"The Town" (USA 2010) Kritik – Gefangen in der Stadt ohne Gnade

“9 Jahre hab ich gesessen. Du brauchst mir dafür nicht zu danken, aber du wirst nicht weggehen.”

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Nach ‘Heat’ konnte man als Zuschauer aus dem “Cop-gegen-Gangster”-Genre nicht mehr viel Besseres erwarten. Bis ins kleine Detail inszenierte Michael Mann 1996 seinen Kampf der Giganten perfekt. Dementsprechend schwierig gestaltete es sich in diesem Genre endlich wieder etwas Innovatives zu bieten. 2010 versuchte sich Ben Affleck in besagtem Genre und er schaffte es tatsächlich mit seinem Thriller Drama ‘The Town’ zu überzeugen und zu begeistern. Vom ‘Heat’-Status ist ‘The Town’ aber natürlich dennoch noch einige Schritte entfernt.

Afflecks Heimatstadt Boston, in dem ‘The Town’ spielt, gibt hier den Dreh und Angelpunkt der Geschichte. Robert Elswit fängt raue und gleichermaßen stilsichere Bilder der grauen und trüben Großstadt ein. Das Gangster-Viertel, die engen und verwinkelten Gassen und der harte Umgangston machen diese grandiose und authentische Atmosphäre aus. Die Kamera ist immer nah am Geschehen, hin und wieder wird auch die berühmt-berüchtigte Handkamera angewendet, sorgt hier aber in keinem Fall für Kopfschmerzen sondern dient allein als Mittel zum Zweck. Auch die starke Musik von Gregson-Williams und Buckley überzeugt durch Vielseitigkeit. Zum einen die kratzigen und weichen Gitarrenklänge und auf der anderen Seite die imposante Musik, die den Film in Actionszenen oder in ruhigen Passagen immer passend untermalt.

Ben Affleck hat hier nicht nur Regie geführt, nein. Er war auch gleich so frei und übernahm die Hauptrolle. Das Affleck mit Sicherheit nicht der hellste Stern am Schauspielhimmel ist hat er nicht nur einmal mit Bravour bewiesen. Doch in ‘The Town’ zeigt er endlich wieder eine gute und vor allem glaubwürdige Leistung. Affleck spielt den gutherzigen Kriminellen Doug McRay. Aber Affleck bietet hier noch lange nicht die beste Darstellung des Films. Es sind die Nebenrollen die hier groß Auftrumpfen können. Vor allem Jeremy Renner als Ex-Häftling Jem stiehlt hier den anderen Darstellern immer wieder die Show und wurde zu Recht mit einer Oscar Nominierung belohnt. Auch Jon Hamm als FBI-Agent Frawley, Rebecca Hall als Claire, Pete Postlethwaite als Boss Fergie und Chris Cooper in einer Minirolle als Stephan McRay überzeugen. Blake Lively als Krista fällt hier wohl mal meisten ab, sie wirkt in ihrer schlampigen Rolle nicht immer glaubwürdig, ist aber kein völliger Ausfall.

Viele Schauspieler entscheiden sich nach mehr oder weniger erfolgreichen Karrieren auch mal Platz auf dem Regiestuhl zu nehmen. Bei den einen geht die Rechnung voll lauf und die Welt kann sich über ein neues Regie-Talent freuen. Bei den anderen endet der Versuch jedoch im Desaster, was aber nicht immer heißt dass diese Personen ihre Talentlosigkeit einsehen. Ben Affleck, der wie gesagt als Schauspieler nicht nur einmal völlig versagt hat, erlebt als Regisseur endlich wieder seinen zweiten Frühling. Nach dem mit Lob überschütteten ‘Gone Baby Gone’ übernimmt Affleck bei ‘The Town’ zum zweiten Mal Platz auf dem Stuhl. Und Affleck beweist wieder, dass ihn als Regisseur eine rosige Zukunft erwartet.

Was ‘The Town’ zuerst so überdurchschnittlich macht ist die Art und Weise wie Affleck seine Geschichte erzählt. In der ersten Szene geht er direkt in die Vollen und wir sehen ihn und seine Gang bei einem brutalen Banküberfall. Wir werden direkt ins Geschehen gezogen und erleben hier den Grundpfeiler der Geschichte. Denn die Gang nimmt eine Frau als Geisel und lässt sie kurze Zeit mit verbundenen Augen wieder frei. Ausgerechnet diese Frau kommt auch noch aus der Nachbarschaft von Doug und Co. und blöder Weise baut Doug mit ihr, trotz der Angst immer ertappt zu werden, eine Beziehung auf. Was vor allem Jem gehörig gegen den Strich geht und für einige Probleme und Sorgen innerhalb der Gang führt. Nach diesem Überfall nimmt Affleck das Tempo aus der Geschichte und er nimmt sich Zeit um die verschiedenen Charaktere vorzustellen. Wir lernen sie kennen und merken immer mehr wie weit sie für ihren nächsten Coup gehen würden. Vor allem Jem der auch nach 9 Jahren Gefängnis nicht mit den Überfällen aufhören will und über Leichen gehen würde. Jem ist aufbrausend und äußert brutal, würde aber für Doug alles tun. Doug hingegen ist eigentlich ein ruhiger und einsamer Mensch, der dem kriminellen Leben am liebsten den Rücken kehren würde, aber durch Jem immer wieder aufgehalten wird. Nachdem aber der zweite Banküberfall fast schiefgegangen wäre, bekommen wir es mit unserem FBI-Agent zu tun. Ein knallharter und zielstrebiger Mann der nicht ruhen wird bis er die Bande hinter Gittern sieht. Leider verzichtet Affleck hier vollkommen auf eine Charakterisierung, so dass der Agent immer mit seiner oberflächlichen Zeichnung leben muss.

Das große Highlight des Films ist der Überfall auf das Bostoner Baseballstadion und der darauffolgende Showdown auf den Straßen mit nervenaufreibendem Schusswechsel. Doch neben den hervorragend inszenierten Actionsequenzen ist es die Szene in denen Jem, Doug und Claire sich zum ersten Mal in einem Café zufällig treffen. Die Situation spannt sich unglaublich an, denn Carrie droht Jem an seinem Nackentattoo zu erkennen. Affleck inszeniert diese Szene so meisterhaft und mit unglaublicher Spannung, dass sie fast aus einem Hitchcock-Film kommen könnte.

Mit dem vielschichtigen Schauspiel von De Niro und Pacino können es Renner und Co natürlich nicht aufnehmen, dafür sind ihre Charaktere auch nicht gut genug gezeichnet worden. Die Action jedoch braucht sich vor ‘Heat’ in keinem Fall verstecken und auch die Spannung ist durchgehend vorhanden. Natürlich ist ‘The Town’ kein Charakter-Drama, dafür ist er dann doch zu laut und eher für ein breiteres Publikum gemacht worden. Aber auch als Blockbuster lässt sich ‘The Town’ nicht bezeichnen, dafür ist er dann eben doch wieder zu still. ‘The Town’ siedelt sich irgendwo dazwischen an und hält fantastisch den Spagat zwischen Unterhaltung und stillem Thriller-Drama.

“Du willst auf mich schießen? Na schön, dann musst du mich von hinten abknallen.”

Fazit: ‘The Town’ überzeugt durch seine durchgängige Spannung, seine tollen Darsteller, die authentischen Aufnahmen und seinen hervorragenden Soundtrack. Leider fehlt den Charakteren aber die richtige Tiefe, ganz besonders Jon Hamms Figur, und auch die straffe Inszenierung geht an manchen Stellen verloren. Nichtsdestotrotz bleibt ‘The Town’ ein überaus starker Genre-Thriller, der gerne immer wieder gesehen werden kann und auf höchstem Niveau unterhält.

“Ein bestimmtes Arbeiterviertel in Boston brachte mehr Bank- und Geldtransporträuber hervor als jede andere Gegend der Welt.
Bankraub wurde in Charlestown zu einer Art Gewerbe, das vom Vater an den Sohn vererbt wurde.”

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