Berlinale-Kritik: Love Lies Bleeding (USA 2024)

Eine Gastkritik von Hendrik Warnke

– gesehen im Rahmen der 74. Berlinale 2024 –

Love Lies Bleeding 2024 Kristen Stewart

Let’s just keep driving.

Liebe macht blind… und verdammt muskulös. Zumindest, wenn man Love Lies Bleeding Glauben schenken möchte. Nach Saint Maud (2019) präsentiert Rose Glass eine etwas andere Romcom, die uns zeigt, was dem Actionkino der 80er gefehlt hat. Aber eins nach dem anderen. In Love Lies Bleeding folgen wir Lou (Spencer-Star Kristen Stewart), die in einem Fitnessstudio irgendwo im US-Nirgendwo arbeitet und nur noch von ihrer dort lebenden Schwester gehalten wird. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie die Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian) kennenlernt und sich Hals über Kopf in diese verliebt. Gemeinsam wollen die beiden nach Las Vegas zu einem Bodybuilding Contest, um mit dem Preisgeld im Gepäck nach Kalifornien abzuhauen und ein neues Leben anzufangen. Doch Lous Familie und kriminelle Vergangenheit macht das Ganze ein wenig komplizierter…

Zwei Liebende, der Wunsch neu anzufangen und die Vergangenheit, die die beiden einzuholen droht und gestählte Körper – Love Lies Bleeding klingt zunächst nach relativ beliebiger Crime-Action-Lovestory, entpuppt sich aber schnell als frischer Wind für diese eingestaubte Formel. Vor allem liegt das daran, dass sich Love Lies Bleeding zu keiner Sekunde zu ernst nimmt und fast schon als Parodie oder eine Art feministische Gegenthese zu dieser Art Film dient. Das fängt bei den unfassbar überzeichneten Figuren an und hört bei dem fast schon schmerzhaften 80er-Retrostil auf. Und durch diesen erinnert Love Lies Bleeding eben nicht nur an Filme wie Bonnie & Clyde, Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen oder Thelma & Louise, sondern gerade auch an das Actionkino der 80er.

Entsprechend dürften Freunde des von Homoerotik gezeichneten Hypermachismos à la Carl Weathers und Arnold Schwarzenegger auch hier auf ihre Kosten kommen. Oder sie fühlen sich massiv auf den Schlips getreten, das müssen sie mit sich selbst ausmachen. Zu allen, die in ihrer Sexualität aber weniger verunsichert sind und Filme wie Predator für das lieben, was sie sind, nämlich absolut bescheuert, lässt sich zu Love Lies Bleeding aber nur eines sagen: “You son of a bitch!” Schnallt euch an, denn hier gibt es bestimmt nicht zu viel Schreibtischarbeit. Schweiß und Muskeln wohin das Auge reicht und dazu ein Sounddesign des Himmels. Noch nie haben sich wachsende Muskeln und pulsierende Adern so gut angehört. Licht, Musik und Frisuren tun ihr übriges, um ein wahres Fest von einem Film einzuleiten, der vielleicht kein intellektuelles Meisterwerk ist, sich aber seiner Position und seiner intertextuellen Bezüge völlig bewusst ist.

Love Lies Bleeding 2024 Rose Glass

Und entsprechend sollte man Love Lies Bleeding auch nicht als überdrehten Metafilm abtun, der sonst nichts zu bieten hat. Auch wenn er durchaus parodistische Züge hat, geschieht dies weniger böswillig, sondern immer mit einem Augenzwinkern und einer gewissen liebevollen Ambivalenz gegenüber dem Actionkino der 80er und dessen Umständen. Ja, ihr seid problematisch, aber solange man euch nicht zu ernst nimmt, seid ihr trotzdem verdammt unterhaltsam. Und letztlich gilt das auch für Love Lies Bleeding selbst. Es ist zwar ein netter Touch, dass hier viele Geschlechterrollen aufgebrochen bzw. umgekehrt werden, trotzdem haben unsere Heldinnen aber dieselben Schwächen, wie ihren männlichen Counterparts es in den 80ern vorgelebt haben. Es wird manipuliert, gelogen und gemordet. Das Ganze geschieht zwar ein bisschen geerdeter und reflektierter als in jenen Actionfilmen, eine nennenswerte Aufarbeitung dieser Probleme gibt es allerdings, auch der Pointe wegen, nicht. Wie der Titel es schon andeutet, gehört das Lügen und das Bluten eben manchmal zur Liebe dazu, zumindest im Film.

Interessant daran ist, dass der Film seine Hauptfiguren damit bewusst ein wenig untergräbt bzw. sie nicht als moderne Figuren in einer veralteten Welt darstellt, sondern eben auch selbst als Teil dieser Welt. Zwar wirken sie lange als Gegenpol zu den schaurig-schleimigen Figuren Dave Francos und Ed Harris’, ein wahrer Abgesang auf diese Art Figuren sind sie letztlich aber auch nicht. Stattdessen stehen sie irgendwo in der Mitte und sind moralisch schon irgendwo überlegen, werden aber trotzdem problematisiert bzw. mit einem großen Augenzwinkern romantisiert. Wie bereits erwähnt, prügelt Love Lies Bleeding nicht auf seine filmischen Einflüsse ein, sondern hat ein eher ambivalentes Verhältnis zu ihnen. Dafür bedient er sich an zu vielen ihrer dramaturgischen Kniffe und ist in seiner Parodierung nicht konsequent genug.

Ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre, wenn der Film sich in dieser Hinsicht anders entschieden hätte. Vielleicht hätte er seine Hauptfiguren komplett vom Rest abheben und von einer Metaebene aus sprechen lassen sollen. Vielleicht hätte er auch mit seiner Überzeichnung All In  gehen und die Figuren als noch deutlichere Ebenbilder der bekannten Actionfiguren der 80er zeichnen sollen. Beides wäre vermutlich deutlich dekonstruierender gewesen und hätte dem Film ein Stück seiner Gefälligkeit genommen. Denn so spaßig Love Lies Bleeding auch ist, allzu viel bleibt nach dem Schauen leider nicht. Ich freue mich, dass es diesen Film gibt und ich freue mich auch irgendwo, dass er sich nicht als Kunstfilm präsentiert, sondern eben in jenen Mainstream will, über den er sich auch ein wenig lustig macht. Ob das die richtige Entscheidung war, hängt jedoch davon ab, ob er es auch tatsächlich schafft, dort anzukommen und seine durchaus guten Intentionen zu verbreiten. Ich kann es mir vorstellen, aber vor allem wünsche ich es ihm.

★★★★★★☆☆

Love Lies Bleeding hat bisher noch keinen deutschen Kinostarttermin.

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