Kritik: Don’t Worry Darling (USA 2022)

– gesehen im Rahmen der 79. Filmfestspiele von Venedig 2022 –

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© Warner Bros. Pictures

Welcome to Victory!

Als Olivia Wilde mit Booksmart* 2019 ihr Regiedebüt gab, war es die darauffolgenden drei Jahre still um die Regisseurin, die mit schnittigen Dialogen und einer ordentlichen Portion Wagemut eine frische Brise in das moderne Coming-of-Age-Kino brachte. Don’t Worry Darling, der seit dem 22. September in deutschlandweit in den Kinos läuft, zeigt jedoch, dass Booksmart kein One-Hit-Wonder war, im Gegenteil. So steht auch dem Zweitwerk der Mut Wildes wie ins Gesicht geschrieben, welcher sich nicht nur in der eigentlichen Story, sondern auch zwischen den Zeilen wiederfindet.

Wildes Werk gehört dabei in die Kategorie Film, zu der man sich am besten gar nichts vorher anschauen sollte. Die Geschichte, die sich in der malerischen Gemeinde namens The Victory Project abspielt, hat nämlich mehr zu bieten als die erste Stunde, in der ein farbenfrohes Utopie-Leben portraitiert wird. Wunderschöne Instagram-Bilder treffen hier auf musikalische Klassiker – darunter Helen Foster oder Ray Charles, die das schöne Leben (“The Right Time”) oder die Liebe (“You Belong to Me”) besingen. Wir werden später durch Ella Fitzgerald mit ihrem Song “Someone to Watch Over Me” jedoch noch eines Besseren belehrt, auch wenn man das als stumpfes Foreshadowing abtun könnte. Da sich Wilde ausreichend Zeit nimmt und nicht davor zurückschreckt Szenen doppelt und dreifach zu zeigen, ist somit genug Raum da, um in das Wunderland einzutauchen. Die Protagonistin heißt schließlich nicht umsonst Alice.

Alice (Florence Pugh) und Jack Chambers (Harry Styles) geben dabei ein auf den ersten Blick klischeehaftes Vorstadtpärchen ab. Während er den ganzen Tag arbeitet, bereitet sie das Essen vor, kocht Kaffee und bemüht sich, eine perfekte Version von sich abzugeben. YouTube-Coaches dürften hier also hellhörig werden, sind es nicht gerade die, die an einen Selbstoptimierungsdrang appellieren? Don’t Worry Darling passt in Hinblick auf die heutige Zeit also wie ein Faustschlag aufs Auge. Struktur und Ordnung – so will es uns der Film glauben lassen – das ist der Sinn des Lebens. Ein durchkomponierter Alltag, bestehend aus zwei Komponenten, verdeutlicht dies auf sehr präzise Art und Weise. Da haben wir auf der einen Seite das Credo, den Körper wie einen Tempel zu behandeln. Eine ausgewogene Ernährung, Sport, Körperpflege und Sex sowie das Vermeiden von zu viel Arbeit, könnte man hier anführen. Doch es gibt auch einen weiteren Punkt, der mit dem Vorangegangenen synergiert: die Maximierung von Lustbefriedigung. So ist es nicht verwunderlich, sondern schon fast konsequent, dass hier auch der Alkohol nicht zu kurz kommt.

Der wohl interessanteste Punkt, den Don’t Worry Darling aufbringt, liegt jedoch nochmal an anderer Stelle. Wer genau aufpasst, wird feststellen, dass im Film zu keiner Zeit die Rede von Geld und Luxus per se ist, obgleich die Bilder vor Opulenz nur so trotzen. Die Figuren nehmen diese Welt eben so hin, können im gleichen Atemzug aber die Nachbarn kaum mit Materialismus beeindrucken – fahren sie doch alle gleich schöne Autos und tragen fast schon dieselben schönen Kleider. Sündhaft teurer Whisky sowie auch die ästhetischen Kleider, die Alice trägt, springen uns zwar ins Auge, untereinander wird dies jedoch nicht wahrgenommen. Präzise Oberflächlichkeit, die ihres gleichen sucht – so könnte man es wohl auch nennen.

Don't-Worry-Darling-2022-Florence-Pugh
© Warner Bros. Pictures

Und doch gibt es statt Geld etwas, das als Substitut nicht unterschätzt werden sollte. Natürlich dreht sich hier viel um Zugehörigkeit wie auch Aufopferung, da der Kollektivismus das Individuum in Beschlag nimmt. So erweckt es schon fast den Eindruck, dass es sich im Victory Project um kein kapitalistisches, sondern fast schon kommunistisches Leben handelt, schließlich stehen alle Familien auf der gleichen Stufe und sind augenscheinlich identisch in puncto Lebensstil und Reichtum. Der Kollektivismus, der hier herrscht, funktioniert also gerade deswegen so gut, weil alle Rädchen ineinandergreifen. Dass die individualistischen Interessen untergeordnet werden und dass Figuren, die aus der Reihe tanzen, direkt malträtiert werden, ist also nur logisch.

So gleicht jeder Tag dem vorangegangen, bis wir merken, dass etwas nicht stimmt. Don’t Worry Darling nimmt sich dafür ausreichend viel Zeit und trifft zuweilen die richtigen Töne. Es kommt schließlich nicht von irgendwoher, dass das Wunderland den Eindruck erweckt als wäre es von der Realität leicht entrückt und das bereits in den ersten 10-15 Minuten. Herunterfallende Teller, die nicht zu Bruch gehen, stellen nur ein Beispiel dar, passt man gut genug auf. Alsbald klar wird, dass dieser “glamouröse” Alltag mit dem menschlichen Leben nicht vereinbar ist, kommen Sorgen auf. Dem Titel kann man daher nicht mehr Folge leisten, schließlich fühlt es sich schon fast danach an als wären die Figuren ein Fremdkörper in einer falschen Welt. Ein oft benutztes Zitat von Henry David Thoreau könnte man also hier erneut anbringen: “Lieber als Liebe, als Geld, als Ruhm, gebt mir Wahrheit.”

So mündet das Leben ohne Sorgen in einen beunruhigenden Thriller mit Mystery-Elementen, bei dem jeder miträtseln darf. Stück für Stück bröckelt so die Fassade hinter dem Victory Project, wie auch der Film an sich – nicht zuletzt aufgrund vermehrter Einbußen bei der Bildsprache. Wilde gibt jedoch nicht so leicht auf und versucht selbst gegen Ende hin noch weitere Themen wie die Freiheit des Menschen sowie den Zerfall der Gesellschaft zu integrieren. Obgleich schon anderen Filme wie Joker sich letzterem Thema widmeten und aufzeigten, dass dieses enorm viel filmisches Potential bietet, kratzt Wilde doch nur an der Oberfläche. Die Kanten, die Don’t Worry Darling aufweist, können durch die ersten 90 Minuten jedoch gut genug kompensiert werden. Der Zuschauer bekommt zum Glück mehr als nur einen billigen Matrix– oder Die Truman Show-Abklatsch, auch wenn einige Aspekte allzu offensichtlich daherkommen.

Fazit: Die Übertreibungen sollten aufhören, denn so schlecht, wie viele seit der Weltpremiere bei den diesjährigen Filmfestspielen von Venedig zu meinen glauben, ist Don’t Worry Darling wirklich nicht! Zusammenfassend stellt sich Olivia Wildes Science-Fiction-Drama als diskussionswürdig heraus und hat durchaus einiges zu sagen. Themen wie Besitzansprüche, die Freiheit des Menschen, individuelle Bedürfnisse, den Drang nach Ordnung und das Leben in einer technokratischen Gesellschaft sind durchaus gelungen kombiniert. Parallelen zu Matrix, The 13th Floor oder auch der Truman Show sind zwar mehr als gerechtfertigt, doch Wildes Werk reiht sich eher irgendwo dazwischen ein und kommt nicht als billige Kopie daher. Dass Don’t Worry Darling, der sich mehr im Programmkino verorten lässt, in den großen Kinos läuft, ist daher ein echtes Wunder – sind doch solche Filme, die etwas überfordernd sein können, sonst kaum in der Blockbuster-Kinolandschaft anzutreffen. An Olivia Wildes Kühnheit und dem Produktionsstudio New Line Cinema könnten sich also, trotz der unleugbaren Schwächen, viele Filmemacher eine Scheibe abschneiden. Olivia Wildes erst zweite Langfilmarbeit hat interessante Ansätze en masse zu bieten, weshalb man sich durchaus auf kommende Projekte der noch jungen Regisseurin freuen darf.

Hier geht’s zum Trailer auf Youtube.

Don’t Worry Darling startet am 22. September 2022 deutschlandweit in den Kinos. Bereits ab dem 24. November 2022 ist der Film dann fürs Heimkino erhältlich.*

 

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