Kritik: Wo die Lüge hinfällt (USA 2023)

Eine Gastkritik von Michael Gasch

Wo die Lüge hinfällt 2024 Glen Powell

They’re going to destroy our wedding.

Wann gab es die letzte romantische Komödie, die mit Originalität, Cleverness und einem tollen Leinwandpaar für eine regelrechte Überraschung gesorgt hat? Jeder darf sich eingeladen fühlen, diese Frage für sich zu beantworten, da das Filmjahr 2024 in diesem Genre mit Wo die Lüge hinfällt eingeleitet wird. Auf den ersten Blick stehen die Zeichen für einen zumindest ansehnlichen Film nicht schlecht. Originalität wird schon vorhanden sein, man denke nur an die anderen Werke von Regisseur Will Gluck zurück, von denen zumindest Einfach zu haben mit Emma Stone und Freunde mit gewissen Vorzügen andere Konkurrenzproduktionen abgehängt haben. Beim Leinwandpaar bekommen wir dieses Mal Sydney Sweeney (Once Upon a Time… in Hollywood) und Glen Powell (Top Gun: Maverick) geboten, auch das klingt nicht verkehrt. Den Punkt Cleverness überspringe ich, da dies für gewöhnlich kein Anspruch ist, den sich Rom-Coms selbst setzen. Hat Wo die Lüge hinfällt dennoch das Zeug, das Publikum zu überraschen? Nun ja…

“Warum Wo die Lüge hinfällt statt Poor Things, welcher zeitgleich in den Kinos startet?” könnte man nun an erster Stelle fragen. Letzterer wurde bereits vor mehreren Monaten auf dem Filmfestival in Venedig gesichtet, wie auch Richard Linklaters Überraschungsperle Hit Man, in der ebenfalls Glen Powell mitspielt. Die Antwort ist also selbsterklärend: Wo die Lüge hinfällt ist auf den ersten Blick einzig und allein wegen Glen Powell interessant, der fast schon den Eindruck erweckt, er hätte das Potential eines Ryan Goslings 2.0. Es ist dabei wohl keine Übertreibung, wenn man von regelrechten Männer-Phänomenen spricht. Dafür reicht es, einen Blick auf Ryan Goslings Filmographie zu werfen. Sicher, Wie ein einziger Tag als auch Lars und die Frauen sind beileibe keine schlechten Filme, zeigen aber alles andere als charismatische Männerfiguren. Nun gehört Gosling, dank Blade Runner 2049, La La Land oder auch Drive, zur Crème de la Crème Hollywoods und vereint mit Wandelbarkeit, markanter Dominanz, Sex-Appeal und einer grandiosen schauspielerischen Leinwandpräsenz das volle Programm. Der Punkt der Wandlung ist für Glen Powell mit Wo die Lüge hinfällt noch nicht ganz in Sichtweite, dafür jedoch wird besagter Hit Man noch im Laufe des Jahres in den deutschen Kinos sorgen.

Die Geschichte von Wo die Lüge hinfällt, die wieder einmal von einer Hassliebe zwischen Mann und Frau handelt, beginnt recht klassisch. Die Überraschungen bleiben aus, doch immerhin gibt es eine nette Chemie zwischen dem Paar. Im Rahmen einer Hochzeit werden sie gezwungen, zueinander zu finden, wobei schnell echte Gefühle aufkommen. Wie es sich eben für eine Romanze so gehört. Das klingt erst einmal nicht verkehrt, wie auch das Motto, welches sich wie ein roter Faden durch den Film zieht: Wissen ist Macht. Es dauert nicht lange, bis einer den anderen verarscht oder verarscht wird – das kommt ganz darauf an, wie viel Kenntnis die einzelnen Figuren über das Getuschel hinter ihrem Rücken besitzen. Statt diesen Ansatz weiterzudenken, verrennt sich Gluck im Laufe des Films jedoch gleich mehrfach, was besonders der Intensivierung von Klischees geschuldet ist. So stürzt Wo die Lüge hinfällt schnell wie ein Kartenhaus in sich zusammen, da Glen Powell die romantische Geschichte kaum allein auf seinen Schultern stemmen kann – selbst dann nicht, wenn seine bessere Hälfte zur Hilfe eilt.

Die zu Beginn erwähnten Erwartungen oder Hoffnungen werden aufgrund dessen immer wieder mental verifiziert. Ist das jetzt noch originell? Scheint zumindest etwas Cleverness beim Skript durch? Ist das ein überraschender Film? Zündet zumindest der Humor? Die Standardantwort “naja…” bescheinigt der Rom-Com nur wenige Stärken. Das wäre nicht weiter schlimm, würde es Gluck gegen Ende hin nicht noch weiter verschlimmern. Glattgebügelte Bilder treffen hierbei auf weichgespülte Musik – wahrscheinlich ist dies selbst für eingefleischte weibliche Rom-Com-Fans langsam zu viel des Guten. Hopfen und Malz sind spätestens dann verloren, wenn den Zuschauern nur noch Brotkrumen hingeschmissen werden, welche sie zu schlucken haben. Dies hat mit dem soliden ersten Drittel nichts mehr gemein, wodurch das Leinwandpaar alle Hände voll zu tun hat, die Kanten zu glätten. 

Die romantische Komödie birgt zwar im Gesamten einige interessante Aspekte, jedoch leider zu wenig von allem. Paradox ist vor dem Hintergrund der Vergleich zu dem guten Vergleichsfilm Wedding Date aus 2005, der gleich mehrere Parallelen aufweist. Damals verkörperte der noch junge Dermot Mulroney den Protagonisten, in Wo die Lüge hinfällt spielt er dagegen den ins Alter gekommenen Familienvater, der Platz machen muss für die nächste Generation gutaussehender Männer. Wir lernen: Die Geschichte wiederholt sich, die konventionellen und nur selten faszinierenden Rom-Com-Produktionen ebenso. Das Warten nach dem nächsten Hit geht damit in die nächste Runde, doch das hat im Endeffekt auch etwas Gutes: Während die erste Rom-Com des Jahres einen kleinen Appetizer bietet, gibt Hit Man, welcher nach Angaben von Netflix demnächst erscheinen wird, ein vollmundiges Mahl ab, auf das sich wirklich jeder freuen darf. Ich nehme das erste Kinoerlebnis aus 2024 daher doch positiv wahr: Lieber zuerst eine mäßige Rom-Com und dann einen filmischen Geniestreich mit Glen Powell, statt umgekehrt!

★★★★☆☆☆☆

Wo die Lüge hinfällt startet am 18. Januar 2024 deutschlandweit im Kino.

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