"The Impossible" (ES 2012) Kritik – Die unbändige Kraft der Natur

Autor: Stefan Geisler

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“Close your eyes, think of something nice.”

Am 26. Dezember 2004 kam es im Indischen Ozean zu einem gewaltigen Seebeben. Die dadurch ausgelösten Flutwellen trafen mit verheerender Wucht auf die Küstenregionen Südostasiens und forderten insgesamt über 230.000 Todesopfer. Die Aufnahmen, die von einigen Hobbyfilmern gemacht wurden, geben einen ungefähren Eindruck von der beängstigenden, aber gleichzeitig auch faszinierenden Kraft dieser Naturgewalt. Erbarmungslos reißt sie alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt und trotz dieser erschreckenden Aufnahmen lässt es sich als Außenstehender nur schwer nachvollziehen, was die Menschen in den betroffenen Regionen durchgemacht haben müssen. Dieser intensiven Erfahrung möchte uns jetzt der spanische Regisseur Juan Antonio Bayona („Das Waisenhaus“) mit „The Impossible“ näher bringen und zumindest was die Darstellung der Naturgewalten angeht, gelingt ihm dies auch bravourös.

Pünktlich zu Weihnachten fliegt Henry Bennett (Ewan McGregor) gemeinsam mit seiner Frau Maria (Naomi Watts) und seinen Söhnen Lucas (Tom Holland), Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) in ein wahres Urlaubsparadies. In einer weiträumigen Ferienanlage in Phuket an der Küste Thailands will die Familie gemeinsam mal so richtig die Seele baumeln lassen. Doch unerwartet bricht ein wahres Unheil über die Familie herein: Eine meterhohe Flutwelle, ausgelöst durch ein gigantisches Seebeben, überschwemmt die Anlage und reißt alles mit sich. Maria und Lucas werden vom Rest der Bennetts getrennt und erleiden schwere Verletzungen. Doch wo sind Henry, Thomas und Simon? Eine verzweifelte Suche beginnt…

Menschen, die im Pool planschen, sich in der Sonne bräunen und einfach mal das Leben in vollen Zügen genießen. Nichts, aber auch gar nichts kündet von der verheerenden Katastrophe, die Regisseur Juan Antonio Bayona in wenigen Sekunden hereinbrechen lässt. Dann geht alles ganz schnell: Wenn die ersten Bäume unter den hereinbrechenden Wassermassen wie Streichhölzer umgeknickt werden, fühlt man sich an alte Monsterfilme erinnert und so verkehrt scheint der Vergleich auch nicht, denn wie eine unaufhaltsame Bestie frisst sich der Wasserstrom seinen Weg durch die Hotelanlage, durchbricht Wände und reißt erbarmungslos einfach alles mit, was sich in seinem Weg befindet. Wie soll man einer solchen Gewalt entkommen? An dieser Frage lässt Regisseur Bayona keinen Zweifel: Gar nicht. Ab jetzt heißt es einfach nur Zähne zusammenbeißen und durch, auf das Beste hoffen und möglichst einen klaren Kopf bewahren, denn sonst ist man hoffnungslos verloren.

So beeindruckend und ergreifend sich das Hereinbrechen der Naturgewalt auch gestaltet, so kitschig inszeniert Regisseur Juan Antonio Bayona den anschließenden Überlebenskampf der fünfköpfigen Familie. Freut man sich anfangs noch über jeden Moment des Glücks, der einem wie eine Hoffnungs-Oase inmitten des Schreckensszenarios erscheint, fühlt man sich nach kurzer Zeit bereits regelrecht belästigt von der schmalztriefenden musikalischen Untermalung des spanischen Komponisten Fernando Velázquez. Platz für eigene Emotionen? Fehlanzeige, hier wird einem klar vorgegeben, was man zu fühlen hat und das ändert sich auch leider bis zum Ende des Films nicht. Auch wie Regisseur Bayona die einzelnen Handlungsfäden zusammenführt, gestaltet sich stellenweise schrecklich manipulativ. Wenn sich die Protagonisten immer nur um Haaresbreite verfehlen und somit das glückliche Wiedersehen ein ums andere Mal hinausgezögert wird, hat das nichts mehr mit den wahren Begebenheiten zu tun, auf denen das Drama basiert, sondert dient lediglich dazu, den Zuschauer noch weiter auf die emotionale Folterbank zu spannen.

Wie nah in einem solchen unfassbaren Szenario Glück und Trauer nebeneinander liegen, wird einem immer dann schmerzlich bewusst, wenn Schicksale anderer Menschen den Handlungshorizont der Protagonisten streifen. Denn während sich hier einerseits Familien wiederfinden und Freudentränen vergossen werden, stapeln sich im Hintergrund die Leichen. Besonders intensiv gestalten sich dabei die Szenen im Krankenhaus, in dem das vollkommen überforderte Personal verzweifelt versucht, der hoffnungslosen Lage Herr zu werden. Und auch der kurze aber prägnante Auftritt des deutschen Touristen (Söhnke Möhring), der verzweifelt nach einem Lebenszeichen seiner verschollenen Frau sucht, gehört zu den kleinen, traurigen Höhepunkten des Films.

Fazit:
Juan Antonio Bayonas Naturkatastrophen-Drama „The Impossible“ erweist sich als zweischneidiges Schwert. Während Bayonas mit der Darstellung der unbändigen Naturgewalt eine inszenatorische Meisterleistung geglückt ist, kommt das eigentlich Unglaubliche an der Geschichte, der Überlebenskampf der Familie, nicht über gehobenen Kitsch hinaus.

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