Eine Gastkritik von Michael Gasch – erstmals zu lesen am 5.9.2023.
– gesehen im Rahmen der 80. Filmfestspiele von Venedig 2023 –
Chivalry may be dead, but I didn’t kill it.
Richard Linklaters beinahe 40 Jahre umspannendes Werk lässt sich als vieles bezeichnen. Romantisch (Before Sunrise und dessen Nachfolger), clever (Tape), arschcool (Confusion, Everybody Wants Some), herzerwärmend (Boyhood – an dessen Kinobesuch ich mich noch heute erinnern kann, als wäre es gestern gewesen)… you name it. Sein neuester Film mit dem deutschen Vermarktungstitel A Killer Romance (international: Hit Man) welcher auf dem Filmfestival Venedig 2023 wie eine Bombe einschlug, ist jedoch eine Klasse für sich. Es mag daran liegen, dass all die vorangegangenen Adjektive gleichermaßen auf diese Filmperle zutreffen. Hochintelligent und charmant zeigt sich Linklater von seiner besten Seite.
Das Thema des bezahlten Tötens scheint mit Aggro Dr1ft, The Killer, In the Land of Saints and Sinners, John Wick – Kapitel 4 oder auch Argylle die letzten paar Monate im Trend zu sein. A Killer Romance reiht sich auf dem ersten Blick auch in die Liste jener Werke ein – der Titel lässt es bereits erahnen. Der große Unterschied: Während all diese Filme darauf aus sind, die männliche Lustbefriedigung mit Waffenästhetik, Blutvergießen und adrenalingeladenen Kämpfen zu triggern, stellt sich Linklater selbstbewusst ins Abseits. All diese niederen Gelüste scheinen ihn nicht die Bohne zu interessieren. Stattdessen geht es um Themen wie Persönlichkeitsentwicklung und die Frage, die bereits den deutschen Philosophen und Schriftsteller Richard David Precht interessierte: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Selten finden sich psychologische Themen im Kino und noch seltener Filme, die derartige Themen gelungen und mit klarem Verstand aufgreifen und alleine dafür muss man Linklater loben.
A Killer Romance ist jedoch alles andere als ein bitterernster, hochphilosophischer Film für die intellektuelle Zielgruppe, sondern vereint Lockerheit, Unterhaltung (mit typischen pointierten Linklater-Humor) und Cleverness auf faszinierende Art und Weise. Seine Neuproduktion bietet sich daher perfekt für einen Männerabend, einen Frauenabend, einen Partyabend, schlichtweg für jeden Abend mit jeder Gesellschaft an, da es reichlich Stoff zum Lachen, aber auch zum Diskutieren gibt. Um nur ein paar zu nennen: Männlichkeit, Mindset, Verhaltensweisen, Ausstrahlung, Attraktivität, Lösungsorientierung – wer suchet, der findet. Psychologisch zusammengefasst, zeigt Linklater wie kein Zweiter, zumindest in letzter Zeit: Intelligenz ist sexy! Anders als Filme, die ebenso den Anspruch verfolgen, die menschliche Komplexität zu ergründen (und scheitern), bewahrt Linklater einen kühlen Kopf, legt nicht alles auf die Goldwaage und verliert darüber hinaus nie den Humor aus dem Blick.
Aufhänger des Ganzen ist Schauspieler Glen Powell, der bisher noch nicht den Sprung in die Elite Hollywoods geschafft hat. Top Gun: Maverick oder zuletzt Wo die Lüge hinfällt konnten nicht allzu viel daran ändern, doch immerhin schafft das A Killer Romance nun ganz alleine – zumindest wünscht man es ihm vom ganzen Herzen. Männliche Kernigkeit, Witz, Charme und Humor vereint er in seiner Rolle als gespielter Auftragsmörder / Philosophieprofessor und verkörpert somit zwei Rollen, die nicht gegensätzlicher ausfallen könnten. Es wäre wenig überraschend, würden es Fernsehzeitschriften auf den Slogan „Ein Mann zum Verlieben“ reduzieren und damit werben – und das wäre nicht einmal übertrieben. Mühelos springt Powell von einer Männerfigur zur anderen und vereint nicht nur schauspielerische Brillanz mit grandioser Wandelbarkeit, sondern fördert das Zusammenspiel von Cleverness und Unterhaltung bis zum Maximum.
Ein halber Krimi, eine halbe Komödie – so lässt sich Linklaters Perle letztlich gut zusammenfassen – zeigt sich A Killer Romance als extrem gelungener Film, der vermutlich in vielen Top-Listen dieses Jahres auftauchen wird. Linklater zeigt dadurch einmal mehr, dass er zu den wichtigsten amerikanischen Regisseuren zählt, was nicht ausschließlich an seinem Fingerspitzengefühl liegt. Es liegt auch daran, dass er kein Filmemacher für die breite Masse ist, keinerlei Zugeständnisse macht und erst recht nicht sich selbst inszenieren will, wie man es beispielsweise von einem Wes Anderson kennt. Unabhängig davon, dass A Killer Romance einen sehr gelungenen Allrounder abgibt, bleibt sein Schöpfer bodenständig und weiß mit simplen Ideen und wenig Budget den Filmfan abzuholen. A Killer Romance gibt somit den neuen Goldstandard im Subgenre der Krimi-Paarfilme ab und lässt zumindest ansatzweise vergleichbare Produktionen wie Das gibt Ärger oder Mr. & Mrs. Smith alt aussehen. In Vergessenheit darf jetzt auch Powells letzte Produktion Wo die Lüge hinfällt geraten, denn mit A Killer Romance ist alles vergessen und vergeben.
Kinostart: 4. Juli 2024
Heimkinostart: 18. Oktober 2024
Originaltitel: Hit Man
Regie und Drehbuch: Richard Linklater
Darsteller: u.a. mit Glen Powell und Adria Arjona
FSK-Freigabe: ab 12
Verleih Dt.: LEONINE Studios
Laufzeit: 1 St. 55 Min.
★★★★★★★☆