischen Potential hinzugeben vermag. Stattdessen offenbart die Fortsetzung gerade in ihrer erzählerischen Dramaturgie ein überaus konventionelles Handlungskonstrukt, das sich mit seinem auffälligen Bezug zu familiären Schwerpunkten auf fast schon handzahme Weise der gefälligen Struktur gängiger Mainstream-Blockbuster anbiedert. Trotz des R-Ratings, das für blutige Gewalt und Flüche am laufenden Band sorgt, ist Deadpool 2 vor allem gegen Ende ein Film, der menschliche Wärme verbreiten und unbedingt beweisen will, das in ihm auch ein mitfühlendes Herz steckt.

Zu schade, denn auch wenn diese eher gefälligen, konsensfähigen Aspekte den Streifen niemals vollständig zum Erliegen bringen, lassen einzelne Elemente der respektlosen Rücksichtslosigkeit doch immer wieder einen anderen Film erkennen, der sich hier ebenfalls versteckt hat und den üblichen Handlungsmustern regelmäßig aggressiv den Garaus macht. Wenn Deadpool und sein bester Freund Weasel beispielsweise ein Casting für Mitglieder eines neuen Superheldenteams namens X-Force für den Kampf gegen Cable durchführen und sich schließlich eine bunt gemischte Truppe an unterschiedlichsten Charakteren geformt hat, wird der erste gemeinsame Einsatz des Teams in einer unglaublich witzigen Sequenz aufgelöst, die in ihrer zynischen Radikalität den vorläufigen Höhepunkt des Films markiert. So sind es regelmäßig gelungene Gags neben wirkungslosen Rohrkrepierern und einzelne Anflüge tatsächlicher Brüche altbekannter Sehgewohnheiten, die ähnlich wie Teil 1 zumindest durchscheinen lassen, was für ein innovatives Monstrum in den Deadpool-Filmen verborgen liegt, die bislang ganz anständig brüllen, aber zu selten wirklich schmerzhaft zubeißen.

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