Kritik: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (UK, USA 2017)

Mildred Hayes: So how’s it all going in the nigger- torturing business, Dixon?
Dixon: It’s ‘Persons of color’-torturing business, these days, if you want to know. And I didn’t torture nobody.

Wie humorvoll kann ein Schlag in die Magengrube sein? So mancher Kinozuschauer dürfte sich diese Frage nach der Sichtung des neuen Films von Brügge sehen… und sterben?-Regisseur Martin McDonagh stellen, denn der irisch-britische Filmemacher nimmt sich in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri einem unangenehm harten Thema an: Der Kampf einer verzweifelten Mutter, deren Tochter ganz in der Nähe ihres Wohnhauses vergewaltigt, ermordet und anschließend verbrannt wurde, gegen die schleppend voranschreitende Ermittlungsarbeit der Polizei, die auch sieben Monate nach dem grausamen Gewaltverbrechen kaum Fortschritte vorzuweisen hat.

Kann ein solches Thema überhaupt als skurril-schwarzhumoriges Drama inszeniert werden, oder bleibt dem Zuschauer dabei nicht das Lachen im Halse stecken? Irgendwie gelingt Martin McDonagh dieser unmöglich erscheinende Spagat zwischen emotional-aufwühlendem Drama und absurder Komödie. Vielleicht auch, weil der Regisseur stets mit dem nötigen Feingefühl in der Charakterentwicklung vorangeht – und diese ist wirklich, wie schon in Brügge sehen… und sterben? oder auch seinem Oscar-prämierten Kurzfilm Six Shooter, das Herzstück des Films. Wie kaum ein anderer Regisseur versteht es McDonagh seine Charaktere nicht in erster Linie sympathisch, sondern menschlich zu zeichnen. Kein Anbiedern beim Publikum, keine Stützfigur, die dem Zuschauer stets in unverwundbarer moralischer Erhabenheit zur Seite steht. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist emotional ambivalentes Kino, wie es sein muss, wie es nur noch viel zu selten produziert wird und für mich somit schon jetzt der wahrscheinlich beste Film des Jahres.

Bei den diesjährigen Golden Globes gehörte Three Billboards Outside Ebbing, Missouri zu den großen Gewinnern des Abends. Gleich in vier Kategorien (bester Film, bestes Drehbuch, beste Hauptdarstellerin, bester Nebendarsteller) konnte sich der Film gegen die Konkurrenz durchsetzen und hat darüber hinaus einen Streit entfacht. Denn zu den Gewinnern des Abends zählte unter anderem auch der in der Nebenrolle des rassistisch-gewalttätigen Polizisten Officer Dixon besetzte Sam Rockwell, dem das letzte Drittel des Films gehört. Sofort wurden in den Feuilletons Debatten losgetreten, die sich mit der Frage auseinandersetzten, wie sympathisch Rassisten im Kino dargestellt werden dürfen. Wer jedoch diese Frage ernsthaft im Zusammenhang mit Martin McDonagh Three Billboards Outside Ebbing, Missouri diskutiert, der hat den Film entweder nicht gesehen oder nicht verstanden. Wer nämlich den tumb-rassistischen Polizisten, der eher mit dem Schlagstock als mit dem Gesetzbuch agiert, als reinen Sympathieträger sieht, dem ist nicht mehr zu helfen. Dass wir als Zuschauer allerdings durchaus Mitleid für den rassistischen Cop empfinden können, zeigt letztlich doch nur, dass Rassismus auch in Form ignorant-kindlicher Unbedarftheit auftreten kann.

Officer Dixon ist schlichtweg ein gewalttätiger Idiot, unfähig eigenständig zu denken. In seinen Comicheften, vollgestopft mit weißen Superhelden, sucht er Zuflucht vor einer Welt, die er nicht mehr versteht. Von seiner Mutter in dem Glauben an die „White Supremacy“ erzogen und in einer Gesellschaft aufgewachsen, die latent rassistisches Gedankengut eher fördert als dieses zu bekämpfen, sucht er für seine eigene missliche Situation den bequemsten gesellschaftlichen Sündenbock. Entschuldigt dies seine Taten? Mit Sicherheit nicht! Vielleicht hat Martin McDonagh damit den perfekten Film der Trump-Ära erschaffen und der Wählerschaft der „Angry White Voters“ endlich ein cineastisches Gesicht gegeben. Die Debatte um den Film und die Figur des Officers Dixon zeigen auf jeden Fall, dass der Regisseur gelungen den Zeitgeist getroffen hat.

Gleiches gilt übrigens auch für die wie John-Wayne-in-seinen-besten-Tagen agierende Mildred Hayes, die mit Frances McDormand großartig besetzt worden ist. Die Vorgehensweise der Mutter, die auf so schreckliche Art und Weise ihrer Tochter beraubt worden ist, gegen die langsam mahlenden Mühlen des Gesetzes ist ebenso aggressiv wie fragwürdig, wenn natürlich auch nicht unbegründet. Doch spätestens wenn Brandsätze fliegen und ein Guerilla-Krieg gegen die Polizei eröffnet wird, können Mildreds Mittel und Wege kaum noch gutgeheißen werden. In Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gibt es keine Helden, keine moralische Unfehlbarkeit – es gibt nur menschliches Verhalten und dieses ist stets nur allzu fehlerbehaftet. Wer nach dem Eröffnungsakt der Meinung ist, den Film verstanden und die Figuren durchblickt zu haben, wird sich am Ende den Kopf darüber zerbrechen, wie er sich durch den emotional aufwühlenden Eröffnungsakt hat dermaßen täuschen lassen.

Fazit: Mit Three Billboards Outside Ebbing, Missouri hat Martin McDonagh wieder einmal gezeigt, warum er zu den besten Regisseuren seiner Zeit gehört. Ausgestattet mit einem Panoptikum fantastisch geschriebener Figuren und einer großartigen Besetzung beweist sich Martin McDonaghs tief erschütterndes und wunderbar schwarzhumorig-skurriles Drama als eine unvergleichlich emotionale Achterbahnfahrt, die ebenso melancholisch berührend wie schallend komisch sein kann. Ein absoluter Pflichttermin für das Kinojahr 2018!

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