“Schluss mit dem Affenzirkus!”
Nimmt man mal einen gewissen Abstand zu Terry Gilliams Beiträgen, als Regisseur oder Darsteller, der Monty Python-Filme wie ‘Die Ritter der Kokosnuss’ oder ‘Das Leben des Brian’, dann erweisen sich die 80er wie 90er Jahre im Schaffen von Gilliam als äußerst ansprechend. Der Ex-Python kann wohl mit Fug und Recht von sich behaupten, dass er von allen Mitgliedern des britischen Comedytruppe den interessantesten Schritt gegangen ist. Allein sein Klassiker ‘Brazil’ aus dem Jahre 1985 zeigte der Filmwelt, zu welchen Großwerken der amerikanische Filmemacher in der Lage ist, dessen Karriere doch immer von schweren Rückschlägen gezeichnet war, man denke allein an die Dreharbeiten zum gescheiterten ‘The Man Who Killed Don Quixote’ im Jahre 2000, die in einer einzigen Katastrophe endeten. Vielleicht Schicksal? Denn gerade diesen Film wollte Gilliam als Standpunkt aufzeigen, der ihm den einmaligen Ruf wieder herstellen sollte. Dazu kamen in den 90ern noch Filme wie ‘König der Fischer’ und natürlich ‘Fear in Loathing in Las Vegas’, die zwar vielen Zuschauer nicht in den Kram passen, aber die typische Gilliam-Handschrift grandios darstellen. Heute, eben im neuen Jahrtausend, kam nichts Weltbewegendes mehr von Gilliam und Filme wie ‘Brothers Grimm’ oder D’as Kabinett des Dr. Parnassus’ werden dem einstigem Ruf natürlich nicht im Ansatz gerecht. Gehen wir aber zurück in die 90er Jahre, dann findet man dort noch einen Klassiker, den Gilliam in der Blüte seines Könnens inszenierte: ’12 Monkeys’ aus dem Jahre 1995.
Über die vielschichtige Handlung von ’12 Monkeys’ sollte man nicht zu viele Worte verlieren, denn die Gefahr für die unschönen Spoiler stehen doch recht hoch, deswegen nur so viel vorweg: Wir treffen unseren Protagonisten Cole zum ersten Mal im Jahre im Jahre 2035 und dort erwartet uns keine rosige Zukunft. Die Menschen sterben aus, aufgrund eines Virus, der die Menschheit seit dem Jahre 1996 immer weiter ausradiert hatte. Die letzten Häufchen von Überlebenden befinden sich in einem System, unterhalb der Erdoberfläche. Aber die Wissenschaftler haben die Hoffnungen noch nicht aufgegeben und schicken den Sträfling James Cole als Zeitreisenden zurück in die Vergangenheit, um die Katastrophe noch irgendwie zu verhindern. Dabei springt Cole vom Jahre 1990 zurück in die Zeit des ersten Weltkrieges und schließlich in das alles entscheidende 1996, wo er immer wieder mit einer Gruppierung namens 12 Monkeys konfrontiert wird. Hat diese unbekannte Organisation etwas mit dem Virus zu tun? Und was sind das für Visionen, die Cole ständig von einem kleinen Kind sieht? Mit der Psychiaterin Kathryn macht sich Cole auf die Suche und trifft dabei auf schwerwiegende Wahrheiten
Das Setting, die Ausstattungen und die Kulissen sind in einem Film von Terry Gilliam immer wunderbar, einfach weil er so viel Herzblut in die nebensächlich erscheinenden Details legen, die man bei jeder neuen Sichtung entdecken kann und dadurch vielleicht auch einen neuen Hinweis für die Story selbst bekommt. Für die Aufnahmen war dieses Mal Roger Pratt verantwortlich, der die zerfallende Zukunft und die fiebrige Gegenwart mit einer außergewöhnlichen Kameraführung begleitet, die nicht immer dem Standard entspricht und genau das typische Gilliam-Feeling entfachen kann. Die Optik selbst lässt sich als blass-kühl bezeichnen, was nicht heißen soll, dass der Film farblos erscheint, sondern das die Atmosphäre, sowohl Gegenwart als auch Zukunft, in unterschwelliger bis klarer Kälte aufgezeigt wird. Der Soundtrack von Paul Buckmaster orientiert sich zuweilen an Bernard Herrmanns Meisterscore aus ‘Vertigo’, der auch eine Art Pate für ’12 Monkeys’ wurde. Ein großes Lob muss auch das Drehbuch von David Webb und Janet Peoples bekommen, welches sich durch Intelligenz und Vielfalt auszeichnet und die Geschichte in ihrer Komplexität nie aus den Ruder laufen lässt, sondern klar zusammenführt. Interessant ist auch die Besetzung der Hauptfigur James Cole durch Actionstar Bruce Willis, der hier zeigt, dass er auch anspruchsvollen Rollen ohne Probleme gewachsen ist und seine beste Karriereleistung abliefert. Auch Brad Pitt als wahnsinniger Jeffrey Goines ist genial, wenn auch leider etwas spärlich eingesetzt. Dann wäre da noch Madeleine Stowe als Kathryn Railly, die eine ebenso wichtige Rolle wie Willis spielt und den sachlichen Gegenpart mit Bravour gibt.
’12 Monkeys’ lässt sich durch viele verschiedene Blickwinkel betrachten. An erster Stelle greift er das wohl interessanteste Thema der Wissenschaft auf: die Zeitreise. Dabei jagt Gilliams seinen Protagonisten nicht durch die Antike, sondern gibt dem Vorgang ein schlüssiges Fundament, welches nicht zu abgehoben oder unklar wirkt. Cole kennt die menschliche Zukunft, er hat die Katastrophe gesehen und muss nun zurück in die Gegenwart, um diese zu verhindern. Dabei zeichnet Gilliam ein postapokalyptisches Zukunftsbild, welches sich in seiner Anti-Utopie der fatalistischen Weltanschauung widmet und die Zeitebenen surreal wie skurril verschmelzen lässt. ’12 Monkeys’ ist der Kampf für die Menschheit und ein letztes Erheben für die Hoffnung aller Erdbewohner. Die Weiten des verstreuten Gedächtnisses werden erkundet und Rationalität trifft auf die Frage nach Wahrheit und Wahnsinn. Alle Elemente, Andeutungen und Details verknüpfen sich nach und nach und die Kritik an Systemen, Strukturen, überheblichen Fortschritten und der Gesellschaft wird immer deutlicher. Alles was Cole spüren möchte, ist die Nähe zu einem Menschen, doch um diese zu erlangen, muss er die Bindungslosigkeit der zukünftigen Gegenwart verlassen und sich in vergangenen Tatsachen seinem Schicksal stellen. ’12 Monkeys wird so nicht nur zu einem spannenden wie interessanten Sci-Fi-Film, sondern trifft auch die persönlichen Töne und weiß Gefühle zu erzeugen, die den Zuschauer nachdenklich stimmen werden.
Fazit: Dystopie trifft auf schicksalhafte Gegenwart, die in den Händen eines Mannes liegt, der selber genauso hilflos ist wie die Menschheit in dieser Zeit selbst. Die Fehler der Wissenschaft und die Ebenen der Gesellschaft werden kritisch durchleuchtet, genau wie die des erzwungenen Wahnsinns und der Klarheit des sachlichen Denkens. Ein pessimistisches Zukunftsbild, umrandet von dem Kampf gegen den Virus und der Suche nach Annahme. ’12 Monkeys’ ist einer der Filme, die man immer und immer wieder sehen kann und es auch genauso muss, denn mit jedem erneuten Sehen wächst er. Dementsprechend darf man nicht nach dem ersten Mal aufgeben, sondern muss ihm mindestens noch eine zweite Chance geben. Allein die intelligente Idee, die tollen Darsteller, Gilliams visionäre Inszenierung und die starken Aufnahmen sind Grund genug dafür.
Bewertung: 8/10 Sternen